Wie viel Nähe ertragen wir?
Plutôt tactile ou distant ? Le contact corporel en dit beaucoup sur nous
Que nous soyons plutôt chaleureux ou distants, nous avons tous besoin de contact physique. Sans ce contact, nous nous isolons, devenons malheureux et tombons malades. Bise ou accolade, le neurologue Müller-Oerlinghausen nous explique pourquoi nous avons besoin de tendresse. Question de vie ou de mort !
Jeder Mensch berührt sich im Alltag bis zu 800 Mal selbst: aus Nervosität, zur Stressbewältigung oder weil es gerade irgendwo juckt. Eine herzliche Umarmung können Selbstberührungen jedoch nicht ersetzen. Wie wichtig zwischenmenschlicher Körperkontakt für eine gesunde Psyche ist, weiß der Neurowissenschaftler Bruno Müller-Oerlinghausen. Im Interview verrät er, wieso wir uns alle nach Hautkontakt sehnen, manche Menschen Umarmungen trotzdem nicht ertragen und anderen eine einzige flüchtige Berührung pro Tag genügt, um glücklich zu sein.
2. WELT: Herr Müller-Oerlinghausen, wie sähe unser Leben ohne Körperkontakt aus? Bruno Müller-Oerlinghausen: Katastrophal. Wir werden krank oder sterben. In den wissenschaftlichen Experimenten, die dem Stauferkaiser Friedrich II. auf seiner Suche nach der Ursprache zugeschrieben wurden, sollen Kinder, die nicht angefasst werden durften, gestorben sein. Auch Versuchstiere, die von ihrer Mutter getrennt werden, sterben, wenn sie zwar gefüttert, aber nicht berührt werden. Man kann sie künstlich berühren, zum Beispiel mit Wattestäbchen, dann überleben sie. Wenn man sie gar nicht berührt, dann sterben sie.
3. WELT: Ist eine Berührung eine Unterhaltung ohne Worte? M.-O.: Richtig, es ist immer eine Art von Kommunikation zwischen zwei lebendigen Körpern. Es ist die Urkommunikation zwischen Menschen, aber auch zwischen Tieren. Neugeborene kleine Löwen oder Affen werden von ihren Müttern ständig abgeleckt, weil das ungeheuer wichtig ist
für das Wohlergehen und das Wachstum des Nachwuchses. Wir Menschen haben vielleicht keine so bewegliche Zunge, aber wir haben dafür Hände und Arme, die wir aber häufig zu wenig zur Kommunikation nutzen.
4. WELT: Wird unserer Berührungshunger je gestillt? M.-O.: Berührungen sind ein Grundbedürfnis, das wir unbedingt brauchen und das schon in embryonalen Zeiten angelegt ist. Der Tastsinn begleitet uns bis zum allerletzten Atemzug. Deswegen halten wir die Hand eines Sterbenden: Ein den Tod erwartender Mensch kann vielleicht nicht mehr sprechen, sich nicht mehr bewegen, sieht und hört nicht mehr viel – aber unsere Berührung nimmt er noch wahr – und ihre Botschaft: Ich bin bei dir.
5. WELT: Können Sie erklären, wieso Männer anderen Männer beim Umarmen so gerne auf den Rücken hauen? Erinnert mich ein wenig an das Imponiergehabe von Gorillas, die sich auf ihre eigene Brust trommeln… M.-O.: Ich weiß es auch nicht! (lacht). Da habe ich für die Recherche zu unserem Buch* auch lange gegrübelt. Ich glaube aber ohne jede wissenschaftliche Rückendeckung: Viele Männer wollen dadurch unbewusst etwas vermeiden, wovor sie Angst haben, nämlich für homosexuell gehalten zu werden. Durch das Klopfen zeigen sie: „Wir sind echte Männer! Wir klopfen uns wie die Fußballer auf den Rücken!“Es gibt ja kaum erlernbare Gewohnheiten für den Austausch von Zärtlichkeiten unter nicht schwulen Männern.
