PILLEN BEI EBAY
Sans ordonnance et à moindres frais, de plus en plus de patients allemands achètent pilules contraceptives, antidouleurs ou antibiotiques sur internet. La revente de médicaments a beau être interdite et passible d’une amende ou de prison, les cas se multiplient sans que les autorités n’interviennent. Les pharmaciens tirent la sonnette d’alarme.
Die Idee kam der 26-jährigen Frau aus dem sächsischen Bautzen, als am Ende des Monats das Geld knapp wurde: Warum nicht die Antibabypille zu Geld machen? Von ihrem Freund hatte sich die Büroangestellte gerade getrennt, die Packung mit dem Verhütungsmittel trotzdem bezahlt.
2. So bot sie den unangetasteten Sechsmonatsvorrat kurzerhand in einem Internetforum für 20 Euro an, in der Apotheke hatte sie das verschreibungspflichtige Medikament für 37,39 Euro gekauft – mit einem Rezept ihrer Gynäkologin. Ein Schnäppchen also, ganz ohne Stress.
3. Einen Haken allerdings hat das Ganze: Die Verkäuferin begeht eine Straftat, denn Privatpersonen dürfen auch im Internet nicht mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln handeln.
VERSTÖSSE GEGEN DAS ARZNEIMITTELGESETZ
4. Es reicht, Elmex-Gelee-Zahnpasta, Nasenspray oder Paracetamol im Netz anzubieten, um sich strafbar zu machen – was die meisten Anbieter, wie auch die Büroangestellte aus Bautzen, allerdings nicht wissen. Es sind Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, es drohen Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren, die Staatsanwaltschaften sind verpflichtet, ihnen angezeigte Straftaten zu verfolgen.
5. Trotzdem steigt der private Handel mit Medikamenten im Netz sprunghaft an: Gab es im Jahr 2017 mindestens 2500 rechtswidrige Arzneimittelangebote von Nichtapothekern, waren es in diesem Jahr schon jetzt rund 2900 Anzeigen bei Onlineportalen in Deutschland, darunter 720 verschreibungspflichtige Medikamente. Die Zahlen stammen vom Verein Freie Apothekerschaft, der Portale wie eBay, Quoka oder eBay-Kleinanzeigen überwacht. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein, nicht alle Angebote werden von der Truppe gefunden, manche schnell gelöscht.
6. Auch als Kaufinteressierter muss man ein bisschen suchen, nicht immer ist alles verfügbar. Doch wer Zeit hat, findet grundsätzlich so gut wie alles: Haarwuchsmittel, Nasenspray, Insulin, Thrombosespritzen, Botox, Verhütungspillen, Hyaluronsäure, starke Schmerzmedikamente oder Antibiotika.
7. Manchmal tragen die Packungen kyrillische Aufschriften oder kommen aus südeuropäischen Ländern. Auch leere Packungen finden sich unter den Angeboten – solche Verkäufe sind nicht strafbar. Doch die meisten Arzneimittel stammen aus Apotheken, lagerten eine Weile bei normalen Patienten zu Hause.
SOGAR CHOLERAIMPFSTOFF KANN GEKAUFT WERDEN
8. Wie auch im Fall eines Mannes aus BerlinRudow. Als sein Vater vor einigen Wochen starb, fand er in dessen Schublade die Medikamentenvorräte: Pillen gegen die Herzprobleme, Schmerztabletten und vieles mehr. Der 56-jährige Bauingenieur wollte das nicht einfach alles entsorgen und stellte es auf ein Kleinanzeigenportal. „Ich hatte ehrlich keine Ahnung, dass man das nicht verkaufen darf“, sagt er am Telefon. Neben dem Schmerzmittel Tramadol und dem Blutdrucksenker Valsartan finden sich unter seinem Benutzernamen auch ein Radiowecker und diverse Gartengeräte aus dem Nachlass seines Vaters.
9. Auch sonst ist die Motivation für den Onlinehandel meist nachvollziehbar: „Ich hatte sechs Schachteln gekauft, leider vertrage ich das Medikament nicht und möchte es darum hier anbieten“, schreibt eine Frau. Urlaubsrückkehrer wollen die teuer erstandene Malariaprophylaxe nicht einfach ungenutzt entsorgen. Sogar Choleraimpfstoff kann gekauft werden – ohne Rezept und vor allem ohne die Sicherheit, dass die Kühlkette nicht unterbrochen worden ist. Ein Nutzer begründet den Verkauf so: „Wir haben uns nach dem Kauf dagegen entschieden, da unser Reiseland nur ein geringes Risiko hatte“und wünscht „viel Spaß beim Sofort-Kaufen und dann beim Reisen!“.
