Portfolio „Eiszeit“
Bilder des bekannten Natur- und Tierfotografen Norbert Rosing
Immer wieder Arktis. Norbert Rosing ist einer von Deutschlands bekanntesten Naturfotografen. Seine Liebe zu arktischen Regionen führt ihn immer wieder nach Grönland, Spitzbergen und Kanada, wo die Aufnahmen für diesen Beitrag entstanden – mit der Leica M Monochrom und einem halben Dutzend Festbrennweiten.
Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten! Nach einer solchen Aufforderung ist es bekanntlich kaum möglich, nicht genau daran zu denken. Und jetzt reden Sie mal mit Norbert Rosing, ohne dass sich Bilder von Eisbären in Ihre Gedanken drängen. Ein schwieriges Unterfangen, denn immerhin ist der Eisbär das fotografische Markenzeichen des 66-jährigen Westfalen, der seit Mitte der 1970er-Jahre in der Nähe von München wohnt. Für ihn ist es kein Problem, immer wieder mit den weißen Fellriesen in Verbindung gebracht zu werden. „Mal ehrlich, da hätte mir Schlimmeres passieren können“, schmunzelt Rosing. Seine erste Eisbärengeschichte erschien Ende der 1980er-Jahre im BurdaMagazin „Die Bunte“. 1992 nahm er in der kanadischen Arktis Eisbären auf, die mit ihren Jungen aus den Höhlen kamen. „Solche Bilder hatten damals Seltenheitswert und brachten mir meine erste große Story in der amerikanischen National Geographic ein“, erinnert sich Rosing. Inzwischen ist er über 30 Jahre als Naturfotograf unterwegs und hat mehr als 20 Bildbände veröffentlicht.
Naturparks als Bestseller
Das ZDF lud ihn zu „Markus Lanz“ein, die ARD zu einer Talkrunde bei Radio Bremen. „Auch dort wollte man mich wegen der Eisbären. Dagegen kann nichts anstinken, egal, was du sonst noch machst!“Tatsächlich aber lässt sich Rosings Werk nicht auf Eisbären oder Polarfüchse reduzieren. Als leidenschaftlicher Naturfotograf erkundet er die weiten Landschaften der USA ebenso wie Grönland, Spitzbergen, den Norden Kanadas und die heimischen Wälder. Für die deutsche Ausgabe der National Geographic hat er alle deutschen Nationalparks fotografiert, es gab 13 Veröffentlichungen in aufeinanderfolgenden Ausgaben. 2007 wurden alle Beiträge in ein Buch gepackt und unter dem Titel „Wildes Deutschland“veröffentlicht. „Mein bisheriger Bestseller“, erklärt Rosing. „Gedruckt wurden etwa
35 000 Exemplare, erst nach der achten Auflage lief das Buchprojekt aus.“Sein neuester Bildband „Wildnis“ist nicht nur ein erneutes Bekenntnis zur Landschaftsfotografie, sondern zugleich die Rückkehr zu einem klassischen Stilmittel: Schwarzweiß.
Eisberge zum Greifen nah
In Schwarzweiß fotografiert – und zwar ausschließlich mit der Leica M Monochrom – sind auch die Bilder dieses Beitrags, die Ausbeute mehrerer Reisen in arktische Regionen. „Nach Spitzbergen bin ich rund 30-mal gereist, nach Grönland fünfmal.“Bei den meisten Exkursionen handelte es sich um Expeditionsreisen des Veranstalters
Frank Fietz. „Das waren völlig verrückte Reisen in kleinen Schiffen mit zwölf Passagieren, ziemlich teuer. Dazu ein Kapitän, der vor nichts Angst hatte. So kommt man zu Bildern, die andere nicht haben.“Norbert Rosing hat diese Schiffsreisen als fotografischer Leiter begleitet. „Meine Aufgabe bestand vor allem darin, das Schiff in die besten Aufnahmepositionen zu dirigieren. Mit dem Kapitän war vereinbart: Im Umfeld von Eisbergen fahren wir erst einen weiten Bogen, dann einen mittleren, dann einen engen. So konnte man mit allen Brennweiten fotografieren – sogar mit dem Weitwinkel aus nächster Nähe.“
Während einer Grönlandreise musste das Schiff wegen Wartungsarbeiten einen Tag pausieren. „Ein Glücksfall,“so Rosing, „denn der Veranstalter ermöglichte es, an Rundflügen mit einer zweimotorigen Maschine teilzunehmen. Bei jedem Flug waren neben dem Piloten drei Passagiere an Bord. Dabei konnte ich das Grönlandeis aus der Vogelperspektive fotografieren.“Ein faszinierender Anblick, leider nicht ohne Schattenseiten: Beim Blick von oben zeigten sich große Schmelzwasserseen als Zeichen des Klimawandels. „Auf einigen Touren in Nord-WestGrönland haben wir festgestellt, dass sich vormals riesige Gletscher innerhalb von 10 Jahren um mehrere Kilo
