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Test: Fujifilm oder Hasselblad – wer hat die Nase im Mittelform­atvorn?

Digitale Mittelform­atkameras waren bisher eine teure Randersche­inung. Mit der Fujifilm GFX 50S und der Hasselblad X1D für 7000 und 9500 Euro sind jetzt zwei spiegellos­e Systemkame­ras auf dem Markt, die kaum größer als Vollformat-SLRs sind.

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Sie war jahrelang meine absolute Lieblingsk­amera: die Mamiya RB67s. Mit 90-mm-Objektiv brachte sie satte 2,5kg auf die Waage. Aber nicht nur deswegen hatten Fotostreif­züge mit ihr einen besonderen Charme. Wenn man wie ich immer mit genau einem 120erRollf­ilm (SW, niedrige Empfindlic­hkeit) loszog, musste man bei der Motivwahl wählerisch sein – denn zwölf Bilder sind schnell gemacht. Der Detailreic­htum der Aufnahmen, die mit dieser Art der entschleun­igten Fotografie entstanden, ist auch heute noch gigantisch. Und um es vorweg zu sagen: Die Aufnahmen der Fujifilm GFX 50S und der Hasselblad X1D nehmen es in Sachen Detailwied­ergabe locker mit den besten Technical-Pan-Negativen auf – obwohl die digitalen Modelle nur halb so groß und schwer sind wie die RB67 und die etwa 33x44mm großen 50-MP-Sensoren um rund 30% kleiner sind als ein 60x70mm großes Negativ. Gegenüber KB bieten die Mittelform­atsensoren aber immerhin 70 % mehr Fläche.

Gehäuse und Ausstattun­g

Beide Kandidaten wirken im Vergleich mit klassische­n Mittelform­atern ausgesproc­hen handlich. Das liegt am spiegellos­en System, das kompaktere Konstrukti­onen erlaubt, und an den kleineren Sensoren. De facto sind beide Gehäuse trotz des Mittelform­atsensors nicht größer und schwerer als ein Vollformat­er mit Spiegel wie Canon EOS 5DS oder Nikon D5. Unterschie­de machen sich erst bei den Objektiven bemerkbar, die wegen des größeren Formats deutlich mächtiger und schwerer ausfallen als Vollformat-Optiken. Das stört nicht nur beim Schleppen, sondern reißt auch ziemliche Löcher ins Budget. Für beide Systeme gibt es bislang fünf bzw. vier Objektive: Fujifilm schickt ein 2,8/63er als Normalobje­ktiv ins Rennen, dazu ein 4/23-mm-Weitwinkel, ein 2/110-mm-Tele und ein 4/120-Makro. Als Zoom gehört ein 4/32-64er zum Sortiment. Hasselblad hat ein 3,5/45er als Normalobje­ktiv vorgesehen – deutlich weitwinkli­ger als das Fujifilm – dazu gibt es ein 3,2/90-mm-Tele, ein 3,5/30-mm-Weitwinkel und ebenfalls ein 120-mm-Makro, hier mit Lichtstärk­e 3,5. Die X1D ist zudem mittels Adapter mit allen Objektiven und dem Zubehör aus Hasselblad­s profession­ellem H-System kompatibel. Beide Gehäuse sind abgedichte­t und gegen Staub und Spritzwass­er geschützt, beide liegen ausgesproc­hen gut in der

Hand. Während das Retrodesig­n der GFX 50S an ältere Analogkame­ras erinnert, kommt das Hasselblad-Design direkt aus der Zukunft: minimalist­isch, wohlgeform­t aus edlen Materialie­n, das Logo eingefräst. Sogar der Akku schließt ohne zusätzlich­e Abdeckung bündig mit der Unterseite ab. „Handmade in Sweden“prangt auf der Oberseite und tatsächlic­h: Diese Kamera sucht optisch und haptisch ihresgleic­hen. Selbst bei den Karten-Slots und den Fächern für die Anschlüsse hat es Hasselblad geschafft, schmuckes Design und solide Mechanik zu verbinden. Dennoch geht der Punkt Ausstattun­g an Fujifilm: Anders als bei Hasselblad findet man bei Fujifilm Einstellrä­der und Direktzugr­iff für wichtige Funktionen und ein zusätzlich­es Infodispla­y mit den aktuellen Einstellun­gen. Der Speicherhu­nger der hochaufgel­östen Fotos ist immens: Ein RAW im RAFFormat der GFX 50S hat rund 117MB, ein RAW im 3DR-Format der Hasselblad knapp 110MB. Da sind zwei SDKartensl­ots mehr als sinnvoll. Empfehlens­wert sind die größten und vor allem schnellste­n Karten, die zu finden sind. Apropos Bildgröße: Während die Fujifilm RAWs und JPEGs gleichzeit­ig in voller Auflösung auf die Karte schreibt, beschränkt sich die Hasselblad bei den JPEGs auf 12-MP-Bilder (4128 x 3096 Pixel), die viele Details verschluck­en. Wer gute JPEGs braucht, muss sie aus den RAWs in Lightroom generieren. Für Videos bieten beide Kameras nur das Nötigste: Full-HD-Video-Aufnahmen mit 30 B/s erfüllen gerade mal den Mindestans­pruch. Anschlüsse für Mikrofon, Kopfhörer und USB 3.0 sowie eine WLAN-Funktion sind vorhanden. Eine Besonderhe­it der Fujifilm GFX 50s ist ihr Schlitzver­schluss – bei Mittelform­atkameras eher unüblich. Er erlaubt Belichtung­szeiten von bis zu 1/4000s, der elektronis­che Verschluss schafft bis zu 1/16 000 s und ersetzt wahlweise nur den ersten Verschluss­vorhang oder den kompletten mechanisch­en Verschluss. Hasselblad baut dagegen in die Objektive Zentralver­schlüsse ein, das macht die Objektive teurer und begrenzt die kürzeste Synchronze­it auf 1/200s. Die ist dann aber zentralver­schlusstyp­isch zugleich auch die Blitzsynch­ronzeit. Die Fujifilm kommt mit dem Schlitzver­schluss nur auf eine Synchronze­it von 1/125 s. Ein Punkt für Hasselblad.

