Fünf Sterne für nix
Cinq étoiles pour rien
Des adolescents allemands boostent les ventes des fabricants chinois sur Amazon.
Des adolescents allemands sont recrutés par des fabricants chinois pour booster les ventes de leurs produits sur Amazon grâce à des commentaires élogieux. Le géant de l’e-commerce traque ces commentaires "bidons" tout à fait illégaux, mais les jeunes arrivent néanmoins à se faire un revenu confortable grâce à ces combines difficiles à détecter pour l’acheteur potentiel.
Auf die Bewertungen, die Kunden bei Amazon hinterlassen haben, gibt Fritz Herrmann (Name geändert) längst nichts mehr. Dafür hat der Gymnasiast selbst schon zu viele erfunden.
2. Es begann vor einigen Monaten. Herrmann, 19, surfte auf Instagram, als ihm eine sonderbare Werbung angezeigt wurde. Angeboten wurden Elektronikwaren – gratis, als Geschenk. Ein Klick, und Herrmann war schlauer: Er müsse das Produkt zunächst auf Amazon erwerben und es nach Erhalt bewerten. Den Kaufpreis bekomme er anschließend vom Hersteller erstattet, die Ware dürfe er behalten.
INTERNATIONALE PR-STRATEGIE
3. Herrmann orderte, platzierte nach erfolgter Lieferung ein paar Nettigkeiten auf der AmazonSeite und vergab fünf von fünf Sternen, Bewertung de luxe. Wenige Tage später traf das Geld wieder auf seinem PayPal-Konto ein. Seither hat Herrmann das Geschäft ausgebaut, auch ein Schulfreund ist eingestiegen. 4. Die beiden kaufen bei Amazon Kopfhörer, Taschen, Lampen, Massagegeräte, Adapter, Schuhe; auf Wunsch der Hersteller und auf deren Kosten. Manches davon behalten sie, vieles schicken sie jedoch zurück – und bekommen den Kaufpreis ein zweites Mal erstattet, diesmal von Amazon. Die Ware packen sie dann nicht einmal mehr aus. Mehrere Tausend Euro haben sie damit bereits verdient.
5. Was als Schülerstreich daherkommt, ist eine internationale PR-Strategie. Gesteuert wird sie aus China, von Herstellern, die Luvfun, Kungfuren oder Ubfen heißen und in den deutschen
Markt drängen. Keine der drei Firmen reagierte auf eine Anfrage des SPIEGEL.
VERSTOSS GEGEN DAS WETTBEWERBSRECHT
6. Jeder Kauf soll dazu führen, dass die Produkte in der Amazon-Suche nach vorn rücken. Und jede positive Erwähnung zahlt aufs Renommee ein. Das klingt clever, ist allerdings rechtswidrig.
Einer Uhr wird bescheinigt, dass sie gut am Handgelenk liege, einem Elektrogerät, dass es funktioniere.
7. „Wer für Bewertungen Geld erhält, ist nicht mehr frei in seinem Urteil und wird eher positiv bewerten“, sagt der auf Internetrecht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke. „Daraus ergibt sich eine Verbrauchertäuschung.“Ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm sieht in der bezahlten Aufforderung zur Rezension einen „Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht“.
8. Auch Amazon hat damit ein Problem. „Unser Ziel ist es, missbräuchliche Bewertungen zu identifizieren und zu entfernen, bevor ein Kunde sie überhaupt sieht“, so ein Sprecher des Unternehmens. Man arbeite auch mit SocialMedia-Websites zusammen. Amazon habe mehr als tausend Personen wegen Rezensions
missbrauch angezeigt. Im Februar entschied das Frankfurter Oberlandesgericht, dass Drittanbieter auf Amazon gekaufte Bewertung kennzeichnen müssen.
9. Bewertungsprofi Herrmann sagt, Fantasiekritiken seien leicht zu erkennen. „Kein Produkt bekommt durchweg fünf Sterne.“Überhaupt hätten „normale Kunden“wohl Besseres zu tun, als ihren Einkauf zu benoten.
MAN BEKOMMT VIEL FÜR WENIG GELD
10. Rund 30 seiner Mitschüler hätten nach seinem Vorbild ebenfalls mit dem Erfinden von Bewertungen angefangen, bislang nur zaghaft, mit Erträgen von ein paar Hundert Euro. Kreativität wird ihnen dabei nicht abverlangt. Es genügt zu schreiben, ein Produkt sei „super“, „klasse“, man bekomme viel für wenig Geld. Einer Uhr wird bescheinigt, dass sie gut am Handgelenk liege, einem Elektrogerät, dass es funktioniere.
11. Wer bewertet hat, bekommt vom Hersteller einen Link geschickt, der zu einer FacebookGruppe führt. Dort werden weitere Angebote lanciert, neue Geschäfte angebahnt. Die Gruppen heißen Products free try oder Germany Products free Test und lösen sich schnell wieder auf, bevor sie auffliegen.
12. Herrmann hat den Dachboden der elterlichen Wohnung inzwischen zum Lager umgestaltet. Derzeit liegen dort rund 50 Pakete. Jeden Tag kommt etwa ein Dutzend weiterer Lieferungen an, die mal er annimmt, mal seine Eltern, wer gerade da ist. Alle paar Tage sendet Herrmann Waren an Amazon zurück.
13. Der anstrengendste Teil seines Geschäfts sei es, Retourenscheine auszudrucken und sie auf die Pakete zu kleben. Manchmal sind kleine Investitionen nötig. Pro Monat gingen ein, zwei Druckerpatronen drauf, sagt Herrmann. Neulich erst habe er sich mit 36 Rollen Klebeband ausstaffiert.
14. Ein schlechtes Gewissen jedenfalls hat der Schüler nicht. Wer aufgrund seiner Empfehlung ein Produkt kaufe, das ihn enttäusche, könne es schließlich wieder zurückschicken.