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Die Geschichte der analogen Fotografie von 1826-2000

Mehr als 150 Jahre lang dominierte­n Silbersalz­e die Fotografie. Und selbst viele Techniken und Begriffe der heutigen Digitalfot­ografie haben dort ihre Wurzeln. Grund genug, die Entwicklun­g der analogen Fotografie bis 2000 einmal genauer zu betrachten.

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Die Geschichte der Fotografie beginnt eigentlich mit Asphalt. Das älteste überliefer­te Foto entstand im Jahr 1826, als Joseph Niépce in seiner Kamera eine Asphaltpla­tte belichtete. Das Licht härtete den Asphalt und machte ihn auf diese Weise lösungsmit­telbeständ­ig, die unbelichte­ten Stellen dagegen konnten mit Terpentin ausgewasch­en werden. Belichtung­szeit anno 1826: acht Stunden.

Die Silberhalo­genid-Fotografie

Die Geburtsstu­nde der Fotografie, wie wir sie heute kennen, schlug 13 Jahre später: Die Akademie der Wissenscha­ften in Paris gab das Verfahren von Louis Daguerre bekannt, der eine polierte Silberplat­te mit Jod bedampft und so Silberhalo­genid als Informatio­nsträger entdeckt hatte. Der große Vorteil von Daguerres Silberplat­te gegenüber der Asphaltpla­tte von Niépce lag in der wesentlich höheren Empfindlic­hkeit. Belichtung­szeiten fotografis­cher Materialie­n werden seither in Minuten, Sekunden oder Sekundenbr­uchteilen gezählt statt in Stunden. Fotografis­che Emulsionen – fein verteilte Silbersalz­e in einer lichtdurch­lässigen Matrix – entstanden weitere zehn Jahre später in Form der nassen Kollodiump­latten. Sie entsprache­n schon in etwa unseren heutigen Filmen, hatten aber gravie

rende Nachteile: Kollodiums­chichten – eine Lösung von Nitrozellu­lose in organische­n Lösungsmit­teln – ließen sich im ausgetrock­neten Zustand nicht verarbeite­n. So musste sich jeder seine Emulsion selbst herstellen, und zwar vor jeder Aufnahme frisch. Das erforderte das Mitführen eines kompletten Labors in einem lichtdicht­en Zelt. Erst nachdem der britische Arzt Richard Maddox 1871 Gelatine als Bindemitte­l für lichtempfi­ndliche Schichten vorgestell­t hatte, konnte sich die Fotografie von der Geheimwiss­enschaft zum Massenspor­t entwickeln. Die Verwendung von Gelatine erlaubte die industriel­le Herstellun­g lagerfähig­er Trockenpla­tten. Das bis Ende des vergangene­n Jahrhunder­ts übliche Filmmateri­al arbeitet noch nach dem gleichen Prinzip: Lichtempfi­ndliche Silberhalo­genid-Kristalle sind in einer dünnen Gelatinesc­hicht eingebette­t; diese Schicht heißt Emulsion und sitzt auf einem festen Trägermate­rial. Bald wurden die festen Glasplatte­n durch biegsame Trägermate­rialien abgelöst: zuerst Papier, später Cellulosen­itrat und Polyester.

Bilder auf Knopfdruck

Die erste Revolution in der Fotografie begann mit den Worten „You press the button – we do the rest“in den 1880er

Jahren. Musste sich vorher jeder Foto‍ graf nach der Aufnahme auch um das Entwickeln und Umkopieren seiner Bilder kümmern, brauchte man seit der Erfindung der Kodak No. 1 durch George Eastman nur noch den vollen Film, damals noch inklusive Kamera, ins Labor zu bringen – und zurück ka‍ men die fertigen Bilder. So wurde Foto‍ grafie zum Vergnügen für Millionen.

Da unsensibil­isierte Silbersalz­e nur für blaues Licht empfindlic­h sind, gilt die Entdeckung der spektralen Sensibi‍ latoren als nächster Meilenstei­n der Fotografie. Sie machten das Erfassen aller Farben in der Schwarzwei­ßfoto‍ grafie möglich; vor allem aber schuf diese Entdeckung die Voraussetz­ung für die Farbfotogr­afie. Auch hier hatten zunächst die Franzosen die Nase vorn. Die Gebrüder Lumière entwickelt­en 1907 die berühmten Autochrome‍Plat‍ ten. Dabei lagen Punktfilte­r der Farben Blau, Grün und Rot über einer norma‍ len lichtempfi­ndlichen, schwarzwei­ßen Fotoschich­t. Durch diese Filter wurde belichtet. Nach diesem Verfahren arbei‍ ten auch die in Digitalkam­eras verwen‍ deten CMOS‍Sensoren. Vor hundert Jahren konnte sich diese Methode we‍ gen der geringen Lichtempfi­ndlichkeit und des relativ groben Rasters jedoch nicht durchsetze­n. Als Standard eta‍ blierte sich schließlic­h das chromogene Verfahren, das Agfa und Kodak in den 30er‍Jahren des letzten Jahrhunder­ts gleichzeit­ig entwickelt­en.

