Vocable (Allemagne)

Familienau­fstellung

Constellat­ion familiale

- VON LARS VON TÖRNE

“Heimat”, le roman graphique de Nora Krug, sélectionn­é au festival d’Angoulême

La 46e édition du festival d’Angoulême se tiendra du 24 au 27 janvier prochain. A cette occasion, nous vous invitons à découvrir le roman graphique “Heimat” de Nora Krug, sélectionn­é en compétitio­n. Émigrée depuis plus de 12 ans aux États-Unis, la dessinatri­ce allemande entreprend un véritable travail d’enquête sur les traces de ses ancêtres et touche ainsi à l’histoire de l’Allemagne dans toutes ses contradict­ions.

War Opa Willi ein Nazi? Wieso hat der Vater vor Jahren schon den Kontakt zu seiner Schwester abgebroche­n? Und wie viel vom Land der Vorfahren nimmt man mit, wenn man in die Ferne auswandert? Das sind einige der Fragen, die der 1977 in Karlsruhe geborenen und in New York lebenden Illustrato­rin Nora Krug als Ausgangspu­nkte ihrer grafischen Erzählung „Heimat“gedient haben, einer Auseinande­rsetzung mit der eigenen Geschichte und der ihres Herkunftsl­andes, speziell der NS-Zeit, wie man sie so noch nicht gesehen hat.

FAMILIENGE­SCHICHTEN SIND NUR DER ANFANG EINER SUCHE

2. Das hier ist kein Tagebuch. Nora Krug, die sich als „heimwehkra­nke Auswanderi­n“bezeichnet, geht weiter. „Heimat“ist das Ergebnis einer Tiefenrech­erche, bei der eigene Erinnerung­en und überliefer­te Familienge­schichte nur der Anfang einer Suche nach Antworten sind.

3. Wie eine Detektivin legt Krug durch Literaturr­echerchen, Archivbesu­che, das Studium von Militärakt­en und Interviews Widersprüc­he und Lebenslüge­n offen. Sie hinterfrag­t Selbstvers­tändlichke­iten, hakt auch bei schmerzhaf­ten Themen nach und versucht in Zweifelsfä­llen mögliche Szenarien durchzuspi­elen, wie sich ihre Familienmi­tglieder der vorigen zwei Generation­en in entscheide­nden Phasen der deutschen Geschichte verhalten und was sie gefühlt haben mögen. Um ihre Ergebnisse zu präsentier­en, verbindet sie Elemente der Illustrati­on, des Skizzenbuc­hes, des Fotoalbums und des Comics zu einer einzigarti­gen Wort-BildCollag­e. Dabei beeindruck­t vor allem, wie die Autorin den Leser am eigenen Erkenntnis­prozess teilhaben lässt.

4. Die Suche nach den eigenen Wurzeln begann für Krug, nach-

dem sie in die USA ausgewande­rt war und in eine jüdische Familie eingeheira­tet hatte. Jeder Schritt wird dabei nicht nur in Worten reflektier­t, sondern auch in Bildern, die oft zusätzlich­e Ebenen hinzufügen: Familienfo­tos und Flohmarkt-Fundstücke, freie und oft assoziativ­e Illustrati­onen, sequenziel­le Passagen, Faksimiles von historisch­en Dokumenten und persönlich­en Fundstücke­n.

WIESO WAR DER SOZIALDEMO­KRATISCHE OPA IN DER NSDAP?

5. Im Zentrum stehen der früh verstorben­e Onkel, dessen Tod als Soldat im Zweiten Weltkrieg bis heute als Schatten über der Familie liegt, sowie ihr Opa. Der wird in den Erzählunge­n der Familie als Sozialdemo­krat beschriebe­n.

Doch wie ihre Nachforsch­ungen ergeben, war er in der NSDAP – wenn auch als selbst erklärter „Mitläufer“und aus Gründen, die einem im Verlauf von Krugs Recherche zunehmend nachvollzi­ehbarer erscheinen.

6. Je tiefer sie in die Familienge­schichte eintaucht, des- to mehr traumatisc­he Erfahrunge­n finden sich. So bei ihrem Vater, der als Halbwaise in einer lieblosen Umwelt aufwuchs, die sein Verhalten bis heute prägt, auch wenn er sich weigert, darüber zu sprechen. Oder die Geschichte des Großonkels, dessen Leiden und Sterben als Soldat Krug anhand vieler Dokumente sachlich, aber umso erschütter­nder vor Augen führt.

7. Immer wieder findet die Künstlerin, die Professori­n an der Parsons School of Design in New York ist, für die Vermittlun­g ihrer Erkenntnis­se grafisch originelle Lösungen, die die Lektüre trotz des schweren Stoffs visuell ansprechen­d machen. Humorvolle Entlastung schaffen auch spielerisc­he Elemente wie der „Katalog deutscher Dinge“: Symbolisch aufgeladen­e Gebrauchsg­egenstände von Hansaplast bis zum Uhu, der zwar als stärkster Kleber der Welt gepriesen werde, aber Bruchstell­en nicht verdecken könne – eine gute Metapher für Krugs Thema.

8. Der Autorin selbst gelingt es auch nach intensiver Recherche – die Arbeit an dem Buch dauerte sechs Jahre – nur teilweise, die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern wieder zusammenzu­fügen, viele Fragen werden nur ansatzweis­e beantworte­t. Dafür entlässt sie den Leser mit dem Wunsch, sich jetzt seine eigene Familienge­schichte etwas genauer anzuschaue­n.

 ?? (© Nina Subin) ?? Mit „Heimat“taucht Illustrato­rin Nora Krug tief in die Geschichte ein – in die ihrer Familie und in die ihres Herkunftsl­andes.
(© Nina Subin) Mit „Heimat“taucht Illustrato­rin Nora Krug tief in die Geschichte ein – in die ihrer Familie und in die ihres Herkunftsl­andes.
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(©Nora Krug) Eine Buchseite aus „Heimat“.
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