IM TAL DES TODES
Dans la vallée de la mort
II y a quelques années, une découverte majeure a secoué la scène archéologique. Sur les bords de la rivière Tollense en Mecklembourg-Poméranie-Occidentale, plus de 12 000 os humains ont été retrouvés. Jusqu’à présent, les chercheurs étaient unanimement convaincus que s’était déroulée ici il y a 3300 ans la première guerre en Europe. Cette spectaculaire hypothèse est aujourd’hui remise en question.
Die zertrümmerten Schädel mit Hammerkeulen aus Schlehenholz. Sie stachen mit Lanzen, Schwertern und Dolchen zu, spannten die Bögen und ließen Pfeile vom Himmel regnen.
2. Danach lagen blutige Leiber im Morast. Andere trieben davon oder sanken auf den Grund des Flusses, der heute Tollense heißt und noch immer weitgehend durchs gleiche Bett mäandert wie vor 3300 Jahren.
3. Das bronzezeitliche Massaker in Mecklenburg-Vorpommern ist eines der großen Mysterien der Vorgeschichte. Weit mehr als 12 000 Skelettteile wurden seit 1996 ausgegraben, und noch immer kommen fast wöchentlich weitere hinzu. Eines der eindrucksvollsten Fundstücke ist ein Schädel, in dem eine
Spitze aus Bronze steckt.
4. Nirgendwo sonst in Europa wurden Hinweise auf ein älteres Gewaltereignis dieser Art und Größenordnung entdeckt. Fand beim Dörfchen
Weltzin, das über einen Feldweg zu erreichen ist, womöglich der erste Krieg auf unserem
Kontinent statt?
5. Die Entdeckungen vom Flussufer, darunter auch etliche Waffen, Schmuckstücke und Pferdeknochen, sorgten weltweit für Begeisterung. Hunderte Aufsätze, Artikel und Fernsehberichte wurden veröffentlicht, hinzu kam eine erfolgreiche Ausstellung, die die Theorie vom ersten
Krieg weiter beförderte. Doch jetzt werden Zweifel laut, ob sich das Narrativ vom Aufeinandertreffen zweier „Armeen“halten lässt.
NEUE DEBATTE AUSGELÖST
6. Ausgerechnet Mecklenburg-Vorpommerns Landesarchäologe Detlef Jantzen, 56, rückt vom publikumsträchtigen Kriegsszenario ab und favorisiert nun eine andere Theorie: Das blutige Treiben am Fluss sei demnach kein Kampf zweier Heere gewesen, sondern ein Überfall auf eine große Handelskarawane, verübt von Räubern, die mit äußerster Brutalität vorgingen. Die Aussage, dass es viele Hunderte Tote gegeben habe, werde er nicht mehr wiederholen, sagt Jantzen.
7. Jantzen löst damit eine neue Debatte über eine der wichtigsten Entdeckungen der deutJohannes schen Archäologiegeschichte aus. Dabei geht es nicht nur um die Frage, was sich im Tollensetal ereignete, sondern auch darum, wie weit Archäologen generell bei der Interpretation von Knochen und anderen Funden gehen dürfen.
8. Sollte sich herausstellen, dass sich an der Tollense „nur“Räuber und Händler gegenüberstanden, aber keine Armeen, wären die Ausgrabungen bestenfalls noch halb so spektakulär. Ein Krieg würde schließlich auf die Existenz von bisher unbekannten, bronzezeitlichen Organisationsstrukturen hindeuten, womöglich auf eine Art Reich mit einem mächtigen Herrscherhaus an der Spitze, das an der Tollense Land, Freiheit oder etwas anderes verteidigen wollte. Ein „Überfall“wäre lediglich ein weiterer Beleg für die bereits bekannte Tatsache, dass es vor 3300 Jahren nicht nur im Alten Ägypten und in Mesopotamien, sondern auch auf dem europäischen Kontinent schon ausgiebigen Fernhandel mit Kupfer, Zinn, Wolle und anderen Gütern gab.
