iPhone 11 Pro
Smartphone mit Triple-Optik
Mit gleich drei Kameramodulen holt die jüngste Gerätegeneration von Apple – iPhone 11 Pro und 11 Pro Max – kameratechnisch zur Konkurrenz auf. Hinzu kommen ein Nachtmodus und die Funktion Deep Fusion. Beide verarbeiten Serienbilder. Die Unterschiede zwischen den neuen Pro-Modellen sind marginal: Das 11 Pro ist mit seinem 5,8 Zoll großen OLEDDisplay (2436 x 1125 Pixel) für Intensivnutzer wohl eher zu klein. Wer viel am Gerät arbeitet, dürfte am 11 Pro Max mit dem 6,5 Zoll großen OLED (2688 x 1242 Pixel) Gefallen finden. Die Qualität der Displays ist außerordentlich gut: Die Live-Ansicht der Kamera-App gibt Details, Helligkeit, Farben und Kontraste so gut wie auf kaum einem anderen Smartphone wieder. Die Akkukapazität wird im Internet mit 3969 mAh angegeben – offiziell nennt Apple diese Zahl aber nicht. In der Praxis fällt jedoch die längere Ausdauer als beim iPhone XS auf. Der interne Speicher lässt sich nach wie vor nicht erweitern, doch nun kann man USBSticks verwenden. Die Rückseite der zwei 11-Pro-Modelle ist mit drei Kameras versehen. Sie haben zwar die gleiche Auflösung von 12 Megapixeln, aber unterschiedliche Sensorgrößen. Offizielle Daten fehlen, aber laut Internetquellen hat der Hauptkamerasensor (vom Hersteller „Weitwinkelkamera“genannt) 1/2,55 Zoll, der Sensor der Normalkamera 1/3,4 Zoll. In der Hauptkamera steckt ein Objektiv mit 1,8/26 mm, das „Tele“genannte Objektiv ist mit 2/52 mm eine Normalbrennweite, und die UltraweitwinkelEinheit arbeitet mit 2,4/13 mm. (Alle Brennweiten sind KB-Äquivalente.) Das Normalobjektiv hebt sich mit Lichtstärke 2 von der Konkurrenz ab, der Zoomfaktor 2 ist aber klein. Hauptund Normalkamera sind optisch bildstabilisiert, beim Ultraweitwinkel gibt es keinen Autofokus. Die Selfiekamera hat wie in allen neuen iPhones eine Weitwinkeloptik mit Blende 2,2 und einen Sensor mit 12 Megapixeln.
Mit Phasen-AF scharfstellen
Hauptkamera und „Tele“-Optik stellen Motive mit Phasen-AF scharf. So lassen sich die Fokuspunkte bis dicht an den Rand setzen. Die automatische Gesichtserkennung reagiert sehr schnell und kann mehrere Gesichter gleichzeitig erkennen und markieren. Die Markierung – ein dünner gelber Rahmen – könnte etwas stärker ausgeprägt sein, um besser sichtbar zu sein. Gesichter werden automatisch verfolgt. Insgesamt sind die Fokussierzeiten kurz, die Zuverlässigkeit hoch.
Die Kamera-App
Leider lässt auch die neue iPhone-Generation dem Fotografen nur die Wahl zwischen JPEG und Apples eigenem HEIC-Bildformat. Wer mit RAW fotografieren will, ist auf Apps von Drittanbietern angewiesen. Neben Lightroom gibt es weitere funktionsstarke Alternativen wie ProCam oder Halide, die wir in COLORFOTO 7-8/2019 und 9/2019 getestet haben. Doch auch sie erzeugen nur mit der Weitwinkel- und der Normaloptik RAW-Bilder, nicht jedoch mit dem Ultraweitwinkel. Die Kamera-App von Apple ist übersichtlich aufgebaut, jedoch nicht besonders funktionsstark. Die Symbole sind schlank und optisch ansprechend. Leider hat aber ihre Erkennbarkeit ein wenig gelitten. Die Leisten am Bildrand sind bei aktiver „Tele“-Kamera halb durchsichtig. Das iPhone blendet
hier dieVorschau der Hauptkamera ein. Die Zahl der Aufnahmeprogramme ist angenehm klein: Es gibt drei VideoModi („Zeitraffer“, „Slo-Mo“und „Video“) sowie drei Foto-Modi („Foto“, „Porträt“und „Panorama“). Der FotoModus ist das wichtigste Aufnahmeprogramm. Hier kann der Fotograf auf „Blitzeinstellungen“, „Live“(für bewegte Bilder), „Selbstauslöser“und „Bildstile“zugreifen sowie Fokuspunkt und Belichtung bestimmen. Bei wenig Licht erscheint automatisch das Symbol für das Nachtaufnahmeprogramm. Dieses ist nur mit dem Weitwinkel- und der Normalbrennweite nutzbar. Zoomen kann der Fotograf entweder per Touch auf das entsprechende Icon oder stufenlos mit der Fingergeste. Dabei zeigt das iPhone, welche Optik aktiv ist. Bei wenig Licht schaltet das Gerät auch bei aktivierter „Tele“-Kamera automatisch zurück zur Hauptkamera. Der Nutzer merkt dies nur an einem kurzen Zucken des Live-View.
