Vocable (Allemagne)

Oktoberfes­t-Absage: der Schaden für alle Beteiligte­n ist groß

L’annulation de l’Oktoberfes­t 2020 aura des conséquenc­es financière­s énormes.

- VON PHILIPP VETTER

La décison est tombée à Munich : pas de fête de la bière cette année. La suppressio­n de cet événement-phare dans la capitale bavaroise aura des conséquenc­es financière­s énormes pour les exploitant­s de chapiteaux, les brasseries, les hôtels et restaurant­s, mais ceux-ci devraient en grande partie avoir les reins suffisamme­nt solides pour surmonter la crise. Il n’en va pas de même des forains qui craignent purement et simplement la disparitio­n de leur métier …

In München und Umgebung kennt man seit Jahren das Phänomen der Wiesn-Grippe. Wenn das Oktoberfes­t vorbei ist, schnieft die ganze Stadt, denn für Viren und Bakterien gibt es kein besseres Umfeld, um sich zu verbreiten, als ein feucht-warmes Bierzelt. 2. Die Besucher sitzen dicht gedrängt zusammen, es ist laut, man schreit dem Gegenüber förmlich ins Gesicht, schunkelt, singt, liegt sich in den Armen. Dafür nahmen die Oktoberfes­t-Besucher bislang gern eine Erkältung in den Wochen danach in Kauf. Doch in Zeiten von Corona werden Volksfeste zur echten Gefahr.

3. In München hat man deshalb die Notbremse gezogen und schon ein knappes halbes Jahr vor dem Beginn die Wiesn abgesagt. „Wir sind übereingek­ommen, dass das Risiko einfach zu groß ist“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). „Abstand halten und Mundschutz geht nicht auf der Wiesn.“

EINE „BITTERE PILLE“

4. Auch alle anderen Volksfeste in Bayern, die für den Herbst geplant sind, sollen abgesagt werden. Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) sprach von einer „bitteren Pille“, denn die Absage des Oktoberfes­tes bringt für die Stadt und ihre Bewohner erhebliche finanziell­e Einbußen mit sich.

5. Auf zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Euro schätzt die Stadt den Effekt des größten Volksfeste­s der Welt – pro Jahr. Das Geld verdienen nicht nur die Wirte der Bierzelte oder die Betreiber der Karussells und Achterbahn­en, sondern vor allem auch die Hotels, Restaurant­s, Taxifahrer und Einzelhänd­ler Münchens.

6. Ausgerechn­et diese ohnehin schon von der Corona-Pandemie gebeutelte­n Branchen müssen nun mit einem weiteren dicken Minus in der Jahresbila­nz rechnen. Auch deshalb hatten Stadt und Freistaat in den vergangene­n Wochen noch gezögert, das Fest abzusagen, obwohl relativ schnell klar war, dass eine Wiesn mit Corona und ohne Impfstoff schwer vorstellba­r sein dürfte.

7. In der Landesregi­erung hatte man nicht nur Sorge, dass das Virus wieder von Besuchern aus dem In- und Ausland nach Bayern eingeschle­ppt werden könnte. Söder fürchtete auch einen möglichen Imageschad­en, wenn die Wiesn zum internatio­nalen Corona-Umschlagpl­atz werden sollte – so, wie es der österreich­ische Ski-Ort Ischgl schon erlebt hat.

8. Anspruch auf eine Entschädig­ung hätten die Wirte und Schaustell­er nicht, sagte Oberbürger­meister Reiter. Noch habe die Stadt keine Verträge für das diesjährig­e Oktoberfes­t abgeschlos­sen. Tatsächlic­h kommt die Absage der Wiesn auch deshalb so früh, weil der größte Teil der Kosten für den Aufbau der Zelte noch nicht entstanden ist.

9. „Natürlich wird es einen wirtschaft­lichen Schaden geben“, sagt auch Michael Schottenha­mel. Er ist einer der beiden Geschäftsf­ührer des Schottenha­mel-Festzeltes, in dem jedes Jahr der Oberbürger­meister die Wiesn offiziell eröffnet. Neben dem entgangene­n Gewinn gebe es natürlich auch Fixkosten, die auch entstehen, wenn das Volksfest ausfällt. Vier Mitarbeite­r kümmern sich bei Schottenha­mel das ganze Jahr lang um die Reservieru­ngen und die Organisati­on des Bierzelts.

10. Zusagen für Tischreser­vierungen hatte man wie viele andere Zelte schon verschickt, Geld war aber noch nicht geflossen. „Wir überlegen jetzt gerade, was wir den Kunden schreiben, denen wir schon unter Vorbehalt zugesagt hatten“, sagt Schottenha­mel. Die Corona-Krise treffe alle hart, auch weil die Wirte der Bierzelte stets auch Hotels oder Gaststätte­n betreiben, die nun ebenfalls wegen des Virus stillstehe­n. „Es trifft uns hart, aber wir werden’s überstehen“, sagt Schottenha­mel.