EIN UNGEWÖHNLICHER BEFUND
9. Es sind unter anderem neue Forschungsergebnisse aus Mainz, die den Landesarchäologen zum Umdenken bewegten. An der dortigen Gutenberg-Universität wurden Überreste untersucht, die von Tollenseopfern stammen. Deren Skelette brachen im Laufe der Zeit durch Verwesung und Fließwasser auseinander, und so fanden sich meist nur wild verstreute Überreste am Ufer, die nicht mehr im anatomischen Verband lagen.
10. Die meisten Knochen wurden bei vorherigen anthropologischen Untersuchungen Männern im Alter zwischen 18 und 40 Jahren zugerechnet. Bei den Mainzer DNA-Analysen zeigte sich jedoch, dass einige der Überreste in Wahrheit von Frauen stammten. Ein ungewöhnlicher Befund. Handelte es sich etwa um kriegserprobte Amazonen, die selbst das Schwert führten? Oder doch eher um Kauffrauen, die zu einer Karawane gehörten?
11. Die Theorie vom Überfall auf vergleichsweise wehrlose Kaufleute scheint auch deshalb schlüssig, weil der Weg durch das Tollensetal mit großer Wahrscheinlichkeit eine wichtige Strecke für den Fernhandel war: Bei den Ausgrabungen stießen die Archäologen auf Überreste einer Trasse aus Holz. Das Bauwerk war zum Zeitpunkt des Massakers laut einer den
drochronologischen Untersuchung schon mindestens 500 Jahre alt und immer wieder ausgebessert worden.
KRIEGER ODER RÄUBER?
12. Entdeckt wurde der Übergang von Joachim Krüger, einem Archäologen und Historiker an der Universität Greifswald, der seit vielen Jahren an den Tollenseforschungen beteiligt ist. An einem nebligen Tag Anfang November parkt der 49-Jährige sein Auto unter einer alten Eiche in Weltzin und trifft sich dort mit Ronald Borgwardt, 52. Der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger und Sporttaucher ist fast täglich im „Tal des Todes“, wie er es nennt. Immer wieder stößt er dabei auf Knochen und andere Andenken, die vom Massaker übrig geblieben sind.
13. Durchs nasse Gras gehen die beiden Männer zum Fluss hinunter. Kurvenreich und schnell fließt die Tollense dahin, manchmal bis zu vier Meter tief. Nach 20 Minuten erreichen Krüger und Borgwardt eine ausladende Weide. Direkt daneben verlief die alte Trasse, die mit etwa drei Metern breit genug für Karren und Packtiere war, zum Beispiel Pferde. „Dieser Ort war über
Jahrhunderte hinweg ein strategisch wichtiger Punkt für den Handel“, glaubt Krüger. Dennoch mag er sich nicht für die Überfalltheorie des Landesarchäologen Jantzen erwärmen.
14. Es sei vor allem die schiere Anzahl an Knochen, die auf ein Schlachtgeschehen hindeuteten, sagt der Historiker. Die bisher gefundenen Skelettreste lassen sich mindestens 144 Individuen zuordnen, doch die Zahl der tatsächlich Getöteten dürfte deutlich höher gewesen sein. Schließlich ist bisher höchstens ein Viertel des potenziellen Schlachtfelds erforscht worden.
15. Hinzu kommt, dass nur Skelettreste jener Körper erhalten blieben, die im moorigen Untergrund versanken oder im Fluss landeten. Menschen, die abseits des Uferbereichs getötet wurden, wären erst von Tieren angefressen und dann innerhalb weniger Jahre zersetzt worden. Zudem besteht die Möglichkeit, dass etliche Leichen an anderer, bisher unbekannter Stelle bestattet wurden. 16. Modellrechnungen, die angestellt wurden, deuten darauf hin, dass bei dem Gewaltereignis an der Tollense womöglich 4000 Menschen beteiligt waren – und mehr als 1000 davon ums Leben kamen. Spezifische Verletzungen, die an den Knochen nachgewiesen wurden, lassen auf einen Pfeilhagel schließen, dem zahlreiche Menschen zum Opfer fielen. An die Anwesenheit vieler Frauen, wie sie nach den Analysen aus Mainz in einigen Medienberichten unterstellt wurde, glaubt Krüger nicht.
17. Waren also Männer aus dem heutigen Tschechien und Polen an dem Massaker im Tollensetal beteiligt? Handelte es sich dabei um Krieger oder um Räuber? Oder waren es harmlose Kaufleute, die im heutigen MecklenburgVorpommern ihre Waren anbieten wollten?
