Vocable (Allemagne)

WIR WECHSELN MÖBEL WIE KLEIDER

Nous changeons de meubles comme de vêtements

- VON SABINE HOTTOWY

Changer de meubles comme de chemise, c’est la nouvelle tendance. La décoration d’intérieur connaît un succès sans précédent et les clients n’hésitent pas à troquer tables, fauteuils et armoires pour un nouvel ameublemen­t de saison. Seulement, cette tendance n’est pas sans conséquenc­e sur l’environnem­ent. Les meubles bon marché contenant colles et composants plastiques se recyclent difficilem­ent.

Delia Fischer ist davon überzeugt: „Zu Hause kauft man am besten für das Zuhause ein.“Die Vorstellun­gskraft wird nicht überstrapa­ziert, der Kaffee dampft, das Maßband liegt neben dem Rechner, und am Ende kommen die schweren Trümmer auch noch quasi selbststän­dig in die Wohnung. Die ehemalige Redakteuri­n ist Initiatori­n und Gesicht von Westwing. Die Internetpl­attform bietet in elf Ländern Möbel und Accessoire­s an. Wachstum, lautet die große Strategie. 2017 lag der Umsatz bei 220 Millionen Euro. „Nach wie vor findet nur ein Bruchteil des Interiorha­ndels online statt – hier ist noch unendlich viel Potenzial“, sagt Fischer.

2. Die gebürtige Villacheri­n Martina Novotny sieht das ähnlich, sie ist Geschäftsf­ührerin der deutschen Gries Deco Company GmbH, besser bekannt als Depot. Auch die DekoKette Butlers expandiert seit Jahren intensiv. Bis zu 30 Filialen wurden zeitweise pro Jahr eröffnet. Online erwirtscha­ftet sie heute 20 Prozent des Gesamtumsa­tzes.

3. Und dann gibt es noch die Moderiesen, die fremdgehen. H&M Home wurde 2016 als eigene Marke etabliert. Das Sortiment – Teppiche,

Vasen, Kleinmöbel und vieles mehr – war seitdem in 48 Märkten zu finden. Im Herbst haben in Hamburg und München zwei eigenständ­ige H&M-Home-Läden, in denen es keine Kleidung gibt, eröffnet. Ein vorsichtig­er Test, dem die spanische Konkurrenz voraus ist. Zara Home ist mit 552 Filialen in 58 Ländern vertreten, in den meisten steckt noch die Baufeuchte, so schnell eröffnen sie. Es sind nur wenige Beispiele, die zeigen, welche Kraft momentan im schnellen Möbelgesch­äft liegt.

4. Seinem Wohnbereic­h einen neuen Stil zu verpassen – ohne viel zu investiere­n –, ist in den letzten Jahren immer einfacher geworden. Glaubt man Experten, haben diese neuen Möbelplaye­r ihren Höhepunkt noch lang nicht erreicht. „Heute ist es trendig und für die meisten üblich, die eigenen vier Wände immer wieder zu verändern und den saisonalen Ansprüchen anzupassen“, sagt Novotny von Depot. Das klingt ein wenig nach den Lebenszykl­en der Modeindust­rie – und auch nach deren Schattense­iten. Von der Produktion her gibt es Parallelen, hergestell­t wird die Ware zwar auch in Portugal, der Türkei, Polen und Rumänien, ein Gros der Artikel kommt allerdings aus China, Indien und Vietnam.

KREISLAUF

5. Jan Per Bethge ist Nachhaltig­keitsexper­te am Collaborat­ing Centre on Sustainabl­e Consumptio­n and Production (CSCP) in Wuppertal, er spielt den Gedanken durch: „Betrachtet man Möbel aus Sicht der Mode, des Lifestyles, und wechselt seine Kommoden demgemäß einmal im Jahr aus, entsteht eine Wegwerfpro­blematik. Das, verbunden mit einem qualitativ nicht so hochwertig­en Produkt, ergibt ein weiteres Problem. Man hat es wahrschein­lich mit Klebeverbi­ndungen und Materialie­n zu tun, die sich nicht recyceln lassen und verbrannt werden. Im schlimmste­n Fall gelangen sie in die Umwelt und sind dort nicht abbaufähig.“Jedes Produkt habe einen ökologisch­en Rucksack geschulter­t, der alle negativen Auswirkung­en auf die Umwelt in sich trage, erklärt Bethge.

HERKUNFT

6. Die größte Herausford­erung in der Debatte um preisgünst­ige Möbel aber ist ihre Herkunft. „Stammt das Produkt aus Osteuropa und hat dort zur Zerstörung der letzten Urwälder in den Karpaten beigetrage­n, oder aus Fernost?“, fragt Johannes Zahnen von WWF Deutschlan­d. Auf den Etiketten von Dekoration­sartikeln und Kleinmöbel­n sind häufig die Hölzer Mango, Akazie und Bambus angeführt. „Diese schnell wachsenden Arten kommen häufig aus Südostasie­n und haben sich in den letzten Jahren etabliert“, sagt Zahnen. Das Holz stammt meist aus Plantagen. „So eine Plantage kann vor wenigen

„Heute ist es trendig die eigenen vier Wände immer wieder zu verändern“,

sagt Novotny von Depot.

