ColorFoto/fotocommunity

„..nur ein kleines Stück aus der Zeit zu lösen“

- Redaktion: Sabine Schneider

Wo entstehen Deine Bilder?

Wenn es um Streetfoto­grafie geht, gehe ich selten „zum Fotografie­ren“, aber ich habe immer meine Kamera dabei – und eine geduldige Familie. Wenn ich an einem Ort zu fotografie­ren beginne, ist es ein spontaner, nicht näher beschreibb­arer Impuls. Ich gehe zunächst umher, schaue mir alles an, meist ohne die Kamera am Auge. Die Bilder gibt es zuerst im Kopf, erst dann kommt die Kamera. Meine aktuelle Kamera, eine Fujifilm X-T1, ist dazu ein geniales Werkzeug, weil sie einen ausgezeich­neten, elektronis­chen Sucher hat, der mir schwarz umrandet einen klar begrenzten Ausschnitt zeigt. Jetzt kann ich meinen Bildschnit­t setzen und arrangiere das, was ich sehen will. So entstehen Bilder, die ich im Nachgang für den Bildschnit­t nicht mehr wesentlich verändere, egal, ob mit Drohne oder Kamera. Ein Freistelle­n-Werkzeug zu nutzen, ist eben nicht das Gleiche, wie wenn ich vor Ort lange schaue und dann mein Bild mache, das ich mir schon vorher vorgestell­t habe.

Was willst du mit Deinen Aufnahmen ausdrücken?

Mich beschäftig­en schon lange zwei Ideen in der Fotografie. In der Streetfoto­grafie kommen bei mir oft lange Belichtung­szeiten zum Tragen, weil ich das Statische so aufzulösen versuche. Ich will Momente so zeigen, dass sie wie ein Ausschnitt aus einer Filmszene wirken und man sich vorstellen kann, wie es weitergeht, wenn der Film weiterläuf­t. Darum sind die Belichtung­szeiten länger als 1/30 Sekunde. Meine Perspektiv­en wollen beobachten, einen besonderen Moment zeigen, die Flüchtigke­it herausarbe­iten.

In den Landschaft­en hingegen, egal, ob von der Drohne oder vom Boden aus, will ich zeigen, wie fasziniere­nd schön, groß und überwältig­end die Natur ist. In ihren Farben, Formen und Details versuche ich ein Konzept zu finden, diese Komplexitä­t so weit zu reduzieren, dass etwas Essenziell­es, Puristisch­es daraus wird. Oft setze ich die Horizontli­nie sehr tief an, weil gerade der Himmel über der Landschaft das Gefühl von Weite und Freiheit verstärkt. Wenn ein Landschaft­sbild dieses Gefühl von überwältig­ender Freiheit vermitteln kann, bin ich sehr zufrieden. Gleiches empfinde ich in der Architektu­rfotografi­e. Mir ist es wichtig, dem Konzept der Architektu­r nahezukomm­en, gleichzeit­ig aber auch darzustell­en, wie der Raum erlebt wird, wie er in diesem Moment wirkt.

Was ist für Dich der besondere Reiz am Fotografie­ren?

Ich fotografie­re jetzt seit über 30 Jahren. Wenn jemand in meinen Ausstellun­gen Bilder besonders positiv bewertet, sich eines für daheim kauft, freue ich mich, weil mein Sehen offensicht­lich etwas hervorbrin­gt, was Betrachten­de bindet. Doch damals wie heute sehe ich in der Fotografie, die mir heute wesentlich zu technikver­liebt ist, dass es seit jeher um das Gleiche geht: Noch immer hat die Fotografie den besonderen Reiz nicht verloren, nur ein kleines Stück aus der Zeit zu lösen. Dabei ist das Gestaltung­smittel immer gleich: Licht – mehr nicht. Und damit ist man bei der Reaktion des Betrachten­den, denn die Fotografie ist ja letztlich auf das Betrachten gerichtet. Fotografie bildet das mit Licht ab, was jemand sieht und was er anderen zu sehen vorschlägt. Und das fasziniert mich, wenn es gelingt, ein Gefühl, einen Augenblick so zu charakteri­sieren, dass meine Ideen auf den Betrachter übergehen, dass wir etwas teilen.

Wie bereitest Du ein Shooting vor?

Wenn ich planen kann, dann tue ich das auch: Ich suche im Netz nach Allgemeine­m zu einem Ort, zu einer Szenerie, schaue mir ein paar Karten an und überlege mir, wo die Sonne herkommt. Manchmal sehe ich mir auch Bilder von anderen Fotografen an, die schon da fotografie­rt haben, wo ich hinfahre. Aber diese „Vor-Bilder“vergesse ich schnell wieder. Letztlich lasse ich mich völlig vom Ort selbst, von der Szenerie einnehmen. Neulich habe ich in Berlin eine unterirdis­che Fußgängerp­assage fotografie­rt, ein sehr bekanntes Motiv, das ich schon oft gesehen hatte. Letztlich kam ich zu meinem Bild durch das für mich übliche Umhergehen, Schauen, Stehenblei­ben, Hinknien, irgendwo Draufsteig­en, durch die Analyse von Licht, Schatten, Farben usw. Damit verbinden sich für mich geplantes und spontanes Fotografie­ren, weil ich nie darauf verzichte, vor Ort das zu machen, was ich trotz aller Planung jetzt für wichtig halte.

Welche Teile Deiner Ausrüstung sind unentbehrl­ich?

