Portfolio „Liquid-Art“
Tropfen auf Tropfen bilden fantasievolle Skulpturen. Mithilfe von HighspeedVerschlusszeiten lassen sich nie gesehene Wasserformationen festhalten. fc-Fotografin Nicola Gehrt macht sogenannte TaT-Aufnahmen mit Leidenschaft und verrät schrittweise, wie die
Fotos von Nicola Gehrt
Wasser ist das Element des Lebens, jeder braucht es in allen Variationen tagtäglich zum Leben. Doch nur wenige kennen die für das menschliche Auge unsichtbaren, magischen Skulpturen, die das Wasser bilden kann. Mithilfe der Highspeed-Fotografie und dem passenden Zubehör ist es möglich, einen kleinen Bruchteil einer Sekunde im Bild einzufrieren und damit die schönsten Wasserformationen festzuhalten. Nicola Gehrt hat sich die Technik der TaT-Fotografie (Tropfen-auf-TropfenFotografie) autodidaktisch durch Internet-Videos und dem Austausch in der fotocommunity angeeignet (siehe Kasten „Tipps zur TaT-Fotografie“). „Durch das Stöbern im Internet lernt man Techniken und Ideen kennen und setzt sie dann selber um und entwickelt sie weiter, natürlich mit den eigenen Vorstellungen und eigenem Stil“, erzählt die Fotografin.
Das richtige Zubehör
Das Wichtigste neben dem richtigen Zubehör ist für Gehrt erfahrungsgemäß, dass sie ausreichend Zeit hat, da die Bilder viel Vorbereitung und Experimentieren erfordern, bis man zu den Ergebnissen kommt, die man haben möchte. „Es ist also eine ideale Beschäftigung für die dunkle Jahreszeit“, empfiehlt die Fotografin. Unentbehrlich sind für Gehrt mindestens zwei entfesselte Systemblitzgeräte, die eine kürzere Abbrenndauer als Studioblitze haben, um die erforderlichen HighspeedAufnahmen zu realisieren. Für ihre ersten Versuche nutzte sie zwar noch ein klassisches Infusionsset, etwa bei dem Bild „Auf die Spitze getrieben“. Die Kamera hatte sie mit einem Funkauslöser per Hand ausgelöst. „Damit kommt man allerdings schnell an seine Grenzen. Wenn man erst einmal angefangen hat, will man auch immer mehr“, sagt Gehrt heute. Als wertvolles Zubehör entdeckte sie den „crazyTrickler“, der ihr seither als hilfreiches Steuerungsgerät dient, um die Tropfen exakt zu fotogenen Skulpturen zu koordinieren (siehe Kasten auf Seite 128).
Set-Aufbau
Farbiger Hintergrund
Um neue Ideen in spektakuläre Ergebnisse umzusetzen, darf bei Nicola Gehrt der passendende Set-Aufbau nicht fehlen. Das nötige Zubehör gibt es in jedem Baumarkt: Regalträger für das Tropfengestell, flache, ca. 1 m lange Wanne, Plexiglasscheibe, Schläuche mit 6-9 mm Durchmesser, 3 100-ml-Einwegspritzen, 3 Magnetventile, Schlauchverbinder mit 4, 6 und 8 mm Durchmesser, PumpDrucksprühflasche, 3 Micro-Kugelköpfe zur Justierung der Magnetventile. Da alle Bilder zu Hause in Nicola Gehrts Arbeitszimmer entstehen, kann sie die dazu notwendigen, teils umfangreichen Aufbauten auch einmal mehrere Tage lang stehen lassen. Vor die Blitze werden farbige Lee-Folien positioniert, die hinter einer leicht schräg stehenden, milchigen und 45% durchlässigen Plexiglasscheibe stehen. Diese erzeugen die farbigen Hintergründe und frieren die Bewegung der Tropfen und Flüssigkeiten ein. „Wichtig ist, dass die Blitze möglichst vom gleichen Fabrikat und Baureihe sind, weil sie sonst nicht völlig synchron abbrennen und dann Bewegungsunschärfe entsteht“, erklärt Gehrt. Je nach Bild verwendet sie zwei oder drei entkoppelte Blitze. „Bei klarer Tropfenflüssigkeit blitzt man mit zwei Blitzen von hinten, um einen Farbverlauf zu kreieren, und mit einem Blitz von schräg vorne auf den Schirmfuß zur Aufhellung, am besten mit Snoot-Vorsatz. Bei milchiger Tropfenflüssigkeit werden die Blitze seitlich leicht schräg von vorne positioniert. Die Blitze werden in zwei Gruppen geschaltet, um die Blitzleistung zu steuern. Sie werden mit 1/8 bis 1/32 Blitzleistung abgebrannt, um das Einfrieren zu gewährleisten.“
Tropfenflüssigkeit
Für die klare Tropfenflüssigkeit verwendet die Fotografin Wasser, das sie mit Guarkernmehl oder Nutilis Clear aus dem Reformhaus andickt, damit es nicht zu sehr spritzt und bessere Formen gibt. Da Nicola Gehrt mit drei Ventilen und Düsen arbeitet, kann sie drei unterschiedliche Farben verwenden. Dazu wird die Flüssigkeit mit farbiger Tinte oder Lebensmittelfarbe getönt. Für milchige Flüssigkeiten verwendet sie eingefärbte Milch oder Sahne.
Manuell fokussieren
Generell entscheidet sich Gehrt beim Objektiv für ihr 100-mm-Makro. Dazu wählt sie im manuellen Modus eine Empfindlichkeit von ISO 100 bis maximal 200, eine Belichtungszeit von 1/100 s und dazu eine relativ kleine Blende von 11 bis 14. Fokussiert wird ausschließlich und „unbedingt“, wie Gehrt betont, manuell, da der Autofokus der Kamera zu langsam ist und die Tropfen zu klein sind, um vom Autofokus erfasst zu werden. Dazu stellt sie eine Schraube unter eine Düse, tropft anschließend auf die Schraubenspitze und verschiebt die Schraube so lange, bis der Tropfen exakt die Schraubenspitze trifft. Erst danach stellt sie die Kamera auf die Spitze über das Display scharf.
Aufnahmetechniken
Alle Aufnahmetechniken basieren auf folgender physikalischer Grundlage: Tropft man auf eine Wasseroberfläche, dann bildet der Tropfen erst einmal einen Krater (Krone), und aus diesem Krater katapultiert sich eine Säule wieder nach oben. Von dieser Säule löst sich häufig wieder ein kleinerer Tropfen, und dann fällt die Säule in sich zusammen (wie links im Bild „Auf die Spitze getrieben“).