Hasselblad X1D II 50C
Die Mittelformatkamera mit 50 Megapixeln zeigt, was in ihr steckt
Hasselblad X1D II 50C. Der schwedische Hersteller Hasselblad bringt die zweite Generation seiner Mittelformatkamera mit 50 Megapixeln auf den Markt. Zu den Verbesserungen der X1D II 50C gehören ein OLED-Sucher mit 0,87-facher Vergrößerung, ein berührungsempfindlicher 3,6-Zoll-Monitor und ein integriertes GPS-Modul.
Alter Schwede? Keinesfalls. Die in Göteborg gefertigte X1D II 50C ist eine moderne spiegellose Systemkamera mit Mittelformatsensor. Im Vergleich mit analogen Kameraklassikern wie der Hasselblad 500 C wirkt sie eher futuristisch. Wie bei der GFX 50R von Fujifilm sitzt in der Hasselblad ein 43,8 x 32,9 mm großer Sensor mit einer Nennauflösung von 8272 x 6200 Pixeln (51,3 Megapixel). Im Vergleich zur ersten Generation der X1D wurden Sucher und Display verbessert, das Bedienkonzept optimiert und ein GPS-Modul integriert. JPEGs können jetzt in voller Auflösung ausgegeben werden.
Und noch etwas hat sich geändert – der Preis: Kostete die X1D 50C zur Markteinführung 2016 noch 9400 Euro, ist die X1D II 50C bereits für knapp 6000 Euro erhältlich. Erklärtes Ziel dieser Preispolitik ist es, die Kamera für anspruchsvolle Amateure attraktiv zu machen. Profis, die bereits viel Geld in Kameras und hochwertige Objektive investiert haben, lassen sich kaum noch zu einem teuren Systemwechsel vom Kleinbildzum Mittelformat bewegen. Für die X1D II 50C sind acht Festbrennweiten von 21 bis 135 mm und ein Zoom (3575mm) erhältlich, alle ohne optischen Bildstabilisator. Weitere 12 HC/HCDObjektive
des Hasselblad-Systems können adaptiert werden (XH-Adapter).
Gehäuse & Ausstattung
Das Design der X1D II 50C lässt sich als Symbiose aus Spiegelreflex- und Sucherkamera interpretieren: Von vorne könnte man die Hasselblad aufgrund ihrer Geradlinigkeit für eine Sucherkamera halten. Von hinten aber sieht man, dass der Sucher in der Mitte der optischen Achse sitzt und nicht an den linken Gehäuserand verlagert wurde wie bei einer Fujifilm GFX 50R. Von oben erkennt man die ungewöhnliche Konstruktion des Handgriffs, der
das Gehäuse nach vorne und hinten verbreitert. Alle Finger der rechten Hand finden eine komfortable Grifffläche, auch der Daumen wird optimal abgestützt. Das Gehäuse ist gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet, das verwendete Material – Aluminium mit „Dark Grey“-Finish – wirkt zugleich edel und robust. Für eine Mittelformatkamera ist die X1D II 50C erstaunlich kompakt und leicht (766 g). Für die Objektive gilt das weniger, wenn man von Ausnahmen wie dem XCD 3,5/45 mm (36 mm/KB, 467 g) absieht. Als Bildspeicher verwendet die Hasselblad UHS-II-kompatible SD-Karten; zwei Steckplätze befinden sich unter einer Abdeckung oberhalb des Anschlussterminals. Zur Anbindung von PC oder Tablet gibt es eine schnelle USB-3.0-Schnittstelle, für die Drahtloskommunikation ist WLAN an Bord. Eine HDI-Buchse sucht man vergebens, Miniklinken-Buchsen für Kopfhörer und ein externes Mikrofon sind vorhanden. Als Stromquelle dient ein LithiumIonen-Akku mit 3400mAh, der über das mitgelieferte USB-Netzteil in der Kamera geladen werden kann. Der Akku wird in einen offenen Schacht an der Kameraunterseite eingeschoben, rastet dort ein und schließt bündig mit dem Gehäuse ab. Ein als Zubehör erhältlicher Akkulade-Hub erlaubt das gleichzeitige Laden von zwei Akkus außerhalb der Kamera.