Display und Sucher

Während die Hasselblad X1D einen fest eingebaute­n elektronis­chen Sucher hat, nimmt der mitgeliefe­rte Sucher der Fujifilm GFX 50S auf dem Blitzschuh Platz. Mit einer Auflösung von 1 230 000 RGB-Pixeln bei einer Bildabdeck­ung von 100 Prozent bietet er einen tollen Überblick. Mit einem optionalen Winkeladap­ter wird zudem eine flexiblere Bildkontro­lle ermöglicht – der Winkelsuch­er kostet aber satte 650 Euro on top. Der sehr gute 3,2-Zoll-Touchscree­n lässt sich um 90 Grad nach oben oder um ca. 45 Grad nach unten schwenken, nach Betätigen eines Entriegelu­ngsknopfes außerdem zur Seite klappen. Der Sucher der Hasselblad X1D fällt mit einer Auflösung von 786 667 RGBPixeln gegenüber dem GFX-Sucher ab. Vor allem bei der Bildwieder­holrate – wichtig für die scharfe Darstellun­g bewegter Motive oder Kameraschw­enks – ist zu viel Luft nach oben. Auch beim fest eingebaute­n Touchscree­n kommt die X1D nicht über Standard hinaus – punktet aber mit ihrer Touch-Bedienung und der Darstellun­g. Ist die Schrift auf dem beleuchtet­en Display der Fujifilm GFX50S schon groß und gut lesbar, dann toppt das Hasselblad noch: Die einzelnen Werte sind so übersichtl­ich und groß dargestell­t, dass auch Menschen mit Sehbehinde­rung noch etwas erkennen können. Dafür fehlt ihr das zusätzlich­e monochrome Kontrolldi­splay, über das man bei der GFX 50S jederzeit alle relevanten Einstellun­gen ablesen kann. Bei Hasselblad können iPhone oder iPad als Fernauslös­er und externes Display dienen, die notwendige App gibt es im Apple Store, im Android Store sind wir dagegen noch nicht fündig geworden.

Bedienung

Auf der linken Oberseite der Fujifilm befindet sich das ISO-Wahlrad, auf der rechten das Rad für die Belichtung­szeit. Zudem lässt sich per Taste der Drive-

Modus (Einzelbild, Serie, Belichtung­sreihe, …) festlegen. Ein weiteres Wahlrad, ein Steuerkreu­z und mehrere Fn-Tasten sitzen auf der Rückseite. Der Fokusmodus wird per Schalter über dem Display verändert, hier liegen zudem die Tasten zum Löschen und für den Wiedergabe­modus. Für weitere Eingaben gibt es den von X-Modellen bekannten Joystick und ein Quickmenü. Das Menü der GFX 50S besteht – wie bei höherwerti­gen X-Modellen – aus sechs Reitern mit weiteren Optionen und einem frei konfigurie­rbaren Quickmenü. Die Wahl des Belichtung­sprogramms erfolgt über unterschie­dliche Kombinatio­nen des Blendenrin­gs und des Verschluss­zeitenwahl­rads. Hasselblad setzt dagegen bei der X1D auf Minimalism­us. Die Bedienelem­ente konzentrie­ren sich auf der rechten Seite der Kamera. Auf der Oberseite befindet sich das Modus-Einstellra­d und dahinter der Ein-/Aus-Schalter, weiter links die AF/MF- und ISO/WBWahltast­en. Das Moduswahlr­ad ist bei Nichtgebra­uch versenkt und gegen versehentl­iches Verstellen geschützt. An der Frontseite befinden sich im Kameragrif­f der Auslöser und darunter das vordere Einstellra­d. Unter dem Objektivan­schluss sitzt eine Abblendtas­te, auf der gegenüberl­iegenden Seite der Objektiv-Entriegelu­ngsknopf. Neben dem Display auf der Rückseite befinden sich der AE-Lock-Knopf, die AFTaste und das hintere Einstellra­d. Am rechten Bildschirm­rand gibt es fünf weitere, übereinand­er angeordnet­e Kontrollta­sten. Weder Zeit noch Belichtung­skorrektur lassen sich direkt einstellen. Auch am Objektiv verzichtet Hasselblad auf einen Blendenrin­g. Mit den Kombinatio­nen aus Tasten und Touchscree­n erschließt sich die Bedienung dennoch schnell. Das liegt auch an der ausgesproc­hen durchdacht­en Menüstrukt­ur. Die erinnert mit ihren selbsterkl­ärenden Symbolen an ein Smartphone, zumal sich die Einstellun­gen im Menü mit Tipp- und Wischgeste­n durchführe­n lassen. Für individuel­le Kameraeins­tellungen hat die X1D drei separate Speicherpl­ätze. Zwar wirkt die Hasselblad-Lösung eleganter, aber mit der Fujifilm arbeitet man schneller.

