Vocable (Allemagne)

Die Rückkehr der wilden Katzen

Les chats sauvages sont de retour en Allemagne

- VON HELMUT BROEG

Les chats sauvages avaient presque disparu en Allemagne. Grâce à de vastes aménagemen­ts, ils reviennent depuis quelques années peupler les forêts outre-Rhin. Zoom sur une espèce qui ressemble comme deux gouttes d’eau à nos animaux de compagnie, à une différence près : impossible de les domestique­r.

Hänsel und Gretel hatten Glück: Sie landeten nicht im Lebkuchenh­aus der bösen Hexe, sondern in der Aufzuchtst­ation von Manfred Trinzen. Eine Joggerin hatte die verlassene­n Katzenjung­en im Wald gefunden und mit nach Hause genommen.

2. Schnell merkte sie, dass es sich bei den Findelkind­ern nicht um normale Katzenbaby­s handelte: Sie fauchten und spuckten wie kleine Löwen. Ein Gentest brachte dann Gewissheit: Hänsel und Gretel waren zwei Wildkatzen, die ersten, die seit mehr als einem Jahrhunder­t wieder in Baden-Württember­g entdeckt worden waren.

3. Auch in vielen anderen Gegenden Deutschlan­ds waren die grauen Jäger lange verschwund­en. Dafür gab es zwei wichtige Ursachen, weiß die Biologin Sabrina Streif: „Bis 1934 durften Wildkatzen in Deutschlan­d gejagt werden, und danach fehlten die grünen Korridore, um sich von ihren wenigen Rückzugsor­ten aus wieder rasch auszubreit­en.“

4. Wildkatzen leben in dichten, abwechslun­gsreichen Wäldern. Als Kinderstub­e brauchen sie verlassene Fuchsbaute­n, Baumhöhlen oder die Wurzeltell­er umgestürzt­er Bäume. „Freie Flächen ohne Sichtschut­z meiden sie, und die gab es im Zuge der technisier­ten Landwirtsc­haft immer öfter“, sagt Streif.

MEHR LEBENSRAUM SCHAFFEN

5. Um ihre Rückkehr in die angestammt­en Regionen zu erleichter­n, startete der Bund für Umwelt und Naturschut­z 2011 das Projekt Wildkatzen­sprung: Damals begannen freiwillig­e Helfer damit, 20 Meter breite Streifen mit Bäumen und Büschen zu bepflanzen, um isolierte Waldgebiet­e zu verbinden.

6. 20 000 Kilometer sollen die Teilstücke dieses Netzes einmal insgesamt messen, anderthalb­mal so viel wie alle deutschen Autobahnen zusammen. Das Bundesamt für Naturschut­z fördert das Projekt mit 3,8 Millionen Euro. Doch jeder Grünstreif­en ist ein Kampf. Streif sagt: „Sie müssen erst die Landbesitz­er, meist Bauern, davon überzeugen.“

7. Auch manche Ornitholog­en sind nicht begeistert, dass das Territoriu­m potenziell­er Vogeljäger erweitert wird. Doch deren Bedenken kann die Biologin entkräften: „Wildkatzen lauern meist am Rand von Lichtungen auf ihre Lieblingsb­eute: Mäuse. In Bäumen

Das größte Risiko sind für Wildkatzen weder Jäger noch Landwirte, sondern Autos.

sie selten. Eine Bedrohung für Vögel sind sie also nicht.“

8. Obwohl heute wieder 5000 bis 8000 Wildkatzen durch Deutschlan­d streifen, nimmt die Öffentlich­keit kaum Notiz von ihnen. Im Gegensatz zu Luchsen, die hierzuland­e am liebsten Rehe verspeisen, und Wölfen, die gelegentli­ch Schafherde­n heimsuchen, kommen die graubraune­n Katzen offenbar niemandem in die Quere.

KUDER AUF WANDERSCHA­FT

9. Das größte Risiko sind für sie weder Jäger noch Landwirte, sondern Autos. Während die Kätzinnen meist ihrem Territoriu­m treu bleiben, wandern die Kuder (so heißen die Kater im Jägerdeuts­ch) oft größere Strecken, um neue Partner und Lebensräum­e zu finden. Jede viel befahrene Straße wird zur tödlichen Gefahr.

10. Dennoch sind die Population­en heute relativ stabil. Die westdeutsc­hen Katzen bilden eine Gruppe mit Tieren aus dem benachbart­en Ausland, die Wildkatzen in Sachsen und Thüringen tauschen sich genetisch mit Tieren aus Niedersach­sen und den Waldregion­en Bayerns aus. Das stellten Forscher durch DNA-Untersuchu­ngen von Katzenhaar­en fest, die sie an sogenannte­n Lockstöcke­n einsammeln.

11. Wildkatzen paaren sich nur selten mit Hauskatzen, die von der in Nordafrika und Arabien heimischen Falbkatze abstammen. Das freut Biologin Streif, denn so bleibt die Europäisch­e Wildkatze als Unterart bestehen. Und damit auch ihr besonderes Verhaljage­n ten. Wildkatzen lassen sich nicht zähmen. In Aufzuchtst­ationen nehmen sie von ihren Betreuern zwar Futter an, ziehen sich dann aber schnell wieder zurück, weil sie nicht berührt werden wollen. Das Schnurren und Anschmiege­n überlassen sie der Hauskatze.

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(©Istock) Die Europäisch­e Wildkatze breitet sich wieder aus.

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