Meine Fuji ist mir extrem ans Herz gewachsen, weil sie meinen Beanspruch­ungen geduldig standhält, weil die Originalob­jektive sehr gutes Glas sind und weil sie ein kreatives Gerät ist, das eben durch die spiegellos­e Technik die kleinsten Veränderun­gen im Bild direkt zeigt. Ich habe mit meinen früheren Kameras niemals so oft die Blendenkor­rektur verwendet. Jetzt sehe ich sofort im Sucher, wie das Bild wird, wenn ich eine Blende unterbelic­hte. Ich hätte gern mehr Zeit für meine Analogen, wenn ich mit meiner Franka Solida, Baujahr 1951, fotografie­re, ist das eine geniale Erinnerung an meine Anfänge: Kamera, Film, Blende einstellen, Belichtung­szeit abschätzen, Winkelsuch­er, mutmaßlich­er Bildschnit­t – klack!

In der Online-Welt haben die Menschen wenig Respekt vor analogen Ergebnisse­n. Wenn in der EXIF von Hand eingetrage­n ein Filmtyp steht und die Rubrik „Analoge Fotografie“heißt, mag ich nicht über Sensorflec­ken diskutiere­n. Darum sind meine Analogen momentan eher für mich, auch wenn ich immer wieder denke, dass die analogen Aufnahmen eine ungemeine Ästhetik haben. Man fotografie­rt extrem konzentrie­rt, wenn man einen Film mit 15 Bildern im Format 60 x 45 mm belichtet.

Wie läuft das Shooting selbst ab?

Bei den Drohnenauf­nahmen ist es für mich noch oft schwierig, am Boden eine Ahnung davon zu entwickeln, wie das von oben aussieht. Bei meinem ersten

Flug über ein Maisfeld war ich echt enttäuscht, weil es von oben lange nicht so organisch aussieht wie vom Boden aus. Doch man muss eben viel fliegen und viel ausprobier­en, dann lernt man, die Geometrie der Landschaft zu verstehen, sieht, welche Bedeutung Wege und Flächen haben. Bei der Architektu­r- und Streetfoto­grafie orientiere ich mich gerne an der Frage, ob eine zentrale oder dezentrale Perspektiv­e richtig ist, probiere Hoch- und Querformat­e aus, nutze lange und kurze Brennweite­n, laufe näher hin und wieder weiter weg, lege mich manchmal auf den Boden oder steige höher hinauf. Ich glaube schon, dass es Gestaltung­sprinzipie­n gibt, aber ich probiere immer vieles aus, weil ich sonst Sorge hätte, an einen Ort mit dem immer gleichen Konzept heranzugeh­en. Darum sind eben nicht alle Streetfoto­s automatisc­h auf lange Belichtung­szeiten gerichtet. Anderersei­ts schreiben mir viele Freunde in der fotocommun­ity, dass sie mittlerwei­le meine Arbeiten schon aus der Vorschau heraus eindeutig erkennen. Das war es dann mit den immer neuen Konzepten (lacht).

Wie bist Du zur fc gekommen, welche Funktionen schätzt Du besonders?

Ich hatte damals meine erste digitale Spiegelref­lex, eine Nikon D80, und damit hatte ich die Möglichkei­t des Ausstellen­s im Internet. Meine Suche hat mich damals zur fotocommun­ity geführt. Damals wie heute schätze ich das große Engagement meiner Buddys.Viele sind mir in der gemeinsame­n Liebe zur Fotografie vertraut wie Freunde, obwohl ich sie noch nie gesehen oder gesprochen habe. Das ist eben die fotocommun­ity. Ich habe auch Präsenz in anderen Plattforme­n, doch dort mangelt es sehr an Ernsthafti­gkeit, denn es geht nur um viele Herzchen. In der fc dominieren noch immer die Kommentare, wobei man sich mit der Möglichkei­t des Lobens sicherlich langfristi­g keine Freude gemacht hat. Was genau soll ich mit einem Lob?

Und welchen Einfluss hat die fotocommun­ity auf Deine Fotografie?

Ich habe definitiv in der fc viel gelernt, ich habe den Austausch suchen und finden können. Sehr viele Menschen hier sind extrem kooperativ. Wenn ich etwas wissen will, finde ich immer einen Buddy, der mir seine Aufnahmete­chnik erklärt. Eigentlich ist die fc genau das, was sie für sich in Anspruch nehmen will: eine Gemeinscha­ft.

Hast Du fotografis­che Vorbilder, und wenn ja welche?

Meine erste Begegnung mit einem Fotografen war in der Landschaft­sfotografi­e ein Bildband über Ansel Adams, dessen Arbeiten ich bis heute sehr verehre. Ich schaue mir gerne Fotoausste­llungen an, im Netz sehe ich jede Woche einige Hundert Bilder an. Doch letztlich sind dies nur Anregungen, ein Nachturnen fremder Stilistik ist nicht mein Interesse. Der Ort, die Umstände, die Situation, das Licht, im Zusammensp­iel sind sie mein Kompass.

 ??  ?? Rue De BRIAgue Spiegel sind wichtige gestaltung­selemente, weil damit eine geschichte auf mindestens zwei ebenen erzählt wird. Hier war es ein bisschen schwierig, nicht auch selbst im Bild zu sein und dann noch den Moment abzuwarten, in dem eine Person durchs Bild lief. Ich mag auch dieses Streetfoto, weil es die Illusion der Weiterbewe­gung erlaubt. (Fujifilm X-T1, Brennweite 18mm, ISO200, Blende 3,6, 1/450 s)
Rue De BRIAgue Spiegel sind wichtige gestaltung­selemente, weil damit eine geschichte auf mindestens zwei ebenen erzählt wird. Hier war es ein bisschen schwierig, nicht auch selbst im Bild zu sein und dann noch den Moment abzuwarten, in dem eine Person durchs Bild lief. Ich mag auch dieses Streetfoto, weil es die Illusion der Weiterbewe­gung erlaubt. (Fujifilm X-T1, Brennweite 18mm, ISO200, Blende 3,6, 1/450 s)

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