„..nur ein kleines Stück aus der Zeit zu lösen“
Wo entstehen Deine Bilder?
Wenn es um Streetfotografie geht, gehe ich selten „zum Fotografieren“, aber ich habe immer meine Kamera dabei – und eine geduldige Familie. Wenn ich an einem Ort zu fotografieren beginne, ist es ein spontaner, nicht näher beschreibbarer Impuls. Ich gehe zunächst umher, schaue mir alles an, meist ohne die Kamera am Auge. Die Bilder gibt es zuerst im Kopf, erst dann kommt die Kamera. Meine aktuelle Kamera, eine Fujifilm X-T1, ist dazu ein geniales Werkzeug, weil sie einen ausgezeichneten, elektronischen Sucher hat, der mir schwarz umrandet einen klar begrenzten Ausschnitt zeigt. Jetzt kann ich meinen Bildschnitt setzen und arrangiere das, was ich sehen will. So entstehen Bilder, die ich im Nachgang für den Bildschnitt nicht mehr wesentlich verändere, egal, ob mit Drohne oder Kamera. Ein Freistellen-Werkzeug zu nutzen, ist eben nicht das Gleiche, wie wenn ich vor Ort lange schaue und dann mein Bild mache, das ich mir schon vorher vorgestellt habe.
Was willst du mit Deinen Aufnahmen ausdrücken?
Mich beschäftigen schon lange zwei Ideen in der Fotografie. In der Streetfotografie kommen bei mir oft lange Belichtungszeiten zum Tragen, weil ich das Statische so aufzulösen versuche. Ich will Momente so zeigen, dass sie wie ein Ausschnitt aus einer Filmszene wirken und man sich vorstellen kann, wie es weitergeht, wenn der Film weiterläuft. Darum sind die Belichtungszeiten länger als 1/30 Sekunde. Meine Perspektiven wollen beobachten, einen besonderen Moment zeigen, die Flüchtigkeit herausarbeiten.
In den Landschaften hingegen, egal, ob von der Drohne oder vom Boden aus, will ich zeigen, wie faszinierend schön, groß und überwältigend die Natur ist. In ihren Farben, Formen und Details versuche ich ein Konzept zu finden, diese Komplexität so weit zu reduzieren, dass etwas Essenzielles, Puristisches daraus wird. Oft setze ich die Horizontlinie sehr tief an, weil gerade der Himmel über der Landschaft das Gefühl von Weite und Freiheit verstärkt. Wenn ein Landschaftsbild dieses Gefühl von überwältigender Freiheit vermitteln kann, bin ich sehr zufrieden. Gleiches empfinde ich in der Architekturfotografie. Mir ist es wichtig, dem Konzept der Architektur nahezukommen, gleichzeitig aber auch darzustellen, wie der Raum erlebt wird, wie er in diesem Moment wirkt.
Was ist für Dich der besondere Reiz am Fotografieren?
Ich fotografiere jetzt seit über 30 Jahren. Wenn jemand in meinen Ausstellungen Bilder besonders positiv bewertet, sich eines für daheim kauft, freue ich mich, weil mein Sehen offensichtlich etwas hervorbringt, was Betrachtende bindet. Doch damals wie heute sehe ich in der Fotografie, die mir heute wesentlich zu technikverliebt ist, dass es seit jeher um das Gleiche geht: Noch immer hat die Fotografie den besonderen Reiz nicht verloren, nur ein kleines Stück aus der Zeit zu lösen. Dabei ist das Gestaltungsmittel immer gleich: Licht – mehr nicht. Und damit ist man bei der Reaktion des Betrachtenden, denn die Fotografie ist ja letztlich auf das Betrachten gerichtet. Fotografie bildet das mit Licht ab, was jemand sieht und was er anderen zu sehen vorschlägt. Und das fasziniert mich, wenn es gelingt, ein Gefühl, einen Augenblick so zu charakterisieren, dass meine Ideen auf den Betrachter übergehen, dass wir etwas teilen.
Wie bereitest Du ein Shooting vor?
Wenn ich planen kann, dann tue ich das auch: Ich suche im Netz nach Allgemeinem zu einem Ort, zu einer Szenerie, schaue mir ein paar Karten an und überlege mir, wo die Sonne herkommt. Manchmal sehe ich mir auch Bilder von anderen Fotografen an, die schon da fotografiert haben, wo ich hinfahre. Aber diese „Vor-Bilder“vergesse ich schnell wieder. Letztlich lasse ich mich völlig vom Ort selbst, von der Szenerie einnehmen. Neulich habe ich in Berlin eine unterirdische Fußgängerpassage fotografiert, ein sehr bekanntes Motiv, das ich schon oft gesehen hatte. Letztlich kam ich zu meinem Bild durch das für mich übliche Umhergehen, Schauen, Stehenbleiben, Hinknien, irgendwo Draufsteigen, durch die Analyse von Licht, Schatten, Farben usw. Damit verbinden sich für mich geplantes und spontanes Fotografieren, weil ich nie darauf verzichte, vor Ort das zu machen, was ich trotz aller Planung jetzt für wichtig halte.