18. Vielleicht stoße man irgendwann auf die Überreste einer Burg oder eines Grabes, sagt Joachim Krüger. Vielleicht tauchten darin Hinweise auf einen Bronzezeitfürsten auf, der die Macht hatte, viele Hundert Männer in einen gemeinsamen Kampf zu führen, womöglich gegen Invasoren aus dem Südosten. „Die Wahrheit könnte noch immer im Boden stecken“, mutmaßt Krüger während des Spaziergangs am Tollenseufer. Man müsse sie nur finden.
Die Theorie vom Überfall auf vergleichsweise wehrlose Kaufleute scheint auch schlüssig.
1. zertrümmert défoncé / der Schädel(-) le crâne / die Hammerkeule la masse d’arme / das Schlehenholz le bois de prunelier / zu-stechen(a,o,i) donner un coup / die Lanze la lance / das Schwert(er) l’épée / der Dolch(e) le poignard / den Bogen(¨) spannen tendre l’arc / der Pfeil(e) la flèche.
2. danach ensuite / blutig sanglant / der Leib(er) le corps / der Morast le marécage / davon-treiben(ie,ie) flotter, dériver / auf den Grund des Flusses sinken(a,u) couler au fond de la rivière / weitgehend dans une large mesure / mäandern serpenter, suivre des méandres.
3. bronzezeitlich de l’âge du bronze / die Vorgeschichte la préhistoire / weit mehr als bien plus de / aus-graben(u,a,ä) exhumer, mettre au jour / hinzu-kommen s’ajouter / wöchentlich toutes les semaines / weiter≈ autre / eindrucksvoll impressionnant / das Fundstück(e) la découverte / die Spitze la pointe / in … stecken être planté dans …
4. nirgendwo sonst nulle part ailleurs / der Hinweis(e) auf l’indice de / das Gewaltereignis l’événement violent / die Art le genre / die Größenordnung l’ordre de grandeur / entdecken découvrir / statt-finden se dérouler / der Feldweg(e) le chemin rural / erreichen atteindre / womöglich peut-être.
5. die Entdeckung la découverte / das Flussufer la berge de la rivière / darunter dont / etliche quelques / die Waffe l’arme / das Schmuckstück(e) le bijou / der Knochen l’os / für Begeisterung sorgen créer l’engouement / weltweit dans le monde entier / der Aufsatz(¨e) la dissertation, l’essai / der Fernsehbericht(e) le reportage de télévision / veröffentlichen publier / erfolgreich réussi / die Ausstellung l’exposition /
befördern favoriser, promouvoir / laut werden s’élever / der Zweifel(-) le doute / das Narrativ l’histoire / das Aufeinandertreffen l’affrontement / sich halten lassen se tenir, être défendable.
6. ausgerechnet précisément / von … ab-rücken s’écarter de … / publikumsträchtig à fort impact auprès du public / das Treiben les agissements, les faits / demnach selon cette théorie / der Kampf le combat / das Heer(e) l’armée / der Überfall l’agression, l’attaque / die Handelskarawane la caravane commerciale / verüben perpétrer / der Räuber le pillard / äußerst≈ extrême / vor-gehen procéder / die Aussage le message / wiederholen répéter.
7. aus-lösen déclencher / sich ereignen se passer / das Tal(¨er) la vallée / wie weit darf man gehen jusqu’où peut-on aller / der Fund(e) la découverte.
8. sich heraus-stellen s’avérer / sich gegenüberstehen s’affronter / der Händler le marchand / die Ausgrabungen les fouilles / bestenfalls au mieux / halb so moitié moins / schließlich finalement / auf etw hin-deuten indiquer qqch / eine Art une sorte de / das Reich le royaume / mächtig puissant / das Herrscherhaus la dynastie, la famille régnante / an der Spitze à sa tête / verteidigen défendre / lediglich seulement / weiter≈ autre / der Beleg(e) la preuve / die Tatsache le fait / ausgiebig abondant / der Fernhandel le commerce international / das Kupfer le cuivre / das Zinn l’étain / die Wolle la laine / das Gut(¨er) le bien, la marchandise.
