Glaube, Plastik, Hoffnung
A la recherche d’alternatives au plastique
Microdrinks, emballages en feuilles de palmier ou champignons gourmands : les start-up du monde entier rivalisent d’ingéniosité pour inventer un avenir sans plastique. Si les réglementations européenne et nationales deviennent de plus en plus restrictives en matière d’emballages plastiques, pour les entreprises, les alternatives recyclables restent coûteuses et leur bilan écologique à la production n’est pas toujours reluisant.
Mit einem langen Zischen sinkt die würfelzuckergroße Tablette auf den Boden des Glases, der pinkfarbene Schaum kriecht fast bis an den Rand. Plötzlich sprudelt das Leitungswasser. Es ist jetzt Limonade. So simpel wie eine Brausetablette, weil es im Grunde nichts anderes ist, funktioniert Waterdrop. Aus Wasser Softdrinks machen. Ohne Flaschen und damit eigentlich plastikfrei. Wäre da nicht diese kleine Kunststoffkapsel, die den Drop umschließt. 2. „Ich würde mein Produkt am liebsten in essbaren Algen verpacken. Aber es geht einfach noch nicht“, erklärt Mitgründer Martin Murray. Es geht nicht, weil er ein Lebensmittel verkauft und der Gesetzgeber deshalb eine Verpackung verlangt, die ausreichend schützt: Plastik. Genau die Plage, die er mit seinem Konzept eigentlich bekämpfen will. Murray, 33, sagt: „Es gibt im Moment keine gleichwertige Alternative, die biologisch abbaubar ist.“
3. Der Hauptgrund, warum es die nicht gibt, ist fehlende Nachfrage. Doch das könnte sich schon bald ändern. Das hoffen viele Start-ups, die in das Geschäft mit der Nachhaltigkeit einsteigen. Denn die Europäische Union treibt den Plastikausstieg voran. Strohhalme, Wattestäbchen, Einweg-Teller und -Besteck, Luftballonhalter, Rührstäbchen und dünne Plastiktüten. Die Produkte, die am häufigsten an Mittelmeerstränden eingesammelt werden, müssen bis 2021 aus den Supermärkten verschwinden.
4. Das beschloss das Europaparlament Ende Oktober. Produkte unserer mobilen EinwegGesellschaft, die mehr und mehr aus Single-
besteht, die nach kleineren Portionen und mehr Verpackung verlangen. Coffee to go mit Plastikdeckel, Pizza zum Mitnehmen auf kunststoffbeschichteter Pappe, die Plastikgabel zu den Nudeln vom Asiaten. Plastikmüll nahm im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr sogar um zwei Millionen Tonnen zu. Wirklich wiederverwertet wird davon nur ein Bruchteil.
„JEDER HAT DIE KATASTROPHE VERSTANDEN“
5. Doch genau das könnte sich ab dem 1. Januar 2019 ändern. Mit dem neuen EUVerpackungsgesetz ist jeder Hersteller verpflichtet, für die Entsorgung seiner Verpackung selbst aufzukommen. Je besser Material wiederzuverwenden ist, desto günstiger wird es. Was erst mal so klingt, als würde das komplexe Abfallsystem noch undurchsichtiger, könnte zum Innovationstreiber der gesamten Industrie werden. Auch Firmen ohne grünes Gewissen oder Image haben nun einen Grund umzudenken, an einer Zukunft zu arbeiten, die nicht auf Erdöl basiert.
6. Verpackung, Plastik, Nachhaltigkeit – das Thema ist im Handel angekommen und wird in Premium-Märkten längst nicht mehr neben der vegetarischen Wurst versteckt. Der Verbraucher ist aufgeklärt, kennt die WWF-Plakate mit Delfinen, die an Plastik ersticken, und die ARD-„Brennpunkte“zum Thema; er beteiligt sich an Shitstorms, wenn Ferrero seine Haselnussschnitten plötzlich in Plastik wickelt. Er kauft bewusster ein.
