Sony RX10 IV
Mehr Sensor, mehr Zoom, mehr Komfort
Klassische Kompaktkameras werden zunehmend von Smartphones verdrängt. Doch hochwertige Kompakte mit 1-Zoll-Sensor bringen ein sichtbares Plus an Bildqualität und verkaufen sich gerade in Deutschland besonders gut. Ebenfalls stark im Markt sind Megazoomkameras. Sony verbindet beides in der RX10 IV: den großen 1-ZollSensor mit einem 25-fach-Zoom. Mit 133 x 95 x 127 mm ist die RX10 IV allerdings nicht mehr kompakt und mit 2000 Euro auch eine echte Investition.
Ausstattung und Bedienung
Vom Vorgänger RX10III stammen der griffige, spritzwassergeschützte Body und das 25-fach-Zoom mit KB-äquivalenten 24– 600 mm Brennweite – bei guten f2,4-f4,0 Lichtstärke. Der Sensor löst wie beim Vorgänger 20 MP auf, soll aber eine komplette Neuentwicklung sein. Dazu packt Sony einen schnelleren Bildprozessor samt Zusatzchip in die RX10IV. Diese Technik steckt in ähnlicher Form auch im aktuellen Sony-Spitzenmodell Alpha 9. Videos filmt die RX10IV in standesgemäßer 4K-Auflösung mit maximal 30 Bildern pro Sekunde, in Full HD sind bis zu 120 Bilder pro Sekunde drin. Zur kabellosen Übertragung und Fernsteuerung ist jetzt neben einem WLAN/NFC-Modul auch Bluetooth an Bord. Das alles braucht Platz und ist schwer: Das Gehäuse ist ähnlich groß wie das der Alpha 9 – und die ist ein Vollformater. Dank des riesigen Brennweitenbereichs kommt man zwar tatsächlich bei jeder Fototour ohne Zweitgehäuse und Objektivsammlung aus, schleppt aber auch immer knapp 1,1 kg mit sich herum. Die Bedienung ist Sony-like mit großem, griffigem Einstellrad, separaten Drehrädern für die Belichtungskorrektur und den AF-Modus sowie mit drei frei belegbaren Tasten. Auch das Menü mit den 6 Reitern (Aufnahme 1 und 2, Netzwerk, Wiedergabe, Einstellungen und „Mein Menu“) ist Sony-Standard, mit dem man sich schnell anfreunden kann. Die Belichtung wird bei der RX10IV entweder von einem mechanischen (1/2000 – 30 s) oder einem elektronischen Verschluss (1/32000–30s) gesteuert. Für die Belichtungsmessung stehen die Modi Multi, Mitte, Spot, Integral und Highlight zur Verfügung. Die üblichen Belichtungsvarianten (Auto, P, A, S, M) beherrscht die Kamera natürlich ebenso, auch Langzeitbelichtung ist möglich. Von der RX100V wurde der Phasendetektion-AF mit 315 Feldern übernommen, der die Kontrastmessung ergänzt – ein echtes Unterscheidungsmerkmal zum Vorgänger. Er ist variabel konfigurierbar, ohne an die Optionen der Alpha 9 heranzureichen. Die gemessenen 0,15 s bei 300 und 30 Lux sind top. Dies gilt im Labor bei mittlerer Brennweite. Im Praxistest zeigten sich Unregelmäßigkeiten: Während der AF bei Sonne draußen auch bei langen Brennweiten zuverlässig scharfstellt, wird bei künstlichem Schummerlicht einiges an Ausschuss produziert.
Sucher und Display
Der OLED-Sucher mit 768000 RGBPixeln gehört zu den besseren auf dem Markt. Er gibt 100% des Bilds wieder, bei 0,7-facher Vergrößerung. Ein Augensensor schaltet automatisch vom Displayauf Sucherbetrieb um. Mit einem ausreichend großen Rädchen für den Dioptrienausgleich lässt sich die Schärfe an die Sehstärke anpassen. Das Display hat eine Auflösung von 480 000 RGB-Pixeln, es lässt sich klappen und nach vorn und hinten schwenken. Das ist gut fürs Fotografieren in Bodennähe, Freunde von Selfies werden allerdings weniger auf ihre Kosten kommen. Von der Touchfunktion profitiert man nur bei der Aufnahme, durch die Menüs hangeln kann man sich mit dem Touch-Display leider nicht.
Bildqualität
Die Laborwerte zeigen eine hohe Auflösung und sehr gute DL-Werte für einen 20-MP-Sensor der 1-Zoll-Klasse. Bis ISO 800 sinkt die Auflösung nur um 100 Linienpaare, die DL-High-Werte für hohe Kontraste um 200 Linienpaare und die DL-Low-Werte für niedrige Kontraste allerdings um 300 Linienpaare. Feine Zeichnung geht also verloren. Doch die Werte sind immer noch höher als die vieler Konkurrenten. Sony erzielt dieses Ergebnis jedoch mit sichtbar betonten Kanten. In kritischen Motiven können störende weiße oder schwarze Linien erscheinen. Hinzu kommen eine deutliche Kontrastanhebung bei ISO100 und ein höheres Rauschen als bei der RX 100 V. Generell bietet jedoch ein 1-Zoll-Sensor bei der sinnvoll nutzbaren Empfindlichkeit weniger Spielraum als ein APS-C-Sensor. Wir empfehlen deswegen, früh ins RAW-Format zu wechseln.
Objektiv
Das Objektiv erzielt seine besten Werte im mittleren Brennweitenbereich mit einer guten Abbildungsleistung über das gesamte Bildfeld. Der Randabfall ist gering. Da ab Blende 4 Beugung die Auflösung einzuschränken droht, raten wir von deutlichem Abblenden ab. Unsere zweite Messung für die mittlere Brennweite bei Blende 8 führt dann auch zu schlechteren Ergebnissen als die erste bei offener Blende 4. Am langen Ende fallen Auflösung und Kontrast bereits in der Bildmitte sichtbar niedriger aus, die Ränder verlieren deutlich. Abblenden hebt den Kontrast etwas an, offenbar bleibt das Ergebnis bei Blende 4 unter dem Beugungslimit. Die Weitwinkelstellung liefert in der Bildmitte die besten Werte für Auflösung und Kontrast überhaupt. Der Randabfall ist erneut sichtbar. Unsere Objektivmessung bringt für die offene Blende 2,8 und für Blende 5 sehr ähnliche Ergebnisse in der Bildmitte. Auf dem Kameramessstand war Blende 4 eingestellt, was zu noch etwas besserer Auflösung führte. Im Weitwinkel kann einmal abblenden also sinnvoll sein.
Fazit
Sony hat die RX10 IV nochmals verbessert. Die nachlassende Leistung am Tele-Ende kann auch Sony nicht wegzaubern. Hinzu kommt der begrenzte ISO-Spielraum des 1-Zoll-Sensors. In der RX10 steckt zwar sehr viel Kamera, 600 mm Brennweite sind riesig – aber 2000 Euro? Dafür gibt es bei Sony bereits einen Vollformater mit Objektiv. Ein paar der 30 definierbaren MyMenuPunkte könnte man gegen GPS und ein ND-Filter tauschen, um Abblenden zu vermeiden. Reinhard Merz