„Es ist gut, wenn die Politik Druck macht“
Les politiques peuvent-ils imposer le respect des droits de l’Homme dans les entreprises ?
Dans notre monde globalisé, les uns produisent et les autres vendent, et plus les intermédiaires sont nombreux, plus il devient difficile de contrôler les conditions de fabrication des produits. Par souci d’éthique, le gouvernement allemand souhaite désormais obliger les entreprises à vérifier que leurs fournisseurs étrangers respectent certaines normes sociales et écologiques. Mais comment mettre en place une telle mesure ? Réponse avec l’économiste Martin Müller.
SPIEGEL: Die Bundesregierung will zunächst 7000 Fragebögen verschicken, um zu erheben, wie deutsche Firmen die Einhaltung sozialer Standards und Menschenrechte in ihren globalen Lieferketten garantieren. Warum reagiert die Industrie so geschockt?
Martin Müller: Getroffene Hunde bellen. Die deutsche Wirtschaft profitiert seit Jahrzehnten von der Globalisierung – und damit auch von niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen in anderen Teilen der Welt. Es ist überfällig, dass ein Teil dieser Gewinne auch dafür eingesetzt wird, die Menschenrechte vor Ort zu verbessern.
2. SPIEGEL: Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller drohen mit einem „Wertschöpfungskettengesetz“, falls die Sorgfaltspflicht nicht greift. Müller: Es ist gut, wenn die Politik Druck macht. Es gibt zwar in allen Branchen Vorreiter, die soziale und ökologische Standards bereits fest in den Verträgen mit ihren ausländischen Zulieferern durchgesetzt haben. Aktuell konkurrieren diese Unternehmen aber mit Wettbewerbern, die sich vor jeder Verantwortung drücken. Ich kenne viele Nachhaltigkeitsmanager, vor allem aus mittelständischen Betrieben, die froh über so ein
Gesetz wären. Dann müssten sie nicht ständig ihren Vorstand neu überzeugen.
3. SPIEGEL: Würde am Ende nicht der deutsche Verbraucher dafür bezahlen?
Müller: Es geht nicht um riesige Investitionen, vor allem nicht im Vergleich zu den Summen, die die Firmen einsparen, weil sie eben in Myanmar oder Bangladesch produzieren lassen. Wenn Sie Lohnerhöhungen in der Textilbranche auf ein einzelnes T-Shirt runterrechnen, geht es gerade mal um einen halben Cent. Gleichzeitig steigt aber die Produktivität, wenn sie Menschen besser behandeln, das belegen Studien.
4. SPIEGEL: In Großbritannien gibt es bereits seit 2015 den „Modern Slavery Act“, in Frankreich gilt seit 2017 das „Loi sur le Devoir de Vigilance“. Zeigen diese Gesetze die gewünschte Wirkung? Müller: Der deutsche Vorstoß ist in der Tat nicht neu, sondern eher eine überfällige Reaktion. All diese Regelungen sind aber noch nicht besonders lange in Kraft. Es gibt daher meines Wissens nach noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen, aus denen man Rückschlüsse ziehen kann.
5. SPIEGEL: Bei welchen Branchen sehen Sie denn besonderen Handlungsbedarf?
Müller: Da braucht man kein Ranking. Es gibt heutzutage kaum eine Branche, in der nicht global eingekauft oder produziert wird. Je mehr Subunternehmen in einer Kette beteiligt sind, desto komplexer ist das natürlich. Aber das darf keine Entschuldigung sein, Probleme nicht zu identifizieren und anzupacken.
6. SPIEGEL: Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer sagt, man habe rund 110.000 direkte Zulieferer, Daimler nennt 60.000 – wo sollen die Unternehmen da anfangen? Müller: Ich halte diese Zahlen mit Blick auf die eigentliche Frage für irreführend. Sie lassen das Problem größer erscheinen, als es in der Realität ist. Man kann beispielsweise erst einmal alle Softwarefirmen rausrechnen, auch die Zuliefererfirmen aus Deutschland und den europäischen Nachbarländern. Der Korruptions-Index von Transparency International gibt Aufschluss darüber, in welchen Ländern es regulatorische Defizite gibt. Wenn ich all das in Betracht ziehe, reduziert sich die Zahl der Zulieferer, die man genauer in den Fokus nehmen muss, ganz rapide.
7. SPIEGEL: Aber auch wenn am Ende nur ein paar Dutzend Zulieferer übrig bleiben: Wie können deutsche Firmen konkret sicherstellen, dass ihre Zulieferer aus aller Welt „unsere“Standards einhalten?
Müller: Der erste und wichtigste Schritt ist, einen hauseigenen „Code of Conduct“, sprich Verhaltenskodex, zu definieren. Der muss fester Vertragsbestandteil für alle in der Lieferkette sein, und nicht nur „zur Kenntnis“mitgeschickt werden. Dann ist es wichtig, in der eigenen Branche Risikobereiche zu erkennen.
8. SPIEGEL: Kann man als Verbraucher bei einem Produkt eigentlich am Preis erkennen, ob ein Unternehmen stärker auf solche Standards achtet?
Müller: Eindeutig nein. Es produzieren ja nicht nur die Billiganbieter in Billiglohnländern, sondern auch die große Markenhersteller, die ihre Produkte bei uns dann teuer verkaufen. Und bei Konfliktmineralien wie Coltan etwa führt auch erst die große Nachfrage hierzulande zu einer verstärkten Ausbeutung in den Abbauregionen.
9. SPIEGEL: Manche Unternehmer klagen, die deutsche Regierung müsse darauf achten, dass deutsche Firmen wettbewerbsfähig bleiben. Müller: Dieses Argument ist nicht besonders klug, denn es heißt im Umkehrschluss: Wir sind nur wettbewerbsfähig, weil wir Menschenrechte missachten. Ich glaube, das will kein Unternehmer ernsthaft behaupten.