Welche Teile Deiner Ausrüstung sind unentbehrlich?
Meine Fuji ist mir extrem ans Herz gewachsen, weil sie meinen Beanspruchungen geduldig standhält, weil die Originalobjektive sehr gutes Glas sind und weil sie ein kreatives Gerät ist, das eben durch die spiegellose Technik die kleinsten Veränderungen im Bild direkt zeigt. Ich habe mit meinen früheren Kameras niemals so oft die Blendenkorrektur verwendet. Jetzt sehe ich sofort im Sucher, wie das Bild wird, wenn ich eine Blende unterbelichte. Ich hätte gern mehr Zeit für meine Analogen, wenn ich mit meiner Franka Solida, Baujahr 1951, fotografiere, ist das eine geniale Erinnerung an meine Anfänge: Kamera, Film, Blende einstellen, Belichtungszeit abschätzen, Winkelsucher, mutmaßlicher Bildschnitt – klack!
In der Online-Welt haben die Menschen wenig Respekt vor analogen Ergebnissen. Wenn in der EXIF von Hand eingetragen ein Filmtyp steht und die Rubrik „Analoge Fotografie“heißt, mag ich nicht über Sensorflecken diskutieren. Darum sind meine Analogen momentan eher für mich, auch wenn ich immer wieder denke, dass die analogen Aufnahmen eine ungemeine Ästhetik haben. Man fotografiert extrem konzentriert, wenn man einen Film mit 15 Bildern im Format 60 x 45 mm belichtet.
Wie läuft das Shooting selbst ab?
Bei den Drohnenaufnahmen ist es für mich noch oft schwierig, am Boden eine Ahnung davon zu entwickeln, wie das von oben aussieht. Bei meinem ersten
Flug über ein Maisfeld war ich echt enttäuscht, weil es von oben lange nicht so organisch aussieht wie vom Boden aus. Doch man muss eben viel fliegen und viel ausprobieren, dann lernt man, die Geometrie der Landschaft zu verstehen, sieht, welche Bedeutung Wege und Flächen haben. Bei der Architektur- und Streetfotografie orientiere ich mich gerne an der Frage, ob eine zentrale oder dezentrale Perspektive richtig ist, probiere Hoch- und Querformate aus, nutze lange und kurze Brennweiten, laufe näher hin und wieder weiter weg, lege mich manchmal auf den Boden oder steige höher hinauf. Ich glaube schon, dass es Gestaltungsprinzipien gibt, aber ich probiere immer vieles aus, weil ich sonst Sorge hätte, an einen Ort mit dem immer gleichen Konzept heranzugehen. Darum sind eben nicht alle Streetfotos automatisch auf lange Belichtungszeiten gerichtet. Andererseits schreiben mir viele Freunde in der fotocommunity, dass sie mittlerweile meine Arbeiten schon aus der Vorschau heraus eindeutig erkennen. Das war es dann mit den immer neuen Konzepten (lacht).
Wie bist Du zur fc gekommen, welche Funktionen schätzt Du besonders?
Ich hatte damals meine erste digitale Spiegelreflex, eine Nikon D80, und damit hatte ich die Möglichkeit des Ausstellens im Internet. Meine Suche hat mich damals zur fotocommunity geführt. Damals wie heute schätze ich das große Engagement meiner Buddys.Viele sind mir in der gemeinsamen Liebe zur Fotografie vertraut wie Freunde, obwohl ich sie noch nie gesehen oder gesprochen habe. Das ist eben die fotocommunity. Ich habe auch Präsenz in anderen Plattformen, doch dort mangelt es sehr an Ernsthaftigkeit, denn es geht nur um viele Herzchen. In der fc dominieren noch immer die Kommentare, wobei man sich mit der Möglichkeit des Lobens sicherlich langfristig keine Freude gemacht hat. Was genau soll ich mit einem Lob?
Und welchen Einfluss hat die fotocommunity auf Deine Fotografie?
Ich habe definitiv in der fc viel gelernt, ich habe den Austausch suchen und finden können. Sehr viele Menschen hier sind extrem kooperativ. Wenn ich etwas wissen will, finde ich immer einen Buddy, der mir seine Aufnahmetechnik erklärt. Eigentlich ist die fc genau das, was sie für sich in Anspruch nehmen will: eine Gemeinschaft.
Hast Du fotografische Vorbilder, und wenn ja welche?
Meine erste Begegnung mit einem Fotografen war in der Landschaftsfotografie ein Bildband über Ansel Adams, dessen Arbeiten ich bis heute sehr verehre. Ich schaue mir gerne Fotoausstellungen an, im Netz sehe ich jede Woche einige Hundert Bilder an. Doch letztlich sind dies nur Anregungen, ein Nachturnen fremder Stilistik ist nicht mein Interesse. Der Ort, die Umstände, die Situation, das Licht, im Zusammenspiel sind sie mein Kompass.