meter zurückgezogen haben. Einen Gletscher auf Spitzbergen habe ich 2003 zum ersten Mal fotografiert. Vor drei Jahren war ich wieder dort, der Gletscher aber war weg.“Auch könne man immer mehr Tiere beobachten, die sich früher nie in arktischen Regionen getummelt hätten: „Fremde Fische, fremde Vögel – dafür verschwinden andere Arten, die früher hier heimisch waren.“Zu allem Überfluss sei Plastikmüll
ein zunehmendes Problem. Rosing ironisch: „Kämen die Entdecker, die vor 100 Jahren die Arktis erforscht haben, heute nochmal hierher, würden sie vermutlich schnell wieder zurück ins Grab wollen.“
Stativ und Fokus-Peaking
Warum eigentlich mit der Leica M Monochrom fotografieren, wenn sich normale RGB-Dateien doch leicht in
Grauwerte konvertieren lassen? Dazu meint Rosing: „Für mich bedeutet das weniger Aufwand, weil ich auf das Konvertieren verzichten kann. Außerdem ermöglicht der 24-Megapixel-Sensor ohne vorgeschaltetes Bayer-Filter eine herausragende Detailschärfe.“Er ist aber Profi genug, um auch die Schwächen des M-Konzepts zu erkennen und zu umgehen: Der Messsucher der Leica M lässt sich zwar gut zur
Bildgestaltung, aber nur eingeschränkt zum Fokussieren bei digitalen Aufnahmen verwenden – vor allem im Telebereich. „Deshalb fotografiere ich ausschließlich vom Stativ bei niedrigster ISO-Einstellung und kontrolliere die Schärfe mittels Fokus-Peaking am Kameramonitor, in der Regel bei Offenblende.“Ganz ohne Nachbearbeitung geht’s nicht, weil konsequent im RAWModus fotografiert wird, um den vollen Dynamikumfang des Kamerasensors auszureizen. Die RAW-Konvertierung in Lightroom, neuerdings auch in Capture One, überlässt Rosing seiner ebenfalls fotobegeisterten Ehefrau Elli. „Sie hat sich im Laufe der Zeit mehr Know-how in dieser Disziplin erarbeitet, als ich es vorweisen kann. Ich konzentriere mich lieber auf Motivsuche und Bildgestaltung.“Zumindest die Kontrastoptimierung will er aber nicht komplett auf die Bildbearbeitung verlagern. „Wie zu Analogzeiten habe ich seit zwei Jahren Orange-, Rot- und Infrarotfilter in verschiedenen Stärken dabei. Die Filterwirkung macht sich in den Bildern kolossal bemerkbar.“Voll des Lobes ist Norbert Rosing über die Qualität der M-Objektive, von denen er eine stattliche Sammlung hat: sieben Festbrennweiten mit 21, 28, 35, 50, 75, 90 und 135mm, ergänzt durch das Tri-Elmar 4/16-18-21 mm. Einziger Wermutstropfen sei die Limitierung der Telebrennweiten, bedauert der LeicaFotograf. Wenn nötig, adaptiert er die Apo-Telyt-R-Objektive des Leica-RSystems. „Ich besitze noch drei R-Modelle mit 15 Objektiven, da ich zwischendurch immer wieder analog fotografiere – wie früher mit Fujifilm Velvia 50, meinem bevorzugten Diafilm.“Schließlich soll nicht verschwiegen werden, dass Norbert Rosing auf seinen Arktisreisen parallel in Schwarzweiß und in Farbe fotografiert hat: „Neben der Monochrom hatte ich eine Leica MP und – bei einer Reise – auch eine Leica SL auf zwei Stativen im Einsatz. Jede Kamera war mit einer Stativplatte ausgestattet, sodass ich im Handumdrehen wechseln konnte.“Am Ende holen uns die Eisbären wieder ein. „Schauen Sie mal“, lächelt Rosing und deutet auf seine Leica M. In der Oberseite der Kamera ist ein Bild eingraviert. Trotz der Reduktion auf eine Strichgrafik lässt sich leicht Rosings bekanntestes Foto identifizieren. Es zeigt einen liegenden Eisbär, von vorne und auf Augenhöhe fotografiert. Die Perspektive ähnelt kurioserweise einem Rennwagen in Startposition. Der Eisbär aber schlief tiefenentspannt und bewegte sich nicht, als Norbert Rosing auf den Auslöser drückte. Karl Stechl
Norbert Rosing ist seit 30 Jahren als Naturfotograf unterwegs – überwiegend mit der Leica M und Leica M Monochrom und mit Festbrennweiten von 21 bis 135 mm. Sein wohl bekanntestes Foto ist ein liegender, direkt von vorne fotografierter Eisbär. Norbert Rosing hat ihn als Strichgrafik auf die Oberseite seiner Leica M gravieren lassen – als eine Art persönliches Markenzeichen.