NUR 13 PROZENT WERDEN RECYCELT
7. Das spürt auch Sebastian Stricker. Sein Start-up Share verkauft Müsliriegel, Seife und Wasser. Abgefüllt in Deutschlands erster Flasche, die komplett aus wiederverwertetem Plastik hergestellt wurde. Normalerweise werde PETPlastik nur zu 30 Prozent aus sogenanntem Rezyklat hergestellt, der Rest wird neu gemacht. „Es ist billiger, Plastik zu produzieren, als altes zu recyclen“, sagt der Österreicher. Er hofft auf die neuen EUGesetze und ein echtes Umdenken der Industrie. „Wenn mehr Unternehmen auf den Rezyklat-Zug aufspringen, wird der Prozess günstiger.“
8. Ganz lässt sich Plastik im modernen Leben eben noch nicht ersetzen. Das sieht auch Stricker: „Es gibt eine Verteufelung von Plastik, die schädlich ist. Es wird zwar unverantwortlich damit umgegangen, aber es wird schwierig sein, ein Leben ohne zu führen“, sagt der Unternehmer. Damit meint er die Verschwendung von Essen, das unverpackt schneller verdirbt. Ein bisschen erscheint Plastik wie die Atomkraft. Eine tolle Sache, bis man vor Halbwertszeiten von circa 450 Jahren steht. So lange dauert es, bis eine durchschnittliche Plastiktüte verrottet ist. Endlager Meeresboden.
9. Die Alternativen sind derzeit nicht immer besser. Auch der Slogan „Jute statt Plastik“funktioniert nur, wenn man die Baumwollbeutel beim Einkaufen mehrmals benutzt – nämlich circa 150-mal. Andernfalls haben sie einen höheren CO2- und Wasserverbrauch als Plastiktüten. Eine Papiertüte müsste viermal benutzt werden. Für VerbrauHaushalten
„Wenn mehr Unternehmen auf den Rezyklat-Zug aufspringen, wird der Prozess günstiger.“
cher wird es zunehmend schwieriger zu verstehen, was am nachhaltigsten ist. Mehrweg gegen Einweg, Glas oder PET? „Wir glauben, dass recyceltes PET besser als Glas ist. Wegen der ressourcenintensiven Herstellung und des Transports“, meint Sebastian Stricker.
BIOKUNSTSTOFFE SIND NICHT BESSER
10. Der Markt für Biokunststoffe, die meist aus Zuckerrohr, Kartoffeln oder Mais hergestellt werden, wird laut Prognosen bis 2021 um mehr als 40 Prozent wachsen. Coca-Cola brachte schon 2009 seine „Plant Bottle“auf den Markt, deren Rezyklat-Anteil von damals 30 Prozent inzwischen auf 24 Prozent reduziert wurde zugunsten von Bioplastik. Eine Entwicklung, die das Umweltbundesamt bedauert. „Die Umweltbelastungen sind ähnlich hoch wie bei konventionellem Kunststoff“, erklärt Dr. Franziska Krüger.
11.Probleme entstehen auch hier vor allem bei der Entsorgung. Auch wegen Müllverwertungsanlagen, die für solche Stoffe nicht ausgelegt sind. Am Ende ist es wohl nur eine Frage der Zeit. Es wird immer mehr geforscht. Folie auf Milchbasis, Flüssigseide in 3-D-Druckern. Ikea liefert seine Produkte inzwischen sogar in Styropor aus Pilzen. Auch deutsche Start-ups werden immer kreativer: Brillen und Waschbecken aus Plastikmüll, Teller aus gepresstem Laub, Frischhaltefolie aus Bienenwachs oder Verpackungen aus Palmenblättern, wie sie die Berliner Firma Arekapak entwickelt.
PLASTIK ESSEN?
12. Plastik essen? Oder: Pilze essen, die Plastik essen. Kunststoffhungrige Fungi und Bakterien gibt es zwar einige. Doch das Gewächs, das eigentlich Pestalotiopsis microspora heißt, absorbiert Plastik, ohne dessen giftige Eigenschaften zu übernehmen. Übrig bleibt nach wenigen Monaten ein kugelförmiges Gebilde, das neutral schmecken soll. Die Designerin Katharina Unger, die mit dem Pilz experimentiert, hat es selbst probiert. Wie Tofu. Nach nichts.
13. Unger und ihre Kollegen haben auch schon erste Rezepte entwickelt. Mit Mango und Karotten oder schokoladenummantelt mit Joghurt-Füllung. Auf einem Teller mit Goldrand drapiert, würden Menschen in Berlin-Mitte sicher 20 Euro dafür zahlen.
14. Noch ist es eine Art Kunstprojekt, ein Ideal: die Idee, dass man mit dem Weltplastikproblem das Welthungerproblem lösen könnte. Noch ist es ohne Businessplan und weitergehende Forschung, die an ein Massenprodukt denken lässt. Aber es zeigt Möglichkeiten auf. Dass aus Problemen Gesetze werden, aus Gesetzen Ideen und aus Ideen – ein rentables Geschäftsmodell vorausgesetzt – eben auch Hoffnung.