Teil 6: Unsere Tipps für gelungene Blitzaufnahmen
Viele Amateure meiden den Einsatz von Blitzlicht, da ihnen die ersten Schritte zu kompliziert erscheinen. Doch keine Sorge: Mit unseren Tipps kommen Einsteiger schnell zu gelungenen Ergebnissen. Das Schöne am Kunstlicht: Der Fotograf ist vom „Available Light“unabhängig und kann die Lichtstimmung nach Belieben selbst gestalten. Wer Menschen porträtieren möchte, arbeitet für eine Basisausleuchtung mit zwei bis drei Lichtquellen. Während im Studio dazu ausschließlich Blitz- und Dauerlicht verwendet wird, genügen für Outdoorporträts auch erst einmal nur ein Blitz und die Sonne als zweite Lichtquelle. Damit sich die Person vor der Kamera vom Hintergrund abhebt, empfehlen wir die folgenden Beleuchtungsarten:
Das Führungs- und Hauptlicht
Das Führungslicht wird auch als Hauptlicht bezeichnet, da es den größten Anteil zur Gesamtausleuchtung beiträgt. Es kommt in der Regel schräg von vorne und ist auf das Hauptmotiv ausgerichtet. Durch die Sonne und die Deckenbeleuchtung in Innenräumen sind wir gewohnt, dass es von oben leuchtet. Aus diesem Grund sollte auch das Führungslicht aus einer leicht erhöhten Position strahlen. Würde die Hauptlichtquelle von unten kommen, hätte das einen für unser Auge unnatürlichen Schattenwurf zur Folge.
Das Fülllicht
Wie der Name schon sagt, ist das Fülllicht dazu gedacht, Schatten, die durch das Führungslicht entstehen, zu füllen, also etwas aufzuhellen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: entweder über einen zweiten Blitz beziehungsweise ein Dauerlicht oder über einen Reflektor. Im Studio werden dazu gerne große Styroporplatten verwendet, die es günstig im Baumarkt zu kaufen gibt. Sollte das Führungslicht zum Beispiel von rechts oben auf das Model ausgerichtet sein, wird der Reflektor links vom Model aufgestellt – und umgekehrt. Auf diese Weise wird ein Teil des Führungslichts über den Reflektor zurück auf das Model umgelenkt. Für Outdoorporträts gibt es spezielle Reflektoren mit Griffen, um sie zum Beispiel einem Assistenten in die Hand geben zu können.
Das Streif- und Akzentlicht
Mithilfe eines Streif- und Akzentlichts erhält ein Porträt die nötige Tiefe, da es dazu dient, das Model vom Hintergrund abzuheben. Für Außenaufnahmen kann zum Beispiel die Sonne als Streiflicht eingesetzt werden. Im Studio wird klassischerweise ein Blitz verwendet. Das Streiflicht sollte schräg aus erhöhter Position hinter dem Model aufgestellt sein, um auf diese Weise eine Lichtkante, also einen Akzent, zu erzeugen. Damit wirkt das Porträt plastischer.
Das Hintergrundlicht
Bei Außenaufnahmen wird der Hintergrund meist bereits durch die Sonne hell genug ausgeleuchtet, sodass keine zusätzliche Lichtquelle benötigt wird. Im Studio oder auch bei Innenaufnahmen on Location kann es dagegen hilfreich sein, den Hintergrund noch mit einem weiteren Blitz oder mit einem Dauerlicht auszuleuchten.
Weiches und hartes Licht
Hartes Licht wirft in der Regel stark definierte, also dunkle Schatten. Bei Porträts kommt hinzu, dass etwaige Hautunreinheiten und Falten sehr deutlich hervortreten. Das kann durchaus gewollt sein, wenn zum Beispiel Charakterporträts von Männern aufgenommen werden. Üblicherweise wird für Porträts jedoch ein weicheres Beauty-Licht bevorzugt. Das schmeichelt der Haut und lässt Schatten etwas schwächer und damit unauffälliger wirken. Hartes Licht entsteht zum Beispiel, wenn direkt und ohne Lichtformer geblitzt wird. Auch Tageslicht während der Mittagszeit hat diese Wirkung. Wer sich eine weichere Ausleuchtung wünscht, greift zu Durchlichtschirmen oder Softboxen, die es in verschiedenen Größen und Formen gibt. Je größer die Softbox, desto breiter wird das Licht gestreut und desto weicher wirkt es auf der Aufnahme.
