Bühnen der Begehrlichkeiten
L’inventivité folle des boutiques pour attirer de nouveaux clients
De plus en plus de personnes font leurs achats en ligne au grand dam des commerçants établis. Alors les boutiques redoublent d’imagination et d’extravagance pour attirer à nouveau la clientèle dans leur enseigne. Le moyen : concevoir le magasin comme un véritable lieu d’expériences.
Sie sind Sehnsuchtsorte in unseren Metropolen, Zentren des öffentlichen Lebens, Katalysatoren des Konsums. Weltweit setzen Einzelhandelsunternehmen dem Kundenschwund ausgefallene Präsentationsformen entgegen – und trotzen so dem eigenen Bedeutungsverlust. Denn je mehr die Kunden ihre Kleidung, ihre Möbel, ihre Kulturgüter im Netz kaufen, bei Online-Anbietern wie Amazon oder Zalando, umso schwieriger wird das Geschäft für den stationären Handel. Und umso dringlicher müssen neue Konzepte her.
2. 525 Milliarden Euro Umsatz machte der deutsche Einzelhandel 2018 – 65 Milliarden davon entfallen auf den Online-Handel. Allerdings ist dessen Zuwachsrate seit Jahren hoch, zuletzt lag das Wachstum bei elf Prozent gegenüber zwei Prozent beim stationären Handel.
DER LADEN ALS ERLEBNISWELT
3. „Um dem etwas entgegenzusetzen, müssen die Geschäfte in den Innenstädten zu Erlebnisorten werden“, sagt Jan Röttgers, Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens ECE Development, das europaweit 196 Einkaufszentren managt. „Denn Shoppen ist mehr als Einkaufen. Der Kunde sucht das besondere Erlebnis und will überrascht und begeistert werden.“ 4. Die Einkaufszentren in den Innenstädten sollen künftig wieder die Funktion von Marktplätzen übernehmen, die von jeher mehr waren als reine Handelsplätze, nämlich Orte, an denen man sich traf, austauschte, wo man aß, trank, debattierte. „Deutlich wird das auch auf Urlaubsreisen“, sagt Röttgers. „Wir flanieren dann doch auch gern über einen authentischen, kommunikativen Markt, der uns fasziniert und zum Verweilen einlädt.“
„Shoppen ist mehr als Einkaufen. Der Kunde will überrascht und begeistert werden.“
5. Die Inszenierung der Warenwelt mit Produkten, die oft durch eine pseudo-sakrale Präsentation Kultcharakter erlangen und für den Kunden haptisch erfahrbar sind, wird in der postindustriellen Gesellschaft immer wichtiger, in der eine gebildete, kaufkräftige, kultur- und designin
teressierte Mittelschicht das Außergewöhnliche sucht, konstatiert der Soziologe Andreas Reckwitz in seinem Buch „Die Gesellschaft der Singularitäten“. Wie Händler weltweit auf diese Herausforderungen reagieren, zeigt das „Store Book 2019“, das gerade im Münchner Callwey Verlag erschienen ist. Der Bildband versammelt herausragende Beispiele für gelungenes Shop-Design von Taipeh über Rio bis Madrid und Hamburg.
EINE EIGENE STAMMKUNDSCHAFT AUFBAUEN
6. Aber nicht nur in den Metropolen wird der Trend weg vom puren Ladengeschäft und hin zur Erlebniswelt deutlich, sondern auch bei einem Optiker in Wittlich, einem SneakerStore in Konstanz oder einer Fahrrad-Boutique in Unterfranken – alles Konzepte, die das „Store Book“vorstellt.
7. Der Wandel geht dabei durch alle Branchen: Ein Autohaus in Peking zelebriert den Kauf eines neuen Elektromobils als Festakt. Ein Sportgeschäft in Osnabrück hat ein Wasserbecken mit stehender Welle errichtet, auf dem die Kunden Surfbretter testen können und das Zuschauer in den Laden lockt. Eine Apotheke im 4000-Einwohner-Ort Erlinsbach in der Schweiz wurde zum medizinischen Beratungsund Begegnungszentrum mit angeschlossenem
Café erweitert.
8. Die Beispiele zeigen, wie sich Shops eine eigene Stammkundschaft aufbauen können, die eigens zu diesem Geschäft fährt, ja pilgert, unabhängig vom Standort. „Es kommt längst nicht mehr nur auf die alte Erfolgsformel ‚Lage, Lage, Lage‘ an“, schreibt der auf Einzelhandelsunternehmen spezialisierte Berater Wolf Jochen Schulte-Hillen in einem Begleitessay zum „Store Book“. „Destinationen sind Schöpfungen, nicht Schicksal.“
9. Als Strategie für einen erfolgreichen Wettbewerb empfiehlt Schulte-Hillen: Singularität. „Der Store wird zum Erlebnisraum mit einem kuratierten Angebot für präzise umrissene Zielgruppen, die Shopping als Gelegenheit für soziale Interaktion und kommunikative Begegnungen verstehen und wünschen.“Und er unterscheidet sich so maximal von der unsinnlichen Präsentationsform eines Online-Händlers.