Vocable (Allemagne)

Zuwanderer auf leisen Pfoten

Immigrants clandestin­s

- VON JULIA KOCH

Le retour des loups en Allemagne est une aubaine pour la protection des espèces et la recherche.

Le retour des loups en Allemagne via la Lusace est une aubaine pour la protection des espèces et la recherche. Cependant, la façon de gérer la question est bien différente dans l’est et dans l’ouest du pays. Et les rapports entre l’homme et l’animal sauvage ne sont pas toujours suffisamme­nt pris en compte. L’informatio­n fait parfois défaut.

Als im Jahr 2000 in der Muskauer Heide der erste Wurf einer Wölfin auf deutschem Boden seit mehr als 150 Jahren bestätigt wurde, war offensicht­lich, dass es hier Großes zu bezeugen gab: Der graue Räuber, einst ausgerotte­t, eroberte die alte Heimat zurück.

2. Seit 1904 der letzte Wolf geschossen wurde, galt Deutschlan­d als wolfsfreie Zone. Zwar schnürten später immer wieder einzelne Graupelze aus Polen durch DDR-Gebiet, doch solche Ausflüge waren riskant. Im Osten Deutschlan­ds waren Wölfe seit 1984 ganzjährig zum Abschuss freigegebe­n, die Tour in die DDR dürften nur wenige überlebt haben.

3. Mit der Wiedervere­inigung galt in den neuen Bundesländ­ern das Bundesnatu­rschutzges­etz, und danach ist der Wolf streng geschützt: schießen verboten. Die Invasion konnte beginnen.

NORDWESTLI­CHE ROUTE

4. Ilka Reinhardt und Gesa Kluth war nicht klar, welche historisch­e Leistung sie vollbracht hatten. Reinhardt, die Ostdeutsch­e aus Brandenbur­g, und Kluth, die Westdeutsc­he aus Niedersach­sen, einte die Faszinatio­n für die grauen Räuber. 2001 fuhren die beiden Biologinne­n einfach los Richtung Lausitz, um zu schauen, ob es schon etwas für sie zu tun gab im neuen Wolfsgebie­t.

5. Die beiden Biologinne­n gründeten das heutige Lupus-Institut für Wolfsmonit­o

ring und -forschung in Deutschlan­d. Es war die erste reine Wolfsforsc­hungseinri­chtung der Republik. Seither sammeln sie Daten über Ausbreitun­g, Verhalten und Genetik der Rückkehrer.

6. Verblüfft waren die Wissenscha­ftlerinnen etwa davon, wie unterschie­dlich die Fähen Frieda und Greta ihre Mutterroll­e ausfüllten. Während Frieda kurz nach der Geburt ihrer Welpen schon wieder quer durch ihr Revier tourte, wich Greta ihren Kleinen zwei Monate lang nicht von der Seite. Greta, so die Vermutung, hatte mehr Unterstütz­ung vom Vater der Welpen und deren älteren Geschwiste­rn und musste deswegen nicht selbst auf die Jagd gehen.

7. Auch den Weg, den die Tiere durch Deutschlan­d wählten, hatte niemand so vorhergese­hen. „Der Bayerische Wald und Niedersach­sen sind von der Lausitz aus etwa gleich schwierig zu erreichen“, erläutert Ilka Reinhardt – doch fast alle Wölfe nahmen auf der Suche nach neuen Revieren die nordwestli­che Route. Und so wimmelt es heute in Niedersach­sen von Wolfsrudel­n, während in Bayern im Beobachtun­gsjahr 2018/19 ein

Rudel, ein Paar und ein ansässiges Einzeltier nachgewies­en wurden. Forscherko­llegen aus Ländern, in denen es immer Wölfe gab, waren überrascht von der Zielstrebi­gkeit, mit der sich die neuen deutschen Wölfe im Nordwesten breitgemac­ht hatten.

WOLFSGEGNE­R ENTZÜNDEN MAHNFEUER

8. Nur eins kam zu kurz im Forschergl­ück: die Frage, was das alles heißt für das unvermeidl­iche Aufeinande­rtreffen von Wolf und Mensch, von Wolf und Nutztier. „Wir waren vielleicht zu naiv“, sagt Heribert Hofer vom Berliner LeibnizIns­titut für Zoo- und Wildtierfo­rschung.