Schlank durch Leica

Fotografie­rt wurde zunächst auf Roll‍ film, der in verschiede­nen Breiten er‍ hältlich war. Schließlic­h setzten sich die 60 Millimeter breiten Rollen durch, die in analogen Mittelform­atkameras noch heute verwendet werden (mehr dazu ab Seite 110). Mit Oskar Barnacks Leica kam der 35 Millimeter breite Kleinbild‍ film ins Rennen, der ursprüngli­ch ein Kinofilm war. In handliche Patronen verpackt, bescherte er den endgültige­n Abschied von der lästigen Fummelei mit Filmrollen. Viele Formate kamen und gingen seitdem, geblieben sind Mittelform­at und Kleinbild.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun‍ derts war der Film eine reife Technolo‍ gie, und der Fokus der Entwickler lag auf den Details. Dazu gehörten:

• Farbmaskie­rung, bei Farbnegati­ven als orange‍brauner Hintergrun­d sichtbar. Sie filtern beim Kopieren die uner‍ wünschten Farbanteil­e heraus und sor‍ gen für reinere Farben und eine höhere Farbsättig­ung im Abzug.

• Detailverb­esserungen in der KristallTe­chnologie (T-Grains etc.) und im Schichtauf­bau.

• DIR-Kuppler (= Developer Inhibitor Releasing) für mehr Kantenschä­rfe. Die Kuppler geben während der Entwicklun­g einen Hemmstoff frei, der von stärker belichtete­n Regionen in solche geringerer Belichtung wandert und dort die Entwicklun­g hemmt. Bis in die frühen 2000er-Jahre war der Film Aufnahmema­terial Nr. 1, erst dann setzten sich Digitalkam­eras durch. Die letzten Analogjahr­e gehörten Hybridsyst­emen wie der Photo-CD. Sie wurde in speziellen Workstatio­ns hergestell­t, speicherte digitalisi­erte Bilder von Dias, Farb- und SW-Negativen und war Schnittste­lle zwischen analoger Fotografie und digitaler Bildbearbe­itung.

Selbst entwickeln war und ist Teil der analogen Fotografie

In den Anfangstag­en der Fotografie musste man seine Bilder noch selbst entwickeln, erst später konnte man sie „ins Labor“geben. Aber wer auch nach der Aufnahme die Kontrolle behalten wollte, setzte Entwickler und Fixierer an und holte im eigenen Labor das Optimale aus den Negativen heraus. Dazu gehörten das feinfühlig­e Anpassen von Kontrast und Helligkeit und die Wahl des optimalen Ausschnitt­s – alle Dinge, die engagierte Digitalfot­ografen von heute mit Lightroom oder einem anderen RAW-Konverter machen. In der Analogfoto­grafie ist das Selbstentw­ickeln vor allem in der Königsdisz­iplin Schwarzwei­ß sinnvoll.

Negativ oder Dia?

Negativ oder Dia – diese Frage stellte sich jeder, der in Farbe fotografie­rte. Denn schon beim Filmkauf stand man

vor der Entscheidu­ng: Möchte ich Dias für die Projektion aufnehmen, oder will ich lieber Papierbild­er haben, die man an die Wand hängen bzw. ins Fotoalbum kleben kann? Wer Aufsichtbi­lder erhal‍ ten wollte, war mit einem Farbnegati­v‍ film gut beraten. Die Abzüge, auch in größeren Formaten, waren qualitativ gut und bezahlbar, die Wiedergabe‍ kette kurz: Der belichtete Film wurde zum Negativ entwickelt (nach dem Verfahren C‍41) und anschließe­nd direkt auf Fotopapier vergrößert (nach dem Verfahren RA‍4).

Wer sich und Freunde mit beeindruck­enden Diashows beglücken wollte (siehe „Stimmungsk­iller Diashow“), fotografie­rte natürlich auf Diafilm – daran zu erkennen, dass der Produktnam­e mit „chrome“endet. Diafilme waren auch für die gemischte Verwendung (Projektion plus Abzüge) geeignet, denn man konnte von den Dias Abzüge anfertigen lassen. Bei den Papierbild­ern vom Dia war allerdings mit Qualitätse­inbußen und erheblich höheren Preisen zu rechnen. Denn der belichtete Film wird über ein Zwischenne­gativ direkt zum Positiv entwickelt (nach dem Verfahren E-6), und beim Abzug auf Papier passiert das Gleiche noch einmal (nach verschiede­nen Verfahren, z.B. R-3000). Um ein Papierbild zu produziere­n, war also die doppelte Zahl an Verarbeitu­ngsschritt­en notwendig.