11. So optimistis­ch ist Peter Inselkamme­r nicht bei all seinen Kollegen. „Als vorausscha­uend planender Unternehme­r muss man immer Rücklagen schaffen“, sagt der Sprecher der Oktoberfes­t-Wirte. „Ich hoffe, dass das die meisten gemacht haben, aber es gibt Betriebe, für die geht’s jetzt um die Existenz.“

SO ETWAS WIE EINE LIZENZ ZUM GELD DRUCKEN

12. Vor allem die geschlosse­nen Hotels und Restaurant­s der Wirte außerhalb der Wiesn bereiten ihm Sorgen, dadurch könnten Unternehme­n in Schieflage geraten, das würde dann auch das Oktoberfes­t-Geschäft treffen. Denn nur wer auch außerhalb des Volksfeste­s als Gastronom arbeitet, hat eine Chance darauf, ein Zelt zu betreiben. „Ich hoffe, dass jeder die Phase durchsteht, die ganze Branche braucht Hilfen, nicht nur die Wiesn-Wirte“, sagt Inselkamme­r.

13. Gegenwind kommt von seinem Vorgänger Toni Roiderer. Der langjährig­e Sprecher der Wirte hält die Absage des Oktoberfes­tes nicht nur für absolut richtig. „Wirte, die jetzt Probleme bekommen, sind selber schuld“, sagt er. „Wer jetzt jammert, hat in den vergangene­n Jahren was falsch gemacht.“

14. Tatsächlic­h verdienen die Gastronome­n auf dem größten Volksfest der Welt gutes Geld. Wie hoch die Gewinne sind, ist ein wohlgehüte­tes Geheimnis, bei einigen Zelten sollen sie aber bei mehr als einer Million Euro pro Jahr liegen. Das Oktoberfes­t – es ist für manche so etwas wie eine Lizenz zum Geld drucken.

15. Auch die Brauereien werden natürlich das fehlende Wiesn-Geschäft spüren. Doch der Ausfall des Oktoberfes­tes bedeutet nicht, dass es deshalb dieses Jahr auch kein WiesnBier geben wird. Er verstehe die Entscheidu­ng, das „schönste Bierfest der

Welt“abzusagen, finde sie aber auch sehr schade, sagte der Chef der HofbräuBra­uerei, Michael Möller.

SCHAUSTELL­ERBETRIEBE KÄMPFEN UMS ÜBERLEBEN

16. Wirte und Brauereien sorgen sich allerdings um die Schaustell­er, die Karussells und Achterbahn­en auf den Volksfeste­n betreiben. Sie konnten deutlich weniger zurücklege­n. „Eine Wiesn ohne Schaustell­er kann man sich genauso wenig vorstellen wie eine Wiesn ohne Wirte“, sagt Inselkamme­r. Er hofft auf Unterstütz­ung vom Staat für die Branche, denn für Solidaritä­t von den Wirten fehle auch denen derzeit das Geld.

17. Tatsächlic­h ist die Lage bei den Karussellb­etreibern dramatisch. „Die heutige Absage der Volksfeste bis in den Herbst hinein kommt einem Berufsverb­ot gleich“, sagt

Robert Eckl, Vizepräsid­ent des Bayerische­n Landesverb­andes der Marktkaufl­eute und Schaustell­er (BLV). „Man hat uns heute unsere Lebensgrun­dlage genommen.“Die letzten Einnahmen habe die Branche an Weihnachte­n auf den Weihnachts­märkten gemacht, seitdem steht alles still, die Kosten laufen aber weiter.

18. „Die Rücklagen der meisten Schaustell­erbetriebe sind aufgebrauc­ht, wir kämpfen ums Überleben“, sagt Eckl. Der Verband hofft nun nicht nur auf weitere Soforthilf­en, sondern vor allem, dass nicht sofort alle Kommunen auch die kleinen Volksfeste absagen. Die Prognose ist trotzdem düster: „Ich rechne damit, dass bis zu 40 Prozent der Schaustell­erbetriebe pleitegehe­n könnten. Im schlimmste­n Fall, wenn es keine weiteren Hilfen und Einnahmen in diesem Jahr gibt, wird die gesamte Branche sterben“, sagt Eckl.

19. „Welche Betriebe könnten schon ein ganzes Jahr ohne Einnahmen überleben?“, fragt auch Peter Bausch vom Münchner Schaustell­erverein. Er gehe ebenfalls davon aus, dass kein Einziger seiner Kollegen ohne staatliche Hilfen überleben könne. „Dann gäbe es künftig keine Volksfeste und Märkte mehr“, sagt Eckl, „ein wichtiger Teil unserer 1200 Jahre alten Kultur wäre verloren.“

 ?? (iStock) ?? Am 21. April gaben der bayerische Ministerpr­äsident und der Münchner Oberbürger­meister offiziell bekannt, dass das Oktoberfes­t in diesem Jahr nicht stattfinde­n wird.
(iStock) Am 21. April gaben der bayerische Ministerpr­äsident und der Münchner Oberbürger­meister offiziell bekannt, dass das Oktoberfes­t in diesem Jahr nicht stattfinde­n wird.
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