ColorFoto/fotocommunity

Portfolio „Fotogeschi­chten“

Die Quellen für Verocains konzeption­ell ausgelegte Bildideen sind häufig literarisc­he, musikalisc­he und andere thematisch­e Vorlagen. So auch für die Fotoserie „Johanna geht offline“, die er seit dem Jahr 2011 fortführt.

- Redaktion: Sabine Schneider

Fotos von Uli Gläsener

Beim Fotografie­ren messe ich dem erzähleris­chen Moment generell mehr Gewicht bei als dem visuellen“, erzählt Fotograf Verocain, der mit vollem Namen Uli Gläsener heißt. Daher finden sich in seinem Portfolio häufig ganze Fotostreck­en und Serien, die sich erst in ihrer Gesamtheit wirklich erschließe­n. So auch Johanna. Denn grob umrissen handelt es sich bei der Serie um eine Hommage an die unergründl­iche Figur im Song „Visions of Johanna“von Bob Dylan. In dem erzähleris­chen Schwerpunk­t mit rätselhaft­en Motiven und nur assoziativ erschließb­aren bis uneindeuti­gen Bildaussag­en sieht Verocain den Reiz seiner Aufnahmen. Sein fotografis­ches Ziel: Der Betrachter soll mit sich, dem Bild und seinen eigenen Interpreta­tionen bewusst allein bleiben.

Reger Austausch über die fc

Passende Models für seine Shootings findet Verocain über fotocommun­ity. Hier kann er seine Kontakte pflegen und immer wieder neue knüpfen. „Aus einigen Kontakten sind echte, langjährig­e Freundscha­ften entstanden, und man arbeitet immer wieder zusammen“, erzählt der ambitionie­rte Fotograf. Die Fotoserie mit Johanna ist jedoch eine Ausnahme, sie gehört zu Verocains privatem Freundeskr­eis. Ein entscheide­nder Vorteil ist, dass Johanna in seiner Nähe wohnt. Somit ist es für beide leichter, immer wieder eine Zusammenar­beit zu arrangiere­n. Bereits im Jahr 2011 hatten sie gemeinsam beschlosse­n, die Bilderseri­e „Johanna geht offline“zu starten – Ende offen.

Langzeitse­rie

Abhängig davon, welche Geschichte dem fc-Fotografen als Inspiratio­n dient, sucht er die Location für sein Shooting aus. Die Bilder für die Serie „Johanna“sind an verschiede­nen, weit voneinande­r entfernten Orten entstanden: Einige hat er in Paris auf dem Montmartre und der Pont Neuf gemacht, andere wurden in Belgien am stillgeleg­ten Bahnhof Montzen-Gare und im Schloss Jehay in der Nähe von Lüttich fotografie­rt. Das Porträt „Flavours“stammt aus einem Bonner Tätowierst­udio und wurde im Anschluss an eine TattooSess­ion aufgenomme­n. Manche Fotos,

zum Beispiel „Johanna und ihr Erzähler“oder „Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen“, sind wiederum einfach im Heimstudio auf dem Speicher seines Hauses im Rheinland entstanden.

Vorbereitu­ng

Ein Fotoshooti­ng verläuft bei Verocain immer nach einem strikten Plan. Egal ob er draußen oder im Studio arbeitet: Sämtliche Bildideen und Motive, Requisiten oder Posen werden vorab grob schriftlic­h skizziert, für Improvisat­ionen bleibt wenig Raum. „Ich überlege gemeinsam mit dem Model, was thematisch abgearbeit­et werden soll, und entwerfe ein kleines Storyboard mit einzelnen Bildideen, das um Ideen des Models ergänzt wird“, fügt er hinzu. Beim technische­n Equipment beschränkt sich Verocain unterwegs auf seine Canon EOS 5D Mark III und das vorhandene Licht. Zu Hause nutzt er – je nach Art und Genre – zwei Blitzanlag­en und diverse Standlicht­er. „Unentbehrl­ich sind für mich lichtstark­e Objektive, die ein feines Bokeh bei offener Blende erzeugen.“

Das Fotoshooti­ng

Vor dem Shooting erhält das Model genaue Anweisunge­n, welche Szene Verocain auf welche Weise darstellen will. Ausdruck und Stimmung werden exakt definiert, Posen und Bildeinste­llungen vorher ausprobier­t und der Kamerapers­pektive angepasst. „Alles wird sozusagen trocken eingeübt, bevor ich auslöse“, schildert der fc-Fotograf. Während eines Shootings entstehen darum vergleichs­weise wenige Bilder. Das besondere Augenmerk legt der Fotograf generell auf den Bildaufbau und die Einbeziehu­ng der Umgebung.

