Analoge Fotografie in der professionellen Welt
Wenn es aufs Tempo ankommt, hatte die analoge Fotografie gegen die digitale noch nie eine Chance. Das heißt aber noch lange nicht, dass es im Profibereich keine analoge Fotografie mehr gibt. Unsere Reportage zeigt Beispiele.
Das Vertrauen in die zuverlässige und langlebige Speicherung auf unterschiedlichen Datenträgern hat seit Beginn des digitalen Zeitalters doch einige Schrammen bekommen. Manch einer hat schon nach nicht einmal zehn Jahren bitter erfahren müssen, dass die Bilddaten auf seiner Photo-CD oder auf dem in die Jahre gekommenen Speicherstick nicht mehr lesbar waren. Ohne Ankündigung, einfach aufgelöst in Nichts – digitaler Alzheimer.
Was bleibt für die Ewigkeit?
Dem gegenüber hat die Silberhalogenid-Fotografie bewiesen, dass sie Informationen auch langfristig zuverlässig speichert. Unser gesamtes Kulturgut ist darum auf Film, genauer auf Mikrofilm, belichtet und in dicht verschlossenen Behältern in einem Salzbergwerk bei gleichbleibender Temperatur gelagert. Offensichtlich trauen die Verantwortlichen dem Film eine längere Haltbarkeit zu als digitalen Medien. Bei den Mikrofilmen rechnet man mit einer Haltbarkeit von bis zu 500 Jahren. Gut, wir können das nicht überprüfen, aber künstliche Alterungsexperimente deuten in diese Richtung.
Die für Normalverbraucher üblichen „fotografischen Filme“bringen es – je nach Filmtyp, Verarbeitung und Art der Lagerung – auf 40 bis 100 Jahre. Nicht so lange halten Filme, wenn sie preislich sehr günstig waren und dann auch noch im Schnellverfahren entwickelt wurden. Dann kann mit den schönen Dias oder Negativen auch schon nach zehn bis 20 Jahren Schluss sein. Starke Farbverschiebungen bei Farbfilmen und deutlich flacher werdende Gradation bei Schwarzweißfilmen zeugen davon. Dann wird es Zeit für eine digitale Restauration.
Besonders wichtige Aufnahmen sollte man ohnehin am besten analog und digital speichern, dann ist man auf der sicheren Seite. Der wesentliche Unter schied zwischen einer Fotodatei und einem realen Bild ist der, dass das Bild immer auch als solches wahrgenommen werden kann. Um eine Fotodatei zu betrachten, sind immer entsprechende Gerätschaft und Software erforderlich. Die digitalen Versionen sollte man also alle paar Jahre auf einen neuen Daten träger kopieren (Speicherplatz kostet ja nichts mehr) und zumindest stich probenartig überprüfen, ob die alten Dateien noch von aktuellen Program men gelesen werden können. Das ist keineswegs selbstverständlich!
Die besondere Fotokunst
Die Archivsicherheit ist also einer der Hauptgründe für analoge Techniken im Bereich der professionellen Fotografie. Es gibt aber auch andere, kreative Grün de. Wie manche Musiker noch immer die Schallplatte als das Maß der Dinge sehen und ihre neuen Stücke auf Vinyl
veröffentlichen, gibt es auch Fotogra fen, die der „altmodischen“analogen Fotografie den Vorzug geben.
Gerade junge Fotografen versuchen sich zunehmend am analogen Foto grafieren. Sie wollen andere, als die digitalen Wege beschreiten. Der Look, den analog erstellte Prints zuwege bringen, ist von diesen Fotografen sehr begehrt. Dieser ganz besondere Look der Filme lässt sich nicht einfach durch entsprechende Filter erzeugen, da sind sich viele einig. Auch das typische, un regelmäßige Korn eines Films hat für manche Fotografen seinen Reiz. Manche Fotokünstler jonglieren geradezu mit den speziellen Filmeigenschaften und ma chen damit den Unterschied zu digital entstandenen Fotografien sichtbar.
Analoger Workflow
Doch nicht nur die Bildergebnisse von analog und digital unterscheiden sich. Auch die Arbeitsweise, das Fotografie ren selbst, ist anders. Deutlich ist das an der Anzahl der entstandenen Auf nahmen zu sehen. Beim Analogfoto grafen muss oft „ein Schuss“reichen, zur Sicherheit noch einer mit einer Drittelblende dazu – fertig. Gerade bei größeren Filmformaten ist dieses Vor gehen üblich. Denn jede Aufnahme auf Film hat ihren Preis, wobei zu den Kosten für den Film auch noch die für die jeweilige Filmentwicklung hinzu kommen.
Der Digitalfotograf dagegen wird in der Regel eine größere Anzahl von „kostenlosen“Aufnahmen mit unter schiedlichen Kameraeinstellungen an fertigen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann er dann die passende Aufnahme aus der Bilderserie auf der Speicher karte auswählen.
Ein nicht von der Hand zu weisendes Argument ist auch der unterschied liche finanzielle Aufwand, gerade dann, wenn es um hochwertige und/oder um großformatige Fotografie geht. Hoch wertiges analoges Equipment ist mitt lerweile zu erstaunlich günstigen Prei sen zu bekommen. Es scheint fast so, als würden Objektive, Kameras und Laborbedarf nach Gewicht verkauft wie Kartoffeln. Komponenten für die digitale Fotografie haben dagegen mitunter so stolze Preise, dass sie für manchen Newcomer eine echte Hürde bei der Anschaffung von fotografi schem Werkzeug darstellen.
Doch es sind nicht nur Nostalgiker und Experimentierfreudige, die sich ver mehrt mit der analogen Fotografie be schäftigen: In der Industrie werden Vorlagen für die unterschiedlichen An wendungen als Schärfen oder Farb targets auf Film belichtet. Der Grund ist der relativ günstige Preis der Film belichtungen. Restauratoren müssen ihre Arbeit im VorherNachherModus dokumentieren. Und zwar nicht nur auf Diafilm, sondern auch auf Schwarz weiß und Farbnegativfilm. In Museen und Ausstellungen werden in Endlos schleife tagelang Dias von Diaprojek toren projiziert. Die Kosten für den Diaprojektor und die Diaduplikate lie gen weit unter denen für einen hoch wertigen Beamer mit seinen teuren und empfindlichen Lampen.
Oft wird heute ein Mix aus analoger und digitaler Fotografie gewählt. Ein großer Vorteil der „Hybridfotografie“ist es, dass vorhandene, auch ältere, nichtdigitale Komponenten, problem los in den Workflow eingegliedert wer den können. Fast alles ist so möglich.