Nötige Einstellungen probieren
Wie gelingt es dem Fotografen nun, mithilfe von Kunstlicht schnell zu guten Ergebnissen zu kommen? Um Einsteigern den Start zu erleichtern, erklären wir die geeignete Vorgehensweise anhand von Outdoorporträts, bei denen lediglich eine mobile Lichtquelle mit Akkubetrieb zum Einsatz kam. Da wir zum Teil gegen die Sonne geblitzt haben, fiel die Entscheidung auf den Rollei HS Freeze 6, weil er etwas mehr Leistung mitbringt als das ebenfalls akkubetrieben Jinbei Mars 3 TTL Pro Set.
Wie wird am besten vorgegangen? Wir empfehlen Ihnen, den Blitz zu Beginn ausgeschaltet zu lassen und die Belichtung Ihrer Kamera erst einmal ausschließlich auf den Hintergrund einzustellen. Wie die Praxisbilder zeigen, mussten wir kein Extra-Streiflicht für Akzente setzen, da die tiefstehende Sonne für eine ausreichende Lichtkante an den Haaren und an der Schulter gesorgt hat. Bei einem stark bewölkten Himmel kann eventuell ein zusätzliches Streiflicht sinnvoll sein. Damit der Hintergrund durch die Sonne nicht überstrahlt, haben wir eine kurze Verschlusszeit von 1/3200s gewählt. Das funktioniert allerdings nur, wenn sowohl die Kamera als auch der Blitz die Highspeed-Synchronisation unterstützen. Sollte ein Blitz lediglich auf die normale Synchronzeit von 1/200 oder 1/250 Sekunde ausgelegt sein, ist er für Gegenlichtaufnahmen nicht geeignet. Mit einer offenen Blende 2,8 sorgen wir für eine sichtbare Hintergrundunschärfe, damit sich unser Model stärker von der Umgebung abhebt. Darüber hinaus ist die ISO-Empfindlichkeit für die bestmögliche Bildqualität auf ISO 100 eingestellt. Als erstes Zwischenergebnis zeigt die Aufnahme auf Seite 128 (unten Mitte) zwar einen gut ausgeleuchteten Hintergrund, das Model wirkt durch die kurze Verschlusszeit aber viel zu dunkel. Hier kommt der Blitz ins Spiel: Wir haben den Rollei HS Freeze 6 kabellos mit der Rollei Pro Funkfernsteuerung ausgelöst. Bei der Einstellung des Blitzes empfiehlt es sich grundsätzlich, erst mit einer etwas geringeren Blitzleistung zu starten. 1/32 Blendenstufe ist eine gute Basis. Nach dem ersten Versuch schauen Sie sich das Bild am Kameradisplay an und entscheiden, ob der Blitz zu stark oder zu schwach eingestellt ist und ob Sie eventuell die Position des Blitzkopfs verändern möchten. Wichtig: In dieser Phase verändern Sie nur die Blitzleistung und lassen die Belichtungseinstellungen der Kamera unangetastet – denn die haben Sie ja vorher schon für den Hintergrund optimiert. Wenn die Ausleuchtung des Models nach einigen Versuchen mit dem Hintergrund harmoniert, können Sie die durch das Führungslicht entstehenden Schatten mithilfe eines Reflektors aufhellen, falls dies erforderlich ist. Sind der Blitz und die Kamera einmal richtig eingestellt, können Sie mit dem Shooting beginnen. An einem bewölkten Tag kann es passieren, dass die Sonne zwischenzeitlich hinter einer Wolke verschwindet. Das wird sich auf Ihre Ausleuchtung auswirken. Sie können in diesem Fall versuchen, ob es ausreicht, wenn Sie nur die Blitzleistung über den Funksender anpassen. Sollte aber auch die Hintergrundbeleuchtung nicht mehr stimmen, müssten Sie die zuvor genannten Schritte erneut durchgehen.
Den Hintergrund ausblenden
Bei Blitzen, die über eine HighspeedSynchronisation verfügen, gibt es noch eine weitere spannende Möglichkeit, um den Hintergrund selbst bei Outdooraufnahmen nahezu komplett auszublenden. Wie das funktioniert, zeigt die Aufnahme, auf der unser Model auf einer Parkbank sitzt. Während der Hintergrund bei einer Kameraversschlusszeit von 1/1600 s noch gut zu sehen ist, verschwindet er bei einer sehr kurzen Verschlusszeit von 1/6400 s nahezu komplett. Er wirkt tiefschwarz – ganz so, als hätten wir diese Aufnahme im Studio vor einem schwarzen Hintergrund fotografiert. Die Blitzleistung muss in diesem Fall stark nach oben korrigiert werden, damit bei der kurzen Verschlusszeit noch genügend Licht auf unser Model fällt. Wie diese Aufnahme verdeutlicht, stehen Fotografen mit Blitzlicht viele kreative Möglichkeiten offen. Thomas Probst