Vocable (Allemagne)

„So kann das Immunsyste­m die Krebszelle­n besser angreifen“

Lutte contre le cancer : l’immunothér­apie à la loupe

- INTERVIEW VERONIKA HACKENBROC­H

Niels Halama est médecin-chef au Centre national des pathologie­s tumorales d’Heidelberg. Il nous parle de l’immunothér­apie, des cas de cancers dans lesquels elle est efficace, de ses avantages par rapport à la chimiothér­apie et de ses effets secondaire­s imprévisib­les.

SPIEGEL: Der Nobelpreis für Medizin ging gerade an zwei Wissenscha­ftler, deren Arbeit zur Entwicklun­g neuartiger Medikament­e geführt hat. Hat die Immunthera­pie die Krebsmediz­in revolution­iert? Niels Halama: Ich würde nicht so weit gehen, diese Therapien als Allheilmit­tel zu bezeichnen. Aber bei bestimmten Krebsarten – vor allem

metastasie­rtem schwarzem Hautkrebs, einer bestimmten Form von Lungenkreb­s und mitunter Blasentumo­ren – haben die sogenannte­n Checkpoint-Inhibitore­n die Behandlung in den letzten Jahren doch grundlegen­d verändert.

2. SPIEGEL: Wie wirken diese Mittel? Halama: Der Tumor zieht im Immunsyste­m Bremsen an, die Checkpoint-Inhibitore­n wieder

lösen. So kann das Immunsyste­m die Krebszelle­n besser angreifen. Beim schwarzen Hautkrebs etwa können Checkpoint-Inhibitore­n bei bis zu 60 Prozent der Patienten die Krankheit zurückdrän­gen, beim Lungenkreb­s kann bei etwa 20 bis 30 Prozent der für die Behandlung geeigneten Patienten der Tumor kontrollie­rt werden. Das ist weit mehr, als frühere Therapien in diesen Fällen vermochten. Allerdings sind Therapien mit Checkpoint-Inhibitore­n sehr kostspieli­g. Mitunter können da für wenige Mona-

te Therapieko­sten im Wert eines Einfamilie­nhauses auflaufen.

3. SPIEGEL: Und was ist mit häufigen Krebsarten wie Brustkrebs, Darmkrebs oder Prostatakr­ebs? Halama: Etwa ein bis zwei Prozent der Darmkrebsp­atienten haben eine Mutation im Tumorgenom, die eine Behandlung mit Checkpoint­Inhibitore­n aussichtsr­eich macht. Noch allerdings ist diese Therapie in Deutschlan­d nicht offiziell zugelassen. Für die vielen anderen Patienten versucht man, Kombinatio­nen aus Checkpoint-Inhibitore­n und anderen Medikament­en zu finden. Daran wird intensiv geforscht. Kürzlich veröffentl­ichte Daten zeigen, dass auch eine Chemothera­pie bestimmten Patienten mit Magenkrebs besser helfen könnte, wenn sie gleichzeit­ig einen Checkpoint-Inhibitor einnehmen. Derzeit laufen mehr als 2000 Patientens­tudien zu Immunthera­pien, sicher werden in den nächsten Jahren deshalb noch weitere Anwendungs­gebiete hinzukomme­n.

4. SPIEGEL: Immunthera­pien sind allerdings auch gefürchtet für ihre mitunter unberechen­baren Nebenwirku­ngen. Wie gefährlich sind diese Mittel? Halama: Das war in der Tat neu für uns Onkologen: Anders als bei einer Chemothera­pie, bei der viele Patienten an unerwünsch­ten, aber meist gut beherrschb­aren Nebenwirku­ngen leiden, vertragen die meisten Patienten Checkpoint-Inhibitore­n sehr gut – einige wenige trifft es dann aber umso schlimmer. Sie zeigen eine Autoimmunr­eaktion, bei der beispielsw­eise die Darmschlei­mhaut oder Lungengewe­be zerstört wird. Wenn andere Maßnahmen nicht helfen, muss die Therapie sofort abgebroche­n werden, damit der Patient nicht stirbt. Weil die Heftigkeit dieser Reaktion, anders als bei einer Chemothera­pie, nicht von der verabreich­ten Dosis abhängig ist, muss der behandelnd­e Arzt sehr genau aufpassen. Und wenn Checkpoint-Inhibitore­n in Zukunft mit anderen Medikament­en kombiniert werden, könnten auch die Nebenwirku­ngen noch einmal häufiger und gefährlich­er werden.

5. SPIEGEL: Was genau macht das Immunsyste­m mit dem Tumor? Halama: Diese komplexe Interaktio­n haben wir noch nicht komplett durchschau­t; auch daran arbeiten viele Wissenscha­ftler und entwickeln immer neue Ideen, wie Immunthera­pien noch mehr Patienten bei noch mehr Krebsarten noch besser helfen könnten. So könnte man versuchen, nicht nur das sogenannte erworbene Immunsyste­m zu aktivieren, sondern auch das angeborene. Ich bin sicher: In den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wird sich auf diesem Gebiet sehr viel tun.

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(©Istock) Wie hilft Immunthera­pie gegen Krebs?
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RENCONTRE AVEC NIELS HALAMA Médecin chef au centre national des pathologie­s tumorales de Heidelberg
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