Bildqualität Weitwinkel
Bei gutem Licht liefert das iPhone 11 Pro unter Verwendung von RAW mit die
besten 12-MP-Aufnahmen im aktuellen Konkurrenzumfeld. Der direkte Vergleich mit dem Pixel 4 XL zeigt: Das 11 Pro holt etwas mehr Details aus den Motiven heraus. Bei kurzem Aufnahmeabstand und gutem Licht fangen 40-MP-Smartphones wie das P30Pro zwar noch mehr Einzelheiten ein. Kleinere Objekte machen ihnen aufgrund ihrer Sensorstruktur jedoch mehr Probleme. Die iPhone-Bilder rauschen etwas mehr als die Fotos aus dem Pixel 4 XL. Doch bei gutem Licht stört das weniger.
Gleichzeitig bietet das 11 Pro die bessere Farbabstimmung. Bei schwindender Helligkeit muss sich das iPhone jedoch geschlagen geben: Dann zaubert das Pixel mit seinen Serienaufnahmen die klarsten Bilder mit den meisten Details. Beim iPhone steigt das Rauschen deutlich stärker an. Dadurch sinkt die Auflösung von Strukturen merklich. Wechselt man bei schlechtem Licht zu JPEG, wird das Rauschen spürbar reduziert. Doch das Nachschärfen und die Kontrastanhebung können die Detailverluste nicht ausgleichen.
Bei gutem Licht werden die JPEGs ebenfalls „optimiert“. Hier könnte Apple etwas zurückhaltender sein, wobei die Nachteile so richtig erst bei kleinen Strukturen sichtbar werden. Hier führt die Signalverarbeitung mitunter zu unschönen Mustern. Was das 11 Pro gut im Griff hat, ist die Belichtung. Ab Betriebssystemversion iOS 13.2 kommt die „Deep Fusion“-Funktion mit Serienbildverarbeitung. Sie arbeitet quasi immer mit, ist aber (noch) nicht bei RAWs von Fremd-Apps aktiv. Deep Fusion verbessert die Zeichnung der JPEGs leicht, verstärkt aber auch die Artefakte.
Bildqualität Normalbrennweite
Die Normaloptik liefert bei gutem Licht im RAW-Format mehr Details als die Hauptkamera, wenn der Standpunkt
unverändert bleibt. Fotografiert man jedoch mit gleichem Abbildungsmaßstab, erhält man mit der Hauptkamera mehr Detailzeichnung als mit der Normalbrennweite. Dieser Effekt wird bei nachlassendem Licht deutlich stärker, da dann die kleineren Pixel der Letzteren für ein sichtbar stärkeres Rauschen sorgen. Tendenziell gilt für JPEGs dasselbe. Man sollte jedoch im Foto-Modus aufpassen: Das Gerät kann selbstständig von der Normal- zur Hauptoptik wechseln. Das 11 Pro beschneidet das Bild dann auf den „Tele“-Ausschnitt und rechnet es anschließend wieder auf 12 Megapixel hoch, was qualitativ nicht überzeugt. Die JPEG-Abstimmung ähnelt der der Hauptkamera, ist aber meist noch etwas knackiger. Bei kleineren regelmäßigen
Strukturen wie Blättern neigen iPhoneFotos zu störenden Farbklecksen, wenn die Optik an die Auflösungsgrenze stößt. Die Deep-Fusion-Funktion ist auch bei der Normalbrennweite aktiv, mit ähnlichen Effekten wie bei der Hauptkamera.
Bildqualität Ultraweitwinkel
Die Kamera mit der Ultraweitwinkeloptik kann nur JPEGs, TIFFs (FremdApp) oder HEICs aufnehmen, RAWs sind auch für Fremd-Apps gesperrt. Die Bildqualität dieser Einheit reicht nicht an die der beiden Kameras mit längeren Brennweiten heran. Außerdem bietet die Ultra-WW-Einheit weder Stabilisierung noch Fokussierung. Auf der Habenseite steht der größere Bildwinkel, zum Beispiel für Panoramafotos. Wadim Herdt