Sucher & Monitor
Für den OLED-Sucher der X1D II 50C nennt Hasselblad eine Auflösung von 1 230 000 RGB-Pixeln, das liegt auf dem Niveau der Fujifilm GFX 50R. Bei der Sucherbildvergrößerung gibt es einen kleinen Vorteil zugunsten der Hasselblad (0,87-fach gegen 0,85-fach). Leider hat der Sucher eine Tendenz zu Moiré- und Flimmer-Effekten. Bei geringer Umgebungshelligkeit wirkt das Sucherbild grieselig. Der TFT-Monitor ist imposant und deckt die gesamte verfügbare Fläche unterhalb des Suchereinblicks ab. Die Bildschirmdiagonale beträgt 3,6 Zoll, während es die Konkurrenz im besten Fall auf 3,2 Zoll bringt. Die Auflösung bleibt mit 786 432 RGB-Pixeln dagegen im üblichen Rahmen.Verstellbar ist der Monitor nicht, aber berührungsempfindlich. Die Touch-Funktionalität ist umfassend ausgebaut und erinnert zum Teil an die Bedienung eines Smartphones.
Autofokus & Aufnahme
Zum automatischen Fokussieren verwendet die X1D II 50C einen SensorKontrast-AF mit Einzelfeld-Messung in der Betriebsart „Einzelbild“(AF-S). Kontinuierlicher Autofokus (AF-C), AF-Feld-Automatik und AF-Tracking bleiben außen vor. 117 AF-Punkte sind aktiv, wenn die kleinste von drei Messfeldgrößen eingestellt ist (mittel/groß: 63/35 Messpunkte). Zum Verschieben eines AF-Punkts verwendet man den TFT-Monitor als Touchpad – auch beim Blick durch den Sucher. Eine andere Möglichkeit: Man drückt die AF/MF-Taste etwas länger, um das AF-Feld-Raster aufzurufen. Dann verschiebt man den AF-Punkt horizontal und vertikal mit den beiden Einstellrädern. Ein Joystick zum Verschieben des AF-Punkts wäre dennoch wünschenswert.
Der Kontrast-AF arbeitete im Praxistest ziemlich genau, aber langsam. Für die Auslöseverzögerung inklusive AF-Zeit ermittelte das Labor 1,0/1,0s bei 300/30 Lux. Die Fujifilm GFX 50R kann das besser (0,4/0,5 s), die GFX 100 legt noch einen Zahn zu (0,3/0,3 s). Auch die Einschaltverzögerung ist mit 7,4 s zu lang. Bildserien sind mit 2,6 B/s und 28/13 Bildern (JPEG/RAW) in Folge möglich. Manuelles Fokussieren unterstützt die Kamera mit einer Bildschirmlupe und Peaking. Wie bei Hasselblad üblich, befindet sich der Verschluss nicht in der Kamera vor dem Sensor, sondern als Zentralverschluss im Objektiv. Die kürzeste
Verschlusszeit mit XCD-Objektiven beträgt 1/2000s, für HC/HCD-Objektive sind 1/800 oder 1/2000 s angegeben. Blitzgeräte (Hasselblad empfiehlt diverse Nikon-SB-Modelle) lassen sich wegen des Zentralverschlusses mit allen Verschlusszeiten synchronisieren. Der elektronische Verschluss erlaubt noch kürzere Zeiten bis 1/10 000 s. Die ISO-Einstellung ist dabei auf 3200 limitiert. Lange Verschlusszeiten sind mit automatischer Steuerung mit bis zu 68 Minuten möglich, zudem gibt es eine B- und T-Einstellung für manuell gesteuerte Langzeitbelichtungen. Bei der Belichtungsmessung beschränkt sich die Kamera auf mittenbetonte
Ganzfeldmessung, ergänzt durch zwei Spot-Varianten. „Spot Mitte“bezieht sich auf das Bildzentrum und erfasst etwa 25 Prozent der Bildfläche, während „Spot“den Messbereich auf 2,5 Prozent reduziert. Da eine Matrixmessung fehlt, nutzt man häufig die AE-L-Taste zum Anmessen des Hauptmotivs und Speichern der aktuellen Belichtungswerte, bevor man den endgültigen Bildausschnitt festlegt. Die Belichtungsprogramme wählt der Fotograf per Modusrad, das sich durch leichten Druck von oben im Gehäuse versenken lässt. Dort rastet es ein und springt erst nach erneutem Drücken wieder hoch – eine elegante Lösung.
Neben den Standardprogrammen (Auto, P, A, S, M) gibt es drei Benutzerprofile (C1-C3) und den Videomodus. Letzterer war bei der Testkamera noch inaktiv und soll erst durch ein Upgrade des Betriebssystems implementiert werden – vermutlich Anfang kommenden Jahres.