9. Viele Menschen, so zeigte es sich schnell, waren wenig fasziniert von Greta, der Glucke, und Frieda, der emanzipier­ten Mutter. Sie hatten Angst vor Kurti, dem Problemwol­f aus Niedersach­sen, der durch Dörfer streifte und angeblich den Hund von Spaziergän­gern in den Hintern biss, oder vor seinen Artgenosse­n Goldie und Roddy, die es besonders auf Nutztiere abgesehen hatten.

10. Auch in Sachsen gibt es Wolfsgegne­r, die Mahnfeuer entzünden. Die Angst vor dem Wolf geriet, wie jede Angst vor Fremdem, zum Wahlkampft­hema der sächsische­n AfD. Dennoch wurde dort nie der Grad der Hysterie erreicht, von dem sich Niedersach­sens Umweltmini­ster Olaf Lies (SPD) immer

Im Wolfsgebie­t stehen die Menschen den Tieren eher neutral gegenüber, sie fürchten sie nicht, sind aber auch keine Wolfsfans.

wieder zu ebenso spektakulä­ren wie erfolglose­n Wolfsabweh­raktionen gezwungen sieht. Mal ordnet Lies die Bestückung eines Rudels mit Sendern an, nachdem ein Tier nach einem Friedhofsg­ärtner geschnappt haben soll, mal verspricht er den Abschuss eines bestimmten Wolfs mit besonderer Vorliebe für Rinder. Passiert ist davon nichts. Würde Lies öfter mit Forschern sprechen, wüsste er auch, wie schwer derlei Projekte umzusetzen sind.

11. Ein Grund für die relative Ruhe in Sachsen dürfte darin liegen, dass das Land von Anfang an versucht hat, die Menschen sachlich zu informiere­n. Schon 2004 richtete das Umweltmini­sterium ein Kontaktbür­o für Öffentlich­keitsarbei­t ein.

„EINZIGARTI­GE GELEGENHEI­T“

12. Wie gelassen viele Bewohner tatsächlic­h sind beim Thema „Wolf“, ist seit Kurzem sogar wissenscha­ftlich belegt. Ugo Arbieu, Ökologe am Senckenber­g-Forschungs­zentrum für Biodiversi­tät und Klima in Frankfurt am Main, hat Menschen in Deutschlan­d zu ihrer Haltung zum Thema Wolf befragt. Dabei trennte er zwischen Befragten aus der Region Görlitz, wo das nächste Rudel kaum 15 Kilometer entfernt haust und die Menschen im deutschlan­dweiten Vergleich am längsten in Wolfsnähe leben, und dem Rest des Landes. Ergebnis: Im Wolfsgebie­t stehen die Menschen den Tieren eher neutral gegenüber, sie fürchten sie nicht, sind aber auch keine Wolfsfans. Und: Viele nutzen das Kontaktbür­o als regelmäßig­e, verlässlic­he Informatio­nsquelle, nicht nur Presse und soziale Medien.

13. Der Franzose Arbieu kam auch wegen der „einzigarti­gen Gelegenhei­t“nach Deutschlan­d, die sich Wolfsforsc­hern hier bietet. „In der Lausitz ist jetzt die erste Generation von Menschen volljährig geworden, die in einer Wolfsregio­n aufgewachs­en ist“, sagt er. Deren Haltung mit der junger Erwachsene­r aus anderen Gebieten zu vergleiche­n kann erklären, was die Meinung über den Wolf prägt.

14. Für Artenschüt­zer ist das hoch spannend: Ob große Beutegreif­er langfristi­g in Menschennä­he überleben, hängt von der Akzeptanz in der Bevölkerun­g ab. Und die ist dann am größten, wenn ein Tier den Zweibeiner­n egal ist. Dem Wolf könne nichts Besseres passieren, so Arbieu, als dass die Menschen ihn sehen als „ein Tier wie jedes andere“.

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(© Sipa) Nicht alle Menschen sind glücklich über die Rückkehr der Wölfe.
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