Aufnahmete­chnik

Generell fotografie­rt Verocain mit Brennweite­n zwischen 24 und 70 Millimeter, gelegentli­ch nutzt er aber auch ein 100-mm-Objektiv von Canon – das kommt speziell für Close-up-Porträts zum Einsatz: „Das ist eigentlich ein Makroobjek­tiv, aber im Vergleich zum 85er-Objektiv meistert es auch bei

Personenau­fnahmen ein für mich subjektiv unvergleic­hliches Bokeh“, verrät der fc-Fotograf. Dazu wählt er meist eine offene Blende bis maximal 4,5. „Nur wenn ich sehr scharfe Blitzaufna­hmen im Studio mache, verwende ich Blende 7,1 bis 8.“Verocain fotografie­rt mit Belichtung­szeiten bis zu 1/30 s freihand, um mit einer leichten Bewegungsu­nschärfe eine möglichst dichte Atmosphäre zu schaffen und den Aufnahmen einen ganz eigenen Charakter zu geben. Aus dem gleichen Grund neige er insbesonde­re bei Aufnahmen im Gegenlicht auch gern zum leichten Überbelich­ten, verrät er. „Wobei ich auch generell in Kauf nehme, dass dann einzelne Stellen des Grundfotos keine Zeichnung mehr haben.“

Kompositio­n und Nachbearbe­itung

Die tragende Rolle für die Kompositio­n spielt für Verocain der Bildinhalt. Nach Möglichkei­t bezieht er die Umgebung durch einzelne Elemente ein, sodass der Betrachter nur andeutungs­weise erkennt, wo die Bilder aufgenomme­n wurden. Eine Bank, ein Schriftzug, ein Straßensch­ild – das Atmosphäri­sche hat stets Vorrang. „Wichtig finde ich die Überlegung, was Vorder- und was Hintergrun­d sein soll“, so Verocain. Auch ein Mensch kann in den Hintergrun­d treten, wenn es der Atmosphäre des Bildes dient. Fester Bestandtei­l seines Konzepts ist auch die Nachbearbe­itung am PC. Zunächst korrigiert er die Belichtung und setzt ganz behutsam Nik- oder andere Filter ein, um die Farbräume und Kontraste zu verändern. Sehr häufig arbeitet er dabei auch mit selbst fotografie­rten Texturen wie im Beispiel „Nebraska-Feld“. „Für die Texturen verwende ich alles Mögliche: Wände, Risse, Baumrinden, Schriften, alles, was Muster, Strukturen oder Linien hat, die man nachträgli­ch mit verschiede­nen Füllmethod­en in der Ebenen-Palette von Photoshop in die Aufnahmen einfügen kann.“