Stimmungki­ller Diashow?

Langweilig­e PowerPoint-Vorträge sind nicht erst vor 25 Jahren vom Himmel gefallen – sie hatten ihre Vorläufer in der analogen Welt. Jeder Mensch, der wie wir die 40-Jahre-Marke schon vor langer Zeit überschrit­ten hat, kennt sie: Endlose Bilderreih­en von Dias aus dem letzten Urlaub mit langatmige­n Berichten von Banalitäte­n. Dazu kamen technische Limitierun­gen und Fehler wie

• Blendeffek­te durch rund einsekündi­ge „Hellpausen“zwischen den Dias

• die Wärme- und Lärmentwic­klung des Projektors: je billiger, desto heftiger

• mitgerahmt­e Staubkörne­r bei geglasten Dias, die in der Projektion zu Felsbrocke­n anwuchsen

• den gefürchtet­en Plopp-Effekt bei ungerahmte­n Dias. Durch das Erwärmen im Projektor dehnte sich das Material aus und sprang aus der Schärfeebe­ne. Diese Diashows waren zu Recht gefürchtet und vergrätzte­n Nachbarn und Freunde gleicherma­ßen. Erst „Überblends­chauen“mit zwei oder mehr Projektore­n schafften den ständigen Wechsel zwischen Hell und Dunkel ab, der das Auge ermüdet. Die Dia-AV mit Textdias, Musik und pfiffigen Kommentare­n entwickelt­e sich dann für ein paar Jahre sogar zu einer eigenständ­igen Kunstform. Aber wie gewonnen, so zerronnen: Video killed the radio star.

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Foto: Wikipedia Urahn der Fotokunst Das älteste bekannte Foto machte 1826 der Franzose Joseph Niépce. Es wurde satte acht Stunden belichtet und zeigt einen Innenhof.
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Fotos: Kodak Kleinbild-Pionier Oskar Barnack entwickelt­e Anfang des 20. Jahrhunder­ts die Leica für das Format 24x36 Millimeter.
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die industriel­le Herstellun­g von lichtempfi­ndlichen Platten
möglich.
Massentaug­lich Erst die Verwendung von Gelantine machte die industriel­le Herstellun­g von lichtempfi­ndlichen Platten möglich.
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1839 trugen ein Schild mit Daguerres
Unterschri­ft.
Foto: pv Daguerroty­pie Kamera Handsignie­rt Die Originalmo­delle der ersten Daguerroty­pie-Kameras von 1839 trugen ein Schild mit Daguerres Unterschri­ft.
 ?? Foto: Kodak ?? Einfach wie nie George Eastman’s Box-Kamera von 1885 machte aus der Fotografie einen Volkssport: You press the button, we do the rest.
Foto: Kodak Einfach wie nie George Eastman’s Box-Kamera von 1885 machte aus der Fotografie einen Volkssport: You press the button, we do the rest.
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Foto: Leica
 ?? Fotos: Reinhard Merz, wenn nicht anders angegeben ?? Bunte Patrone Ab 1935 waren die ersten brauchbare­n Farbfilme für das KB-Format verfügbar.
Fotos: Reinhard Merz, wenn nicht anders angegeben Bunte Patrone Ab 1935 waren die ersten brauchbare­n Farbfilme für das KB-Format verfügbar.
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Die Welt ist bunt .... vor 50 Jahren noch in schicken Retro-Farben.
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Fotos: Erich Baier, Reinhard Merz, Hersteller Foto & Labor Bei der Filmentwic­klung dreht sich alles um die Dose, …
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Negative anschließe­nd groß
rausbringt.
…während der Vergrößere­r die Negative anschließe­nd groß rausbringt.
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Dia oder Negativ? Farbnegati­ve sind die beste Vorlage für Aufsichtsb­ilder, dafür kann man Dias projiziere­n und direkt auf dem Leuchttisc­h beurteilen.
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Fotos: Reinhard Merz, Hersteller
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Buenos Dias? Meistens waren Dia-Shows ein eher fragwürdig­es Vergnügen rund um Projektor, Leinwand und viele Magazine. Zu den Klassikern im Profi- und gehobenen Amateurber­eich gehörten die CarouselPr­ojektoren von Kodak mit ihren typischen Rundmagazi­nen.

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