9. das Forschungsergebnis le résultat de recherches / Mainz Mayence / jdn zu … bewegen amener qqn à … / um-denken changer d’opinion / dortig≈ de la ville /
die Überreste les restes, la dépouille / untersuchen étudier, examiner / von … stammen provenir de … / das Opfer la victime / auseinander-brechen(a,o,i) se disloquer / die Verwesung la décomposition / das Fließwasser l’eau courante / meist généralement / wild verstreut dispersé au hasard / im anatomischen Verband relié anatomiquement.
10. die meisten … la plupart des … / vorherig≈ précédent / die Untersuchung l’examen, l’étude / jdm zugerechnet sein être attribué à qqn / die DNA-Analyse l’analyse d’ADN / in Wahrheit en réalité / ungewöhnlich inhabituel / der Befund(e) la découverte / es handelt sich um il s’agit de / kriegserprobt aguerri / das Schwert führen manier l’épée / eher plutôt / die Kauffrau la marchande / zu … gehören faire partie de …
11. vergleichsweise relativement / wehrlos sans défense / deshalb …, weil parce que / schlüssig concluant / mit großer Wahrscheinlichkeit avec une grande probabilité / die Strecke la route / auf etw stoßen(ie,o,ö) tomber sur qqch / die Trasse la voie, le pont / das Bauwerk la construction / zum Zeitpunkt au moment / laut selon /
dendrochronologisch dendrochronologiques / mindestens au moins / immer wieder régulièrement / aus-bessern réparer.
12. der Übergang le passage / an einer Sache beteiligt sein participer à qqch / neblig brumeux / die Eiche le chêne / sich mit jdm treffen(a,oni) retrouver qqn / ehrenamtlich benévole / der Bodendenkmalpfleger le spécialiste de la conservation des sols / der Sporttaucher le plongeur sous-marin / täglich tous les jours / das Andenken le souvenir, la relique / übrig-bleiben rester.
13. nass humide / hinunter-gehen descendre / kurvenreich tortueux / dahin-fließen(o,o) couler / tief de profondeur / ausladend accueillant / die Weide la pâture / direkt daneben juste à côté / verlaufen passer / x Meter breit x mètres de large / der Karren la charrette / das Packtier(e) l’animal de bât / der Ort(e) l’endroit / über Jahrhunderte hinweg durant des siècles / sich für … erwärmen se passionner pour, se convaincre de …
14. die schiere Anzahl an le nombre impressionnant de / auf etw hin-deuten indiquer qqch / das Schlachtgeschehen les combats, la bataille / bisher jusqu’à présent / einer Sache zu-ordnen attribuer à qqch / mindestens au moins / tatsächlich réellement / der Getötete la personne tuée / höchstens tout au plus / das Viertel(-) le quart / das Schlachtfeld(er) le champ de bataille / erforschen explorer.
15. erhalten bleiben être conservé / moorig marécageux / der Untergrund le sous-sol / versinken(a,u) couler, être enfoui / in … landen atterrir dans … / abseits + gén. à l’écart / der Uferbereich les berges / an-fressen(a,e,i) manger / innerhalb von en (l’espace de) / zersetzen décomposer / zudem en outre / es besteht die Möglichkeit il est possible / etliche certains / die Leiche le cadavre, le corps / die Stelle l’endroit / bestatten enterrer.
16. die Modellrechnung la modélisation / an-stellen procéder à, réaliser / ums Leben kommen perdre la vie / die Verletzung la blessure / nach-weisen(ie,ie) déceler / auf etw schließen lassen permettre de conclure à, suggérer qqch / der Pfeilhagel la grêle, la pluie de flèches / einer Sache zum Opfer fallen(ie,a,ä) succomber à qqch / die Anwesenheit la présence / der Medienbericht(e) le reportage, l’article / unterstellen supposer, émettre l’hypothèse de.
17. heutig≈ actuel / der Krieger le guerrier / harmlos inoffensif / die Ware la marchandise / an-bieten(o,o) proposer, vendre.
18. irgendwann à un moment donné / die Burg(en) le château / das Grab(¨er) la tombe / auf-tauchen apparaître / der Fürst(en) le prince, le seigneur / die Macht le pouvoir / die Wahrheit la vérité / in … stecken être dans … / der Boden le sol / mutmaßen supposer.