STRENG REGULIERTES GESCHÄFT
10. Sprüche wie diese treiben Reinhard Rokitta in den Wahnsinn. Er ist Apotheker in Bünden. Der Kampf gegen den „brandgefährlichen und rechtswidrigen Handel“mit Medikamenten durch Laien ist für den Pharmazeuten zu einer Art Lebensthema geworden.
11. Auslöser war ein harmloses Gespräch mit einem Kunden. Dieser fragte ihn im März 2013, ob er ihm ein Malariamedikament ohne Rezept verkaufen könne, sonst müsse er das im Internet bestellen. Auf Rokittas Frage, wo es das ohne Rezept gebe, kam die Antwort: „Auf Lonelyplanet.de“. 12. Rokitta recherchierte und stieß auf ein Forum, in dem Malariatabletten angeboten wurden, die Reisende nicht gebraucht hatten. Manchmal waren die Packungen nicht mehr vollständig. Rokitta monierte seinen Fund bei Lonelyplanet, innerhalb kurzer Zeit wurde der Handel dort generell unterbunden.
13. Die Sache ist deshalb so bizarr, weil es wohl kaum ein strenger reguliertes Geschäft als den Verkauf von Arzneimitteln gibt: Es ist geregelt, dass für Apothekenstempel auf dem Rezept rote Stempelfarbe verwendet werden muss. Enthält das Dokument kein Geburtsdatum des Patienten, ist es ungültig. In den Regalen, die der Kunde selbst anfassen darf, dürfen nur
Kosmetika und Co. stehen. Frei verkäufliche Mittel, leichte Schmerzmittel, Hustensaft oder Nasensprays etwa, gehören hinter den Tresen. Rezeptpflichtige Medikamente müssen nicht einsehbar gelagert werden, für sie darf in der breiten Öffentlichkeit auch nicht geworben werden.
„NIEMAND FÜHLT SICH RICHTIG ZUSTÄNDIG“
14. All das stört bei Ebay, Ebay-Kleinanzeigen oder Portalen wie der Mannheimer Plattform Quoka wenig. Onlinemarktplätze haben sich längst zum Ort für den illegalen Handel entwickelt. Die Betreiber argumentieren regelmäßig, sie seien nur ein Marktplatz mit bestimm- ten Regeln. Man könne Angebote, die nicht legal erschienen, ja melden. Man werde das dann prüfen.
15. Dass es für die Kunden riskant sein kann, den illegalen Handel zu tolerieren, ficht die Plattformbetreiber offenbar nicht an: Hochwirksame Medikamente ohne Expertise einzunehmen kann zur Lebensbedrohung werden. Außerdem sollten sich auch die Krankenkassen für das illegale Treiben interessieren – sie dürften den größten Teil der im Netz angebotenen Ware vorher bezahlt haben.
16. „Was uns entsetzt, ist der Umstand, dass sich Politiker, Behörden und Kammern einfach wegducken. Niemand fühlt sich richtig zuständig“, sagt Rokitta. Das Problem: Das Arzneimittelgesetz sieht zwar einen Straftatbestand, wenn dem Täter eine „Berufs- oder Gewerbsmäßigkeit“vorgeworfen werden kann und die Pille gegen Entgelt weitergegeben wird. In der Realität werden aber viele Fälle nicht verfolgt.
17. Die Freie Apothekerschaft, deren Schatzmeister Rokitta ist, will das so nicht hinnehmen. Die Apotheker reichten Petitionen ein, wandten sich an Politiker und schrieben mehrmals an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Ausgerechnet sein Ministerium sieht allerdings keinen Handlungsbedarf: „Der Begriff des Handeltreibens ist weit zu verstehen“, teilte das Ministerium den Apothekern mit. Es sei „jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit“gemeint. Das Arzneimittelgesetz beinhalte „kein Schlupfloch“, durch das Privatpersonen Handel treiben könnten.
18. Urteile gegen diese Form des illegalen Arzneimittelhandels gibt es so gut wie nicht. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte 2004 etwa einen Angeklagten zu einer Geldstrafe von 1050 Euro, weil er drei Viagra-Tabletten verkauft hatte.
19. Zur Wahrheit gehört aber auch: Sofern überhaupt Ermittlungen aufgenommen werden, stellen die Strafverfolger die Verfahren häufig ein. „Wenn die Justiz nicht endlich konsequent ist, wird der illegale Handel zu einer Art Graubereich“, kritisiert Rokitta.