Fischsuppe statt Faschismus
Avec « L’ombre d’un père » Christoph Hein aborde le lourd héritage d’un père criminel nazi
Alors que les frontières européennes tendent à se fermer et que le populisme s’infiltre dans la brèche des peurs irrationnelles, Christoph Hein plonge avec son roman “L’Ombre d’un père” dans l’histoire de l’Allemagne et les fondements du projet européen. Dans ce roman, deux fils réagissent d’une manière radicalement différente face à l’héritage d’un père nazi notoire et criminel de guerre.
In Europa ziehen sie die Grenzen wieder hoch. Erstaunlich, dass Christoph Heins deutsch-französisches Panorama „Glückskind mit Vater“da nur so bescheidene Aufmerksamkeit fand. Vielleicht war das Buch zu vertrackt komponiert für diese Zeiten der billigen Ängste und einfachen Antworten; zu feinsinnig fabuliert, um etwas gegen Paranoia und Populismus auszurichten.
2. Dabei könnte das Grenze-auf-Grenze-zuSzenario auf den ersten Blick nicht unterhaltsamer sein, über Strecken liest es sich wie ein paneuropäischer Abenteuerroman: Da überwindet jemand mit spielerischer Leichtigkeit die erst bröckelnden, dann betonierten, schließlich wieder bröckelnden Demarkationslinien der Nachkriegszeit – und das mit dem ganz schweren Gepäck der Geschichte auf dem Rücken.
BOUILLABAISSE UND SEEIGELFILET
3. Der in Ostdeutschland aufgewachsene Icherzähler ist der Sohn eines hingerichteten NS-Bonzen, der in seinem Heimatort ein KZ errichten wollte, um die Insassen bis zum Umfallen in der eigenen Fabrik schuften zu lassen. Der Sohn von so einem kann Bildung und Ausbildung im antifaschistischen Kaderstaat vergessen, ganz gleich welche Begabungen er hat.
4. Also flieht der Halbwüchsige über die schon verbarrikadierte deutsche-deutsche Grenze Richtung Marseille. Legionär will das Unglückskind werden – das doch eigentlich ein Glückskind ist: Ausgerechnet ein Haufen ehemaliger Résistance-Kämpfer gibt dem Nazisohn Arbeit als Übersetzer, schleppt ihn mit in Kinos und in Hafenrestaurants, wo er mit Bouillabaisse und Seeigelfilet gefüttert wird.
5. „Unser kleiner Boche“, nennen ihn die Männer. Was zuvor ein Fluch auf den Feind war, wird zum Kosewort. Doch die Erinnerung an den Vater lässt Heins Helden nicht los. Er kehrt in die inzwischen eingemauerte DDR zurück, erlebt als Schulleiter die Wiedervereinigung mit.
6. Mauer weg, Ende gut? Nicht wirklich. Melancholie, Scham, Unversöhntheit schwingen in jeder Zeile dieses europäischen Bildungsromans mit. Es bleibt die Ahnung, dass jede offene Grenze sich schließen kann, wo Geschichte als abgehakt gilt. Was dagegen hilft: Kino, Sprache, Bücher. So auch das von Christoph Hein.
Melancholie, Scham, Unversöhntheit schwingen in jeder Zeile dieses europäischen Bildungsromans mit.