Bedienkonzept
Vorne und hinten am Handgriff befinden sich zwei Einstellräder, mit denen man unter anderem Blende und Belichtungszeit einstellen oder die AFPunkte verschieben kann. Oben links vom Modusrad gibt es zwei Tasten für Direktzugriffe, zum einen für ISO/Weißabgleich, zum anderen für das Umschalten zwischen AF/MF. Die Taste für die Schärfentiefe vorne am Bajonett ist individualisierbar, ebenso die AE-L und AF-D-Taste an der Rückseite. Ansonsten ist das Bedienkonzept vorwiegend auf Touchnavigation ausgerichtet. Vier ergänzende Tasten rechts vom Display haben teils festgelegte, teils wechselnde Aufgaben. Beispiel: Die Stern-Taste aktiviert bei der Aufnahme die Bildschirmlupe, während sie bei der Wiedergabe eine Thumbnail-Übersicht aufruft. Man zoomt dann durch Ziehen mit zwei Fingern oder durch „Doppelklick“mit der Fingerspitze ins Bild. Drückt man die Menü-Taste (ZeilenSymbol), so zeigt sich rechts am Bildschirm
ein überschaubares Hauptmenü mit drei Rubriken: Aufnahme, Video und Einstellungen. Links davon finden sich Icons, die an SmartphoneApps erinnern und auf Funktionen wie Belichtung, Fokus, Blitz, GPS, Qualität oder Speicher verweisen. Neun solcher Icons können gleichzeitig angezeigt werden; 14 stehen zur Wahl. Icons lassen sich beliebig löschen und durch andere ersetzen. Durch Wischen (Swipe) über den Bildschirm in vertikaler Richtung schalten Sie zwischen Hauptmenü und InfoBildschirm um. Dieser zeigt alle wichtigen Aufnahme-Einstellungen, zum Teil in übergroßen Lettern, die sich
auch in heller Umgebung gut ablesen lassen. Tippt man auf ein Funktionsfeld, so öffnet sich ein Auswahlmenü mit den vorhandenen Optionen. Das alles ist höchst übersichtlich und erschließt sich fast ohne Handbuch. Man darf gespannt sein, an welchen Stellen der Hersteller die Funktionalität der Kamera durch Upgrades des Betriebssystems noch erweitern wird.
Bildqualität
Die Hasselblad schafft eine extrem hohe Auflösung von 3131LP/BH bei ISO 100 und damit noch etwas mehr als die Fujifilm GFX 50R (3097 LP/BH). Bis ISO1600 verliert die Kamera nur 235 LP/BH und hält sich damit auf einem sehr hohen Auflösungsniveau. Bei ISO 3200 (2670 LP/BH) und bei ISO6400 (2483LP/BH) ist der Verlust an Auflösung größer, während die Fujifilm auf einem Niveau um 2900 LP/BH verharrt. Das entscheidende „Aber“dabei ist, dass Fujifilm auf allen ISOStufen intensiv nachschärft, die Hasselblad dagegen so gut wie gar nicht. Noch drastischer macht sich das bei den Dead Leaves bemerkbar: Eine Anhebung des Farbkontrasts spart sich
die Hasselblad komplett, was zu vergleichsweise niedrigen DL-Werten führt: 1592/1270 LP/BH bei ISO 100. Die Fujifilm schafft 2278/2253LP/BH, jedoch zum Preis einer bereits übertriebenen Erhöhung des Farbkontrasts. Auch beim Rauschen greift Hasselblad nur wenig ein – mit dem Ergebnis, dass bereits bei ISO 1600 die VN-2.0-Grenze knapp überschritten wird, was aber noch unproblematisch ist. Die X1D II 50C ist eine der wenigen aktuellen Kameras, deren interne Bildverarbeitung äußerst zurückhaltend arbeitet. Dies kostet natürlich Punkte beim JPEG-Test, der nur das berücksichtigt, was direkt aus der Kamera kommt. Andererseits ist es kein Problem, JPEGs bei der späteren Bildbearbeitung nachzuschärfen und den Kontrast sowie andere Bildparameter zu verändern. Dann aber stellt sich die Frage: Warum JPEG und nicht gleich RAW? Mit den Standard-Einstellungen im Adobe-RAW-Konverter ließen sich auf Anhieb sehr gute Ergebnisse erzielen (der RAW-Test folgt). Hasselblad empfiehlt zur RAW-Konvertierung die hauseigene Software Phocus (siehe Kasten auf Seite 40).