Vocable (Allemagne)

WARUM WIR DAS WARTEN NICHT VERLERNEN DÜRFEN

Pourquoi nous devons continuer à pratiquer l’attente

-

Dans les salles d’attente, à l’arrêt de bus ou dans le métro – il y a quelques années nous passions encore beaucoup de temps à attendre. Aujourd’hui, ces moments creux sans surfer, jouer ou chatter sont en voie de disparitio­n. Et si on prenait un peu le temps de laisser notre esprit vagabonder ?

Ob beim Anstellen an Supermarkt­kassen, an Bushaltest­ellen, auf Bahnhöfen, im Wartezimme­r von Ärzten, in den Stuben von Ämtern, ja, selbst im Auto vor roten Ampeln – das Warten stirbt aus. Jedenfalls das Warten im Sinne von Nichtstun ohne Ablenkung durch Surfen, Chatten, Spielen.

2. Viele können es sich schon gar nicht mehr vorstellen: gegen die Wand starren. In den Himmel schauen. Andere Leute beobachten. Ausharren und sich in Geduld üben.

3. Heute gibt es das praktisch nicht mehr, weil nahezu jeder mit einem Smartphone ausgestatt­et ist und sich die Zeit damit vertreibt. Aber ist das Ende der Langeweile wirklich eine Erlösung? Für Wissenscha­ftler jedenfalls nicht, sie warnen vor einem Kulturverl­ust.

WARTEN ERFORDERT SELBSTDISZ­IPLIN

4. Ohne Zweifel: Das Warten konnte quälend sein. Zum Beispiel beim Zahnarzt, da ist man heute für die Ablenkung dankbar. Und doch meint der Philosoph Stefan Gosepath: „Wenn wir das Warten verlernen würden, wäre das ein kulturelle­r Verlust.“

5. Warten können hat etwas mit Selbstdisz­iplin zu tun. Heute können viele noch nicht mal fünf Minuten an der Supermarkt­kasse warten, ohne das Handy zu zücken. Und wenn das aus irgendeine­m Grund nicht gehen sollte – kein Empfang, Hände voll –, dann werden sie ganz ungeduldig.

6. „Das Warten – so unangenehm es sein konnte – hatte etwas Positives“, meint der Ko mm unikations­wissens ch aftlerPe te r Vorderer von der Universitä­t Mannheim. „Das war dieser Moment der Kontemplat­ion. Ein Moment der Pause. Man ließ die Welt auf sich wirken. Man konnte nachdenken. Dass das verschwind­et, ist sicherlich ein Problem. Das wird etwas sein, das uns nachhaltig verändern wird.“

OHNE LANGEWEILE KEINE KREATIVITÄ­T

7. Zum einen kann es das Denken beeinträch­tigen. Von Kindern weiß man, dass sie nicht kreativ sein können, wenn sie jeden Tag ein vollgepack­tes Programm haben. Sie brauchen die Langeweile, um selbst Ideen zu entwickeln. Erwachsene dürften da nicht so viel anders sein.

8. „In der Erfahrung des Wartens kann eine Chance liegen“, meint Gosepath, Professor an der Freien Universitä­t Berlin. „Man braucht die Phasen des Nichtstuns, auch der Langeweile, zum Beispiel während einer Fahrt in der U-Bahn, um seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Was man

sonst fast nur beim Psychother­apeuten hat.“ 9. Man schaut aus dem Fenster, die Gedanken gleiten weg – und plötzlich hat man einen guten Einfall. Plötzlich weiß man, wie man etwas anpacken muss. „Das ist natürlich nicht garantiert, aber wenn man keine Gelegenhei­ten schafft für solche Gedanken, dann kommen sie auch nicht“, sagt Gosepath. „Man muss ihnen Raum geben.“

BILDER MÜSSEN IM SEKUNDENTA­KT WECHSELN

10. Doch nicht nur das Denken, auch das Sehen könnte an Qualität verlieren, wenn das Warten vollends abgeschaff­t wird. Es geht um die Fähigkeit, genau hinzuschau­en. 11. Wenn man früher Morgen für Morgen an derselben Haltestell­e wartete, fielen einem kleinste Veränderun­gen auf. Die Frau, die auch jeden Morgen dort stand, trug einen neuen Mantel. Die Leute von gegenüber hatten andere Vorhänge. Der Kirschbaum bekam erste Knospen. 12. War es eine Straße, die man weit einsehen konnte, versuchte man, den Bus schon möglichst früh zu erkennen. „Da kommt er!“– „Nee, das ist nicht der 42er, das ist die 22!“Solche Dialoge an der Haltestell­e sind ausgestorb­en. Heute schauen viele noch nicht

mal beim Einsteigen vom Display auf.

13. Schon äußern Galeristen auf der Kunstmesse Art Cologne die Befürchtun­g, dass die heranwachs­ende Generation das Bildersamm­eln verlernen könnte – weil sie es eben nicht mehr gewohnt ist, immer wieder denselben Anblick zu ertragen. Die Bilder müssen im Sekundenta­kt wechseln.

14. Vorderer glaubt allerdings, dass das Warten ein Comeback erleben wird. „Ich bin davon überzeugt, dass wir uns diese Momente des Wartens zurückhole­n werden. Die Zunahme von Kommunikat­ion in Situatione­n, in denen man bisher nicht kommunizie­rt hat – oder nur mit seinem direkten Gegenüber kommunizie­rt hat –, ist so dramatisch, dass es hier unweigerli­ch eine Gegenreakt­ion geben muss.“

„Man braucht die Phasen des Nichtstuns, um seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.“Philosoph Stefan Gosepath

 ?? (©Istock) ?? Die meisten Menschen lenken sich mittlerwei­le während des Wartens mit dem Smartphone ab – selbst im Restaurant.
(©Istock) Die meisten Menschen lenken sich mittlerwei­le während des Wartens mit dem Smartphone ab – selbst im Restaurant.

Newspapers in French

Newspapers from France