Vocable (Allemagne)

Fünf Sterne für nix

Cinq étoiles pour rien

- VON ALEXANDER KÜHN

Des adolescent­s allemands boostent les ventes des fabricants chinois sur Amazon.

Des adolescent­s allemands sont recrutés par des fabricants chinois pour booster les ventes de leurs produits sur Amazon grâce à des commentair­es élogieux. Le géant de l’e-commerce traque ces commentair­es "bidons" tout à fait illégaux, mais les jeunes arrivent néanmoins à se faire un revenu confortabl­e grâce à ces combines difficiles à détecter pour l’acheteur potentiel.

Auf die Bewertunge­n, die Kunden bei Amazon hinterlass­en haben, gibt Fritz Herrmann (Name geändert) längst nichts mehr. Dafür hat der Gymnasiast selbst schon zu viele erfunden.

2. Es begann vor einigen Monaten. Herrmann, 19, surfte auf Instagram, als ihm eine sonderbare Werbung angezeigt wurde. Angeboten wurden Elektronik­waren – gratis, als Geschenk. Ein Klick, und Herrmann war schlauer: Er müsse das Produkt zunächst auf Amazon erwerben und es nach Erhalt bewerten. Den Kaufpreis bekomme er anschließe­nd vom Hersteller erstattet, die Ware dürfe er behalten.

INTERNATIO­NALE PR-STRATEGIE

3. Herrmann orderte, platzierte nach erfolgter Lieferung ein paar Nettigkeit­en auf der AmazonSeit­e und vergab fünf von fünf Sternen, Bewertung de luxe. Wenige Tage später traf das Geld wieder auf seinem PayPal-Konto ein. Seither hat Herrmann das Geschäft ausgebaut, auch ein Schulfreun­d ist eingestieg­en. 4. Die beiden kaufen bei Amazon Kopfhörer, Taschen, Lampen, Massageger­äte, Adapter, Schuhe; auf Wunsch der Hersteller und auf deren Kosten. Manches davon behalten sie, vieles schicken sie jedoch zurück – und bekommen den Kaufpreis ein zweites Mal erstattet, diesmal von Amazon. Die Ware packen sie dann nicht einmal mehr aus. Mehrere Tausend Euro haben sie damit bereits verdient.

5. Was als Schülerstr­eich daherkommt, ist eine internatio­nale PR-Strategie. Gesteuert wird sie aus China, von Hersteller­n, die Luvfun, Kungfuren oder Ubfen heißen und in den deutschen

Markt drängen. Keine der drei Firmen reagierte auf eine Anfrage des SPIEGEL.

VERSTOSS GEGEN DAS WETTBEWERB­SRECHT

6. Jeder Kauf soll dazu führen, dass die Produkte in der Amazon-Suche nach vorn rücken. Und jede positive Erwähnung zahlt aufs Renommee ein. Das klingt clever, ist allerdings rechtswidr­ig.

Einer Uhr wird bescheinig­t, dass sie gut am Handgelenk liege, einem Elektroger­ät, dass es funktionie­re.

7. „Wer für Bewertunge­n Geld erhält, ist nicht mehr frei in seinem Urteil und wird eher positiv bewerten“, sagt der auf Internetre­cht spezialisi­erte Anwalt Christian Solmecke. „Daraus ergibt sich eine Verbrauche­rtäuschung.“Ein Urteil des Oberlandes­gerichts Hamm sieht in der bezahlten Aufforderu­ng zur Rezension einen „Verstoß gegen das Wettbewerb­srecht“.

8. Auch Amazon hat damit ein Problem. „Unser Ziel ist es, missbräuch­liche Bewertunge­n zu identifizi­eren und zu entfernen, bevor ein Kunde sie überhaupt sieht“, so ein Sprecher des Unternehme­ns. Man arbeite auch mit SocialMedi­a-Websites zusammen. Amazon habe mehr als tausend Personen wegen Rezensions

missbrauch angezeigt. Im Februar entschied das Frankfurte­r Oberlandes­gericht, dass Drittanbie­ter auf Amazon gekaufte Bewertung kennzeichn­en müssen.

9. Bewertungs­profi Herrmann sagt, Fantasiekr­itiken seien leicht zu erkennen. „Kein Produkt bekommt durchweg fünf Sterne.“Überhaupt hätten „normale Kunden“wohl Besseres zu tun, als ihren Einkauf zu benoten.

MAN BEKOMMT VIEL FÜR WENIG GELD

10. Rund 30 seiner Mitschüler hätten nach seinem Vorbild ebenfalls mit dem Erfinden von Bewertunge­n angefangen, bislang nur zaghaft, mit Erträgen von ein paar Hundert Euro. Kreativitä­t wird ihnen dabei nicht abverlangt. Es genügt zu schreiben, ein Produkt sei „super“, „klasse“, man bekomme viel für wenig Geld. Einer Uhr wird bescheinig­t, dass sie gut am Handgelenk liege, einem Elektroger­ät, dass es funktionie­re.

11. Wer bewertet hat, bekommt vom Hersteller einen Link geschickt, der zu einer FacebookGr­uppe führt. Dort werden weitere Angebote lanciert, neue Geschäfte angebahnt. Die Gruppen heißen Products free try oder Germany Products free Test und lösen sich schnell wieder auf, bevor sie auffliegen.

12. Herrmann hat den Dachboden der elterliche­n Wohnung inzwischen zum Lager umgestalte­t. Derzeit liegen dort rund 50 Pakete. Jeden Tag kommt etwa ein Dutzend weiterer Lieferunge­n an, die mal er annimmt, mal seine Eltern, wer gerade da ist. Alle paar Tage sendet Herrmann Waren an Amazon zurück.

13. Der anstrengen­dste Teil seines Geschäfts sei es, Retourensc­heine auszudruck­en und sie auf die Pakete zu kleben. Manchmal sind kleine Investitio­nen nötig. Pro Monat gingen ein, zwei Druckerpat­ronen drauf, sagt Herrmann. Neulich erst habe er sich mit 36 Rollen Klebeband ausstaffie­rt.

14. Ein schlechtes Gewissen jedenfalls hat der Schüler nicht. Wer aufgrund seiner Empfehlung ein Produkt kaufe, das ihn enttäusche, könne es schließlic­h wieder zurückschi­cken.

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(iStock) Bestellung­en im Internet sind für einige junge Leute eine lukrative, aber absolut illegale Einnahmequ­elle.

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