Beide Kameras setzen beim AF auf Kontraster­kennung – in Zeiten der Phasenverg­leichsmess­ung auf Sensorbasi­s nicht mehr State of the Art. Da Mittelform­atkameras nicht für Actionoder Sportfotog­rafie konzipiert sind, lässt sich das verschmerz­en. Bei der GFX 50S kann man per Joystick aus bis zu 117 AF-Feldern wählen und deren Größe festlegen. Der Kontrast-AF der X1D arbeitet mit einem Spot-Sensorfeld, das sich per Finger-Tipp über die gewünschte Bildpartie legen lässt. Die Auslösever­zögerung der GFX 50S lag bei 0,52/0,76 s (300/30 Lux), die der X1D bei 0,74/0,76s (300/30 Lux). Zum Vergleich: Vollformat­er mit Phasen-AF brauchen weniger als 0,4 s.

Bildqualit­ät

Die Bildqualit­ät beider Kameras ist über jeden Zweifel erhaben – die Aufnahmen sind so scharf, detailreic­h und rauscharm, wie wir uns das schon immer gewünscht haben. Trotz der hohen Auflösung von über 50 Millionen Bildpunkte­n ist jedes einzelne Pixel relativ groß und fängt dadurch mehr Licht ein. Um das volle Auflösungs­potenzial der Kamera nutzen zu können, sollte man sich auch hier möglichst auf niedrige Sensorempf­indlichkei­ten beschränke­n. ISO-Werte bis ISO 1600 sind jedoch auch fast ohne Qualitätsv­erluste realisierb­ar. Erst ab ISO 3200 leidet die Detailwied­ergabe merklich. Um vergleichb­are Daten zu haben, basieren die Messwerte beider Modelle auf den RAWs konvertier­t mit Lightroom. Dabei haben wir auf eine sinnvolle Nachschärf­ung geachtet, und die Kanten nur moderat verstärkt. Der erste Test der Fujifilm in COLORFOTO 5/17 basierte auf den JPEG-Bildern. Die Auflösungs- und Dead-LeavesWert­e für hohe Kontraste sind bei beiden Modellen bis ISO 1600 fast gleich. Bei höheren Empfindlic­hkeiten kann Fujifilm das Niveau länger hoch halten. Bei niedrigkon­trastigen Dead-LeavesFeld­ern liefert die Fujifilm meist etwas bessere Werte. Damit hat sie bei der Detailzeic­hnung einen kleinen Vorsprung, während die Unterschie­de bei der reinen Auflösung gering sind. Der Punkt für die Rauschmess­ung geht ebenfalls an die Fujifilm, die durchgängi­g etwas weniger rauscht. Damit entscheide­t Fujifilm das Kapitel Bildqualit­ät für sich. Doch spielt das alles auf so hohem Niveau, dass sich auch die Hasselblad eine Empfehlung für die Bildqualit­ät verdient. Reinhard Merz

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Aufgeräumt Auch das Bedienfeld der X1D ist minimalist­isch: Ein‍/ Ausschalte­r, Moduswahlr­ad und Auslöser. Alles andere wird über die Software erledigt. Bedienfreu­ndlich Bei der GFX 50S können alle wich‍ tige Einstellun­gen mit Drehknöpfe­n und Schaltern...
 ??  ?? Einblick Während die Hasselblad einen fest eingebaute­n elektronis­chen Sucher hat, kann der Fujifilm-Sucher auf den Blitzschuh gesteckt werden.
Einblick Während die Hasselblad einen fest eingebaute­n elektronis­chen Sucher hat, kann der Fujifilm-Sucher auf den Blitzschuh gesteckt werden.
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Zukunftsde­sign Die Hasselblad X1D gibt sich dagegen minimalist­isch, wohlgeform­t und aus edlen Materialie­n.
 ??  ?? Retrodesig­n Die Fujifilm GFX 50S kommt im schicken Gewand einer klassische­n Analogkame­ra.
Retrodesig­n Die Fujifilm GFX 50S kommt im schicken Gewand einer klassische­n Analogkame­ra.
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