6. WELT: Was passiert mit Menschen, die keine Kindheit mit liebevollen Umarmungen erleben? M.-O.: Sie entwickeln Schutzreflexe. Zum Beispiel gegen einen aggressiven, vielleicht oft nächtlich alkoholisierten Vater. Wenn diese Menschen berührt werden, löst das in ihnen etwas Negatives aus.
Die Gesellschaft ist zunehmend einsam, überaltert und berührungsarm.
7. WELT: Und diese Menschen mögen dann keine Umarmungen? M.-O.: Ja, denn es gibt Menschen, die brauchen einen Schutzraum. Sie ertragen es einfach nicht, dass jemand in ihrer Nähe ist. Jeder hat eine Berührungszone, eine Schutzzone. Aggressive Straftäter haben beispielsweise oft einen sehr weiten Kreis um sich. Nähert sich ihnen jemand auf drei Meter, springen bei ihnen schon die Alarmglocken an. Bei anderen Menschen ist diese Zone enger, vielleicht nur anderthalb Meter weit. Wir alle besitzen ein lang andauerndes Körpergedächtnis.
8. WELT: Was bedeutet das genau? M.-O.: Bei einer Umarmung werden immer – auch unter Partnern – Erinnerungen ausgelöst. Umarmungen passieren ja fast nie zum ersten Mal, auch Berührungen sind oft Wiederholungen. Treffen wir zum Beispiel einen guten Freund oder Partner nach Jahren wieder, nachdem die Freundschaft oder Beziehung geendet ist, können durch die Umarmung plötzlich eine Menge alter Erinnerungen, solche und solche, aktiviert werden.
9. WELT: Wie merkt man, ob man zu wenig Körperkontakt bekommt? M.-O.: Man muss es ausprobieren, an sich selbst und an anderen, vielleicht lernt man aus Büchern. Wenn einem Berührungen bisher eher fremd waren, erfordert das Mut. Man könnte zum Beispiel mal zu einer psychoaktiven Massage gehen. Für manche Menschen öffnet sich der Himmel, andere empfinden es vielleicht beim ersten Mal als unangenehm. Auch Selbstberührungen können helfen, den eigenen Körper und seine Gefühlswelt zu erkunden. Und man könnte, wenn man diesbezügliche Fertigkeiten besitzt, auch seinen Partner, Freunde oder seine Kinder fragen, ob man sie massieren darf. der Gesichtsmassage, die etwas sehr Intimes ist. Die allerwenigsten Menschen denken über den Berührungshunger nach. Es wird erst in Situationen klar, wenn einem zum Beispiel ein Handschlag verweigert wurde. Die Gesellschaft ist zunehmend einsam, überaltert und berührungsarm.
11. WELT: Was kann man beim Händeschütteln falsch machen? M.-O.: Es gibt sehr unangenehme Momente. Manche Menschen halten sie beispielsweise eine Spur zu lange. Wird man sich eine Zeit lang oder vielleicht nie wieder sehen, weil jemand unheilbar krank ist, wird man sie natürlich länger drücken. Ohne diese emotionale Botschaft kann eine Sekunde aber viel zu lang sein. Jeder Mensch hat da in seinem Körpergedächtnis individuelle Empfindungen von „richtig“oder „zu lang“.
12. WELT: Gibt es eine perfekte Umarmung? M.-O.: Nein, aber es gibt Situationen, in denen die Umarmung eindeutig ist. Wenn ich eine Botschaft senden will und der andere willig ist, diese Botschaft aufzunehmen. Das ist für mich eine ideale Umarmung. Das kann auch eine flüchtige Umarmung sein, wenn sie eine positive und schnell verständliche Botschaft hat. Manche Paare, die schon lange zusammen sind, küssen und umarmen sich nur kurz und trotzdem ist das ein Zeichen für Zusammengehörigkeit.
Berührungen sind ein Grundbedürfnis