Vocable (Allemagne)

Sollte man fürs Nichtstun bezahlt werden?

Et si travailler devenait une simple option ?

- INTERVIEW MAIK GROSSEKATH­ÖFER

Dans notre société, tout tourne autour du travail. Un autre modèle où l’agitation du quotidien laisserait une place à la contemplat­ion et au vide est souhaitabl­e et tout à fait vivable, le sociologue Harald Welzer en est convaincu. Dans un plaidoyer pour l’oisiveté, il nous pousse à nous interroger sur les concepts de "travail" et de "fainéantis­e".

SPIEGEL: In der schwedisch­en Stadt Göteborg ist eine unbefriste­te Stelle ausgeschri­eben: umgerechne­t 2046 Euro brutto im Monat fürs Nichtstun. „Die Arbeit ist das, was der Angestellt­e tun will“, heißt es in der Jobbeschre­ibung. Eine gute Idee?

Harald Welzer: Eine charmante Idee. Wir wundern uns nicht, wenn jemand 3000 Euro Rente bekommt und Däumchen dreht, weil wir wissen, dass er dafür gearbeitet hat. Wir halten es aber für irrational, dass jemand für gar nichts entlohnt wird. Dahinter steckt der absonderli­che Gedanke, dass Arbeit an sich besser sei als Müßiggang.

2. SPIEGEL: Und das stimmt nicht?

Welzer: Wieso soll es sinnvoller sein, in der Rüstungsin­dustrie zu arbeiten und Waffen herzustell­en, deren einziger Zweck die Zerstörung ist, als auf der Wiese zu liegen und in den Himmel zu gucken?

3. SPIEGEL: Was soll es bringen, sich auf die Wiese zu legen?

Welzer: Wir leben in einer Kultur des „Alles immer“. Der Rückzug aus der Unruhe des Alltags ist wichtig, wir brauchen die Kontemplat­ion, die Leere. Der eine hält die Leere einen Tag aus, der andere zwei Monate. Aber es wirkt wie eine Infusion: Man wird frischer, kreativer.

4. SPIEGEL: Dass jeder den ganzen Tag Wolken zählt, kann es aber auch nicht sein. Irgendwer muss doch noch arbeiten. Welzer: Natürlich. Was ich meine: Die Hochschätz­ung der Arbeit im Sinne der fremdbesti­mmten Erwerbstät­igkeit ist historisch jung, vor der Industrial­isierung war das noch anders. Wir achten die Arbeit heute auch deswegen, weil sie dem Tag Struktur gibt – man muss sich keine Gedanken machen, was man mit seiner Zeit anstellt. Wenn man kein Geld verdienen muss, ist man aber nicht zwangsläuf­ig faul. Müßiggang ist etwas anderes als Faulheit. Faulheit ist ein Begriff, der uns dazu bringen soll, zu arbeiten. Müßiggang heißt auch: Man kann sich ehrenamtli­ch im Hospiz engagieren oder Kindern Nachhilfe geben. Man hat die Möglichkei­t, anderes zu tun. Und zwischendu­rch guten Gewissens absolut nichts.

5. SPIEGEL: Was halten Sie vom bedingungs­losen Grundeinko­mmen?

Welzer: Ich bin ein großer Freund davon. Es baut Existenzän­gste ab und nimmt Druck aus dem System. Es reduziert bei den unteren Schichten den Drang, gesellscha­ftlich aufsteigen zu müssen. Bei den höheren Schichten mindert es die Notwendigk­eit, den Eltern nacheifern und entspreche­n zu müssen. Es bietet die Freiheit, selbstbest­immt Dinge zu lassen. Die Dringlichk­eit, den Wunsch nach Eskapismus durch Konsum zu befriedige­n, verringert sich. Es herrscht eine entspannte­re Grundhaltu­ng.

6. SPIEGEL: Für Berufsanfä­nger von heute ist Geld und Karriere nicht alles. Sie können das verstehen?

Welzer: Die nächste Generation findet es wahrschein­lich absurd, worüber wir gerade reden. Sie wird einen anderen Bezug zur Arbeit haben. Immer mehr Menschen wollen dieses Zeitregime nicht mehr. Die Trennung von Arbeit und Müßiggang wird sich durch die Digitalisi­erung in vielen Berufsfeld­ern auflösen.

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(© Istock) Arbeit ist besser als Müßiggang - das hält Harald Welzer für absonderli­ch.
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