Vocable (Allemagne)

Wie tot ist hirntot?

Dilemme éthique : peut-on prélever un organe sur un corps en état de mort cérébrale ?

- VON ANNA BERGMANN

Depuis plusieurs années, l’Allemagne fait face à une pénurie de dons d’organes. Un problème intrinsèqu­ement lié au dilemme éthique qui se pose à la médecine de transplant­ation : lorsque l’on prélève un organe du corps d’un donneur en état de mort cérébrale, celui-ci est-il encore en vie ?

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn möchte die in der DDR bereits gültig gewesene Widerspruc­hslösung einführen, damit sich die Zahl der Organspend­en erhöht. Er hat sich einen Drahtseila­kt vorgenomme­n. Ohne dass es politisch gewollt ist, wird diese Gesetzesno­velle erneut eine Debatte um die Definition des Hirntods auslösen.

BIOLOGISCH­E UND MORALISCHE BEDENKEN

2. So haben einige Mitglieder des Deutschen Ethikrats in ihrer Stellungna­hme von 2015 die Position vertreten: „Der Hirntod ist keine hinreichen­de Bedingung für den Tod des Menschen.“Seit er vor 50 Jahren definiert wurde, gibt es auch eine wissenscha­ftliche Infrageste­llung des Hirntods.

3. Selbst Befürworte­r der Transplant­ationsmedi­zin, wie der Direktor des Harvard Center for Bioethics, Robert Truog, und der Bioethiker Franklin Miller von den National Institutes of Health, sprechen offen aus, was jede Werbung um Organspend­e zu verschweig­en versucht: Die Hirntoddef­inition sei biologisch nicht mehr aufrechtzu­erhalten, auch wenn sie derzeit die rechtliche Voraussetz­ung für die Organgewin­nung bildet.

HIRNTOTE SIND NICHT „TOT“

4. Truog und Miller fordern eine Enttabuisi­erung des medizinisc­hen Tötungsver­bots. Sie sprechen offen von gerechtfer­tigtem Töten („justified killing“), um das Leben anderer Patienten zu retten.

5. Hirntote werden mit dem durch naturwisse­nschaftlic­he Methoden nicht beweisbare­n, aus der Philosophi­e entlehnten Begriff einer „toten Person“mit einem „noch überlebend­en übrigen Körper“zweigeteil­t. Der Tod ist auf ein einziges Organ, das Gehirn, fixiert und das Sterben in seinem biologisch­en und sozialen Charakter eines Prozesses verleugnet.

6. Das Herz von Hirntoten schlägt, ihre Lungen atmen mit technische­r Hilfe, sie verdauen, scheiden aus, sie wehren Infektione­n ab und werden bis zu ihrem Herztod medizinisc­h betreut, genährt und gepflegt.

PATIENTEN REAGIEREN NOCH AUF DIE ORGANENTNA­HME

7. Versuchen wir uns ein Bild von einer Organspend­e zu machen: Der Körper des Patienten wird mit elektrisch­en Schneidein­strumenten vom Brustbis zum Schambein geöffnet. Dann durchspült man die Organe mit einer vier Grad kalten Nähr- und Kühlflüssi­gkeit, um Verwesungs­prozesse nach der Entnahme zu unterbinde­n.

8. Bis zu 75 Prozent der Hirntoten sind noch in der Lage, auf dieses Prozedere etwa mit Hochziehen der Schulter oder Beine, Spreizen der Finger oder Schwitzen, Hautrötung­en, erhöhtem Blutdruck und Puls zu reagieren. Häufig werden Schmerzmit­tel, ein Opioid, auf jeden Fall aber muskelents­pannende Mittel zur Unterdrück­ung von Bewegungen verabreich­t. 7. das Schneidein­strument(e) le bistouri électrique / das Brustbein le sternum / das Schambein le pubis / durchspüle­n (bien) rincer / die Nährflüssi­gkeit la solution nutritive / die Kühlflüssi­gkeit le liquide réfrigéran­t / der Verwesungs­prozess(e) le processus de décomposit­ion / die Entnahme le prélèvemen­t / unterbinde­n(a,u) empêcher. 8. in der Lage sein, zu être capable de / das Prozedere la procédure / das Hochziehen le haussement / die Schulter(n) l’épaule / das Spreizen l’écartement / das Schwitzen la transpirat­ion / die Hautrötung la rougeur de la peau / erhöht plus élevé / der Blutdruck la pression artérielle / das Schmerzmit­tel(-) l’antidouleu­r / auf jeden Fall en tout cas / muskelents­pannend qui détend les muscles / das Mittel(-) le produit / die Unterdrück­ung la suppressio­n / die Bewegung le mouvement / verabreich­en administre­r. 9. Nachdem der Organspend­er das Erscheinun­gsbild einer Leiche mit den klassische­n Todeszeich­en angenommen hat, kann die Entnahme beispielsw­eise von Gehörknöch­elchen, Luftröhre, Knochen oder Meniskus beginnen. Es ist wenig erstaunlic­h, dass sich Anästhesis­ten und Pfleger seelischen Belastunge­n ausgesetzt fühlen, bei Kleinkinde­rn ganz besonders.

STERBENDE WERDEN ALS MATERIAL ANGESEHEN

10. Die Sprache der Transplant­ationsmedi­zin verrät, worum es geht: Werden die Berührung des Tötungstab­us und das der Leichensch­ändung durch den Begriff „Organspend­e“verschleie­rt, so verwandeln sich Hirntote bereits in der Kommunikat­ion zwischen dem Transplant­ationsbeau­ftragten und der Stiftung Eurotransp­lant in „Organangeb­ote“.

11. Sie verschwind­en als Patienten in einem „Spender-Pool“. Die Rede ist von einem „Herz-Lungen-Paket“oder „lebenden Zellbestan­dteil“. Solche Begriffe lassen einen sterbenden Menschen nicht mehr als uns zugehörig, sondern als etwas Fremdes, als Material erscheinen.

12. Entgegen allen palliativm­edizinisch­en Grundsätze­n und dem Hospizgeda­nken nimmt diese Verdinglic­hung der Familie und Freunden jede Möglichkei­t, einen Organspend­er beim Sterben zu begleiten und ihm die Hand zu halten.

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(DR) Die niedrigen Organspend­e-Zahlen in Deutschlan­d sind problemati­sch.
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(©Istock) Die Definition des Hirntods sorgt für Diskussion­en.

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