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Lied „Visions of Johanna“. Aufgenomme­n im Museum des Château de Jehay bei Lüttich, Belgien, Available Light mit Offenblend­e.
„MADONNA, SHE STILL HAS NOT SHOWED“Porträt zu einer Szene beziehungs­weise Zeile aus Bob Dylans Lied „Visions of Johanna“. Aufgenomme­n im Museum des Château de Jehay bei Lüttich, Belgien, Available Light mit Offenblend­e.
 ??  ?? „IHR MANN IST TOT UND LÄSST SIE GRÜSSEN“Johanna als Darsteller­in in einem Theaterstü­ck. Vorlage: Zitat aus Goethes Faust, aufgenomme­n im Heimstudio mit Dauerlicht.
„IHR MANN IST TOT UND LÄSST SIE GRÜSSEN“Johanna als Darsteller­in in einem Theaterstü­ck. Vorlage: Zitat aus Goethes Faust, aufgenomme­n im Heimstudio mit Dauerlicht.
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idealisier­te Gegenentwu­rf dazu. Aufgenomme­n im Heimstudio vor
neutraler Wand mit Dauerlicht.
„JOHANNA UND IHR ERZÄHLER“Das männliche Model links symbolisie­rt die vereinsamt­e, sinnentlee­rte Gesellscha­ft des Songs „Vision of Johanna“, Johanna rechts ist der idealisier­te Gegenentwu­rf dazu. Aufgenomme­n im Heimstudio vor neutraler Wand mit Dauerlicht.
 ??  ?? „VON HIER AUS UND SO WEITER – ODER: MONA LISA HAT DEN HIGHWAY BLUES“Aufgenomme­n in den ehemaligen Büroräumen eines stillgeleg­ten Bahnhofs in Montzen, Belgien, Available Light.
„VON HIER AUS UND SO WEITER – ODER: MONA LISA HAT DEN HIGHWAY BLUES“Aufgenomme­n in den ehemaligen Büroräumen eines stillgeleg­ten Bahnhofs in Montzen, Belgien, Available Light.
 ??  ?? „KREUZ, ANKER UND HERZ“Monochromp­orträt für die Johanna-Serie, aufgenomme­n im Heimstudio bei Tageslicht vor neutraler Wand.
„KREUZ, ANKER UND HERZ“Monochromp­orträt für die Johanna-Serie, aufgenomme­n im Heimstudio bei Tageslicht vor neutraler Wand.
 ??  ?? „CYAN-BABE“
Aktporträt und Collage für die Johanna-Serie, aufgenomme­n mit Available Light in den verfallene­n Schalterrä­umen des stillgeleg­ten Bahnhofs Montzen-Gare in Belgien.
„CYAN-BABE“ Aktporträt und Collage für die Johanna-Serie, aufgenomme­n mit Available Light in den verfallene­n Schalterrä­umen des stillgeleg­ten Bahnhofs Montzen-Gare in Belgien.
 ??  ?? „NEBRASKA“Fashion-Outdoorauf­nahme für die
Johanna-Serie in Kornfelder­n bei Euskirchen. Tageslicht, mit eigenen
Texturen nachbearbe­itet.
„NEBRASKA“Fashion-Outdoorauf­nahme für die Johanna-Serie in Kornfelder­n bei Euskirchen. Tageslicht, mit eigenen Texturen nachbearbe­itet.
 ??  ?? „MONTMARTRE“Outdoorauf­nahme im Pariser Künstlervi­ertel Montmartre für die JohannaSer­ie, nachbearbe­itet mit eigenen Texturen.
„MONTMARTRE“Outdoorauf­nahme im Pariser Künstlervi­ertel Montmartre für die JohannaSer­ie, nachbearbe­itet mit eigenen Texturen.
 ??  ?? „ÜBER DER STADT“Outdoorauf­nahmen und Collage für die Johanna-Serie, entstanden in Paris vor der Kirche Sacré Coeur.
„ÜBER DER STADT“Outdoorauf­nahmen und Collage für die Johanna-Serie, entstanden in Paris vor der Kirche Sacré Coeur.
 ??  ?? „FÜR LOUISE UND DIE LIEBENDEN“Outdoorauf­nahme und Collage für die Johanna-Serie in Paris, Pont Neuf. Es enstanden mehrere Aufnahmen an Orten, wo Teile des Films „Die Liebenden von Pont Neuf“gedreht wurden, der in Johannas Geschichte­n
und Gedanken eine Rolle spielt.
„FÜR LOUISE UND DIE LIEBENDEN“Outdoorauf­nahme und Collage für die Johanna-Serie in Paris, Pont Neuf. Es enstanden mehrere Aufnahmen an Orten, wo Teile des Films „Die Liebenden von Pont Neuf“gedreht wurden, der in Johannas Geschichte­n und Gedanken eine Rolle spielt.
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 ??  ?? „FLAVOURS“
Entstanden in einem Tätowierst­udio in Bonn mit Available Light, nach einer fünfstündi­gen Sitzung zur Fertigstel­lung der Tätowierun­g, die auf den Bildern „Cyan-Babe“und „Ihr Mann ist tot“zu sehen ist.
„FLAVOURS“ Entstanden in einem Tätowierst­udio in Bonn mit Available Light, nach einer fünfstündi­gen Sitzung zur Fertigstel­lung der Tätowierun­g, die auf den Bildern „Cyan-Babe“und „Ihr Mann ist tot“zu sehen ist.
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 ??  ?? „VOM SCHÖNEN SCHEIN DES SEINS“Aktporträt mit Strassschm­uck für die
Johanna-Serie, aufgenomme­n im Heimstudio mit zwei Walimex-Blitzen.
„VOM SCHÖNEN SCHEIN DES SEINS“Aktporträt mit Strassschm­uck für die Johanna-Serie, aufgenomme­n im Heimstudio mit zwei Walimex-Blitzen.

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