Dresscode für die Sprache
Code vestimentaire pour la langue
Ecriture inclusive : réformer la langue de Goethe pour mieux respecter l’égalité hommes-femmes ?
Alors que des hommes et des femmes se battent depuis plus de 100 ans pour l’égalité des sexes, la supériorité masculine est toujours inscrite dans la langue allemande. En Allemagne comme en France, de plus en plus de voix s’élèvent en faveur de l’écriture inclusive. Un outil désastreux de dénaturation de la langue ou le meilleur moyen de combattre les inégalités hommes-femmes ? Les avis sont partagés.
Witzeln lässt sich leicht über all das: die Wortgymnastik, bei der sich immer mehr Menschen abmühen, die sprachlichen Dehnübungen und grammatikalischen Verrenkungen, um möglichst korrekt und gerecht zu schreiben und zu sprechen, die Doppelnennungen (Leserinnen und Leser), Schrägstrich-Lösungen (Leser/in) und Partizipialformen (Lesende), das BinnenI (LeserInnen) und den Gendergap (Leser_innen), das Gendersternchen (Leser(*)innen) und natürlich die x-Experimente (Lesx), die die Vorstellungen getrennter Geschlechter durchkreuzen sollen, auch bildlich.
2. „Gendergerechte Sprache“, teilt der Schriftsteller Heinz Strunk mit, „ist eine besonders elende, öde, schlimme, überflüssige Abwegigkeit. Es mag als ungerecht empfunden werden“, fährt Strunk fort, „dass die männliche die weibliche Form mit einschließt, aber diese Verhunzung der Sprache bin ich beim besten Willen nicht bereit hinzunehmen. Wenn man etwas für die Frauen tun will: Es gibt genug sinnvolle Möglichkeiten.“
„GENDERGERECHTE SPRACHE“
3. Tatsächlich kennt selbst so ein grundsolides Regelwerk wie die deutsche Straßenverkehrsordnung heute kaum noch Fußgänger und Radfahrer, spricht lieber von „zu Fuß Gehen- den“und „Rad Fahrenden“. Das Gendersternchen scheint zur Corporate Identity aller halbwegs linken, künstlerischen Institutionen zu gehören. Theater, Galerien, Popfestivals – gefühlt nutzen sie es alle. Vor allem, wenn sie in Berlin beheimatet sind. Das Programm des dortigen Jazzfests war dieses Jahr in geschlechterneutraler Sprache verfasst, der rot-rot-grüne Senat gendert sogar im Koalitionsvertrag mit Sternchen. Und auch die Berliner Dudenredaktion, bislang nicht unbedingt bekannt als Hipsteradresse, hat unlängst Bücher zum Thema herausgegeben, darunter den Ratgeber „Richtig gendern“.
4. In November hat sich sogar der Rat für deutsche Rechtschreibung mit dem Thema befasst, ein Expertengremium, das die Entwicklung der Sprache beobachtet und den staatlichen Stellen gegebenenfalls empfiehlt, die Rechtschreibregeln an den Sprachwandel anzupassen. Der Rat interessiert sich für
Konventionen, man könnte sagen: für den Dresscode der Sprache. Moden und Extravaganzen sind seine Sache eigentlich nicht.
5. Aber wenn sich die Realität ändert, muss sich auch die Sprache ändern, die diese Realität abbildet. Seitdem das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert hat, ein drittes Geschlecht im Personenstandsrecht anzuerkennen, stellt sich die Frage, was das für Verwaltungs- und Gerichtstexte bedeutet, für Stellenanzeigen und auch für Schulaufsätze. Streng genommen sind Gendersternchen und Gendergap in Schulen zurzeit als Rechtschreibfehler anzustreichen.
6. Wie lassen sich Intersexuelle und Transmenschen also sprachlich abbilden? Welche der vielen Varianten geschlechtergerechter Schreibung ist die beste, welche ermöglicht sachlich korrekte und rechtssichere Texte, die gleichzeitig verständlich, lesbar und vorlesbar sind sowie in andere Sprachen übertragbar? Die Antwort des Rats: schwer zu sagen.
7. Etliche der Ratsmitglieder favorisierten zwar zunächst das Gendersternchen, dessen Gebrauch in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist, wie eine Analyse des sogenannten Dudenkorpus zeigt, einer gigantisch großen elektronischen Textsammlung, die sich überwiegend aus Zeitungsund Zeitschriftenartikeln speist, ferner aus Romanen, Reden, Gebrauchsanweisungen. Es ist jedoch ein Anstieg auf schwachem Niveau; das Binnen-I kommt hierzulande noch immer 15-mal häufiger vor. Zudem ist das Gendersternchen in österreichischen Texten empirisch so gut wie nicht nachweisbar. Die sprachliche Entwicklung „stehe noch am Anfang“, teilte der Rat daher mit.