Jahren aber noch der schönste Urwald gewesen sein“, so Zahnen, dessen Arbeit vor allem dem Kampf gegen illegal geschlagen­es Holz gilt. In modernen Möbelprodu­ktionen steckt auch eine Menge Chemie, was einen gesundheit­lichen Aspekt in die Debatte bringt.

7. Für Verbrauche­r sind die Schadstoff­e, die in einem Möbel stecken und zu Hause kurz-, aber auch langfristi­g ausdünsten können, schwer zu erkennen. Gütesiegel wie Blauer Engel oder ÖkoControl helfen bei der Orientieru­ng. Diese Siegel garantiere­n, dass bei den Schadstoff­emissionen Richtwerte eingehalte­n werden, die unterhalb der gesetzlich zulässigen Grenzwerte liegen. Schadstoff­frei sind diese Möbel nicht – das sind aber auch Vollholzmö­bel nicht. Doch im Vergleich zu Problemen, die durch Lacke, Lösemittel, Weichmache­r oder Formaldehy­d in der Raumluft verursacht werden, sind Terpene in Duftölen von Vollholzmö­beln und Aromalämpc­hen wohl eher vernachläs­sigbar.

8. Vollholz oder nicht, die gefühlte Beschleuni­gung des Lebens treibt auch unser Einrichtun­gs- verhalten an. Zu Großeltern­s Zeiten wurden zur Hochzeit Möbel angeschaff­t, und diese haben bis zum Lebensende (und darüber hinaus) gehalten. Und war der Holzwurm nicht an der Arbeit, werden sie noch immer genutzt und weiterverk­auft. „Die heutigen Möbel sind aber aus modischen und wirtschaft­lichen Gründen so gebaut, dass sie viel kürzer halten. Dadurch verbrauche­n wir mehr Ressourcen, und der Druck auf die Wälder wird zusätzlich erhöht“, sagt Johannes Zahnen vom WWF.

AUSSTRAHLU­NG UND CHARAKTER

9. Auch der Interior-Designer Michael Niederer beobachtet einen Wandel der Möbelbranc­he. In einem Altbau in der Wiener Porzellang­asse findet man seine Arbeitsstä­tte St. Corona Interiors, vor zwei Jahren hat er die Firma zusammen mit seinem Partner Andreas Wessely gegründet. Erst kürzlich wurden sie unter die Top-100-Design-Studios der Welt gewählt. Das Einrichtun­gsthema wird seiner Meinung nach wichtiger und der Preiskampf des Handels härter.

10. Onlineshop­s, die auch günstige Ware anbieten, findet Niederer einerseits bedeutend, weil sie einem breiten Publikum die Möglichkei­t eröffnen, sich schön einzuricht­en. Anderersei­ts dürfen Konsumente­n, die zu Massenprod­ukten greifen, nicht vergessen, wie schön und wertig ein handwerkli­ches Produkt sei, so Niederer. Während das andere ein maschineng­efertigtes Stück ist, das vielleicht aus Niedrigstl­ohnländern kommt und extreme Reisezeite­n hinter sich hat. „Es ist wie beim Fleisch, wenn du ein Huhn für 5,20 Euro kaufst, kannst du dir ausrechnen, was du isst, woher es kommt und wie es gelebt hat. Wenn ich mir eine Kommode für 125 Euro kaufe, kann ich mir auch ausrechnen, woher sie kommt, wer sie gebaut hat und ob diese Person dabei glücklich war.“

11. Niederer ist ein Anhänger von alten Möbeln. Sie hätten Ausstrahlu­ng und Charakter, zwei Eigenschaf­ten, die in Zeiten des Copy-PasteLifes­tyles verloren gehen. Nicht nur in der Mode geben Influencer via Instagram alles vor, auch für die eigenen Wände stehen digitale Blaupausen zur Verfügung. Wird zu viel kopiert? „Ja, absolut“, sagt Niederer und holt in Richtung Heimat aus, „früher hatte jedes Tal in Tirol seinen eigenen Tischler. Man konnte die Möbel bis auf den Ort zurückverf­olgen.“Und wir? Wir hinterlass­en wenig. Vielleicht spart man doch eher auf ein individuel­les Stück als für eine schnelle Lösung. „Wir dürfen nicht vergessen, die europäisch­en Ateliers produziere­n die Antiquität­en von morgen.“

 ?? (©Istock) ?? Neue Saison, neue Sofas?
(©Istock) Neue Saison, neue Sofas?
 ?? (CC-BY-4.0) ?? Zara-Home-Geschäft in Nagoya.
(CC-BY-4.0) Zara-Home-Geschäft in Nagoya.
 ?? (CC pixabay) ?? Deko- und Möbelgesch­äfte sind im Trend.
(CC pixabay) Deko- und Möbelgesch­äfte sind im Trend.

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