SPRACHE IST EIN MACHTINSTRUMENT
8. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied noch im März dieses Jahres, dass es okay ist, wenn eine Sparkasse in ihren Formularen nur „Kunden“adressiert. Die Anrede sei kein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht von Frauen und auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, stellte der BGH fest. Denn das generische Maskulinum könne nach allgemei-
nem Sprachgebrauch auch Personen umfassen, „deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist“.
9. Die Sprachwissenschaftlerin Gabriele Diewald hält das für Unsinn. „Das generische Maskulinum ist nicht geschlechtsneutral. Ob gewollt oder ungewollt, es repräsentiert Frauen nicht so wie Männer.“Wer das nicht glaubt, den überzeugt sie mit einem Test, den wir gern aufgreifen. Wer, liebe Leser (und Leserinnen), sind Ihre Lieblingsschauspieler? Kurze Nachdenkpause. Wetten, dass die meisten von Ihnen instinktiv an einen Mann gedacht haben?
10. Hätten wir hingegen gefragt: „Wer sind Ihre Lieblingsschauspieler beziehungsweise Ihre Lieblingsschauspielerinnen?“, wäre die Verteilung vermutlich mehr oder weniger ausgeglichen gewesen. Etliche Studien der Psycholinguistik bestätigen den Effekt. Hinter dem generischen Maskulinum, so hat es Luise Pusch einmal formuliert, die Pionierin der feministischen Sprachwissenschaft, würden Frauen verschwinden wie hinter einer Burka. Was für Transmenschen und Intersexuelle natürlich umso mehr gilt. Nur wer mitgenannt wird, wird auch mitgedacht.
11. Sprache ist ein Machtinstrument. Das weiß natürlich auch die feministische Aktivistin Anne Wizorek. 2013 hat sie den Hashtag #aufschrei initiiert, der eine Debatte über Alltagssexismus auslöste, in diesem Jahr hat sie an dem Buch „Gendern?!“mitgeschrieben, erschienen ebenfalls im Dudenverlag. Den Gendergap nennt sie darin „Aktivismus per Sprache“.
EINE FRAGE DER UMPROGRAMMIERUNG
12. „Es ist eine Frage der Gewöhnung. Unser Gehirn funktioniert wie die AutocompleteFunktion im Handy.“Irgendwann gehe einem der Gendergap oder das Gendersternchen beim Schreiben automatisch von der Hand, irgendwann ergänze man den Wortanfang beim Lesen schon im Geiste genderneutral. Man könnte auch sagen, es ist eine Frage der Umprogrammierung.
13. Drei Schriftstellerinnen, die mit ihren Romanen dieses Jahr auf der Bestsellerliste standen, blicken hingegen skeptisch auf geschlechterneutrale Sprache, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Buchpreisträgerin Inger-Maria Mahlke („Archipel“) zweifelt daran, dass eine andere Sprache zu einer anderen Gesellschaft führt. Mariana Leky („Was man von hier aus sehen kann“) stört sich daran, dass Gendersternchen „jeden Text holprig werden“ließen. Und Lucy Fricke („Töchter“) gendert nur, „wenn ich muss“, auch wenn sie es eigentlich für sinnvoll hält: „Sprache prägt das Bewusstsein, schon klar. Aber ich finde immer noch, dass die Schönheit und Eleganz einer Sprache da schwer drunter leidet.“BinnenI und Gendersternchen sähen furchtbar aus.
„Es ist eine Frage der Gewöhnung. Unser Gehirn funktioniert wie die Autocomplete-Funktion im Handy.“Anne Wizoreck
„Das generische Maskulinum ist nicht geschlechtsneutral. Ob gewollt oder ungewollt, es repräsentiert Frauen nicht so wie Männer.“G. Diewald
14. Fricke steckt in einem Dilemma, in dem viele wohlmeinende Intellektuelle stecken: Sie sehen das Problem, aber die Lösung des Problems erscheint ihnen noch problematischer. Gendersternchen und Gendergap verstoßen gegen die Konventionen der Drucksprache, kommen nicht mal im Alphabet vor. Sie sind schwer les- und vorlesbar.
15. Mit gendergerechter Sprache ist es wie mit Funktionskleidung: wissenschaftlich auf dem letzten Stand, fraglos nützlich und sinnvoll, aber so hässlich, dass Ästheten lieber nass werden und frieren.