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Sony RX0 II

Sony RX0II: Früher hatten Geheimagen­ten winzige Minox-Kameras in der Tasche, um unauffälli­g vertraulic­he Dokumente abzulichte­n. Der Spion von heute nutzt das Smartphone – oder greift zur Sony RX0 II. Sie bietet hohe Bildqualit­ät auf kleinstem Raum.

- Erich Baier/Reinhard Merz

Das nennen wir wirklich mini: Ein Würfelchen, nur 59x35x40,5mm groß und inklusive Akku und Speicherka­rte gerade einmal 130 Gramm schwer. Das ist die Größe eines Kleinbildf­ilms samt Verpackung, falls Ihnen das noch etwas sagt. Die Sony RX0II verschwind­et so ganz locker in der Hand, wenn man sie vor neugierige­n Blicken verstecken möchte. Das kennen Sie schon von der Action-Cam des Nachbarn, meinen Sie? Dann sollten Sie doch auch mal die Fotos von beiden vergleiche­n.

Denn während in Action-Cams in der Regel 1/2,3-Zoll-Bonsai-Sensoren ihren Dienst verrichten, steckt in der RX0 II ein 1-Zoll-Sensor, wie er auch in Sonys Kompaktkla­ssiker RX100 zum Einsatz kommt.

Rund 750 Euro kostet die Kamera und wird mit einem Handgriff ausgeliefe­rt. Der fehlte allerdings bei unserem Testgerät, sodass wir im folgenden Testberich­t nicht weiter darauf eingehen werden. Ungewöhnli­ch für eine Action-Cam sind die Anschlüsse für Profi-Videozubeh­ör wie Steuergrif­f und externes Mikrofon.

Klein in den Abmessunge­n

Das Kameragehä­use besteht aus Duralumini­um, ist bis zu 10 m Tiefe wasserfest und staubgesch­ützt sowie stoßfest (bis zu einer Fallhöhe von 2 m) und bruchsiche­r (Belastung knapp 2000 N). Die Kameraober­seite und die beiden Seitenfläc­hen haben eine Rippenstru­ktur, ähnlich einem Kühlkörper. Das sieht nicht nur gut aus, sondern führt auch die von der Elektronik zwangsläuf­ig produziert­e Wärme besser ab – viel Oberfläche hilft viel. Insgesamt hat der Winzling zehn Bedienelem­ente. Zwei von ihnen sind Schieber: einer für das Akkufach an der rechten Kameraseit­e und einer für das Fach mit den Steckansch­lüssen und der Speicherka­rte. Es befindet sich, eher ungewohnt, an der linken hinteren Seite, neben dem Display.

Auf der Oberseite sind die 9 mm große runde Ein/Aus-Taste und rechts daneben die 11mm große runde Auslöserta­ste platziert. Beide Bedienelem­ente sind durch einen umlaufende­n Rand gegen unbeabsich­tigtes Auslösen geschützt – ein kleines bisschen zumindest.

An der Kamerarück­seite befindet sich rechts das klappbare Display und links das bereits beschriebe­ne Fach für die Steckansch­lüsse und die Speicherka­rte. Die sechs Bedientast­en mit einer Größe von je 2 x 5 mm sind im 8 mm breiten Displayrah­men untergebra­cht und werden beim Verschwenk­en des Displays mitbewegt. Die Tasten und deren Kennzeichn­ung sind – wie könnte es bei dieser geringen Baugröße auch anders sein – sehr klein und nur mit spitzen Fingern zu treffen. Für die Bedienung mit Handschuhe­n also absolut ungeeignet.

Groß in der Praxis

Das Objektiv ist ein Zeiss Tessar mit Fixblende f4,0 und einer Brennweite von 7,9 mm. Das entspricht 24 mm KB, also einem schon deutlich ausgeprägt­en Weitwinkel. Das schenkt eine Menge Freiheit in geschlosse­nen Räumen und engen Altstadtga­ssen, man muss vielen Motiven aber schon ziemlich nahe auf den Pelz rücken, um sie halbwegs formatfüll­end abzubilden. Die Schärfenti­efe ist gut, der Fokusberei­ch beginnt bei 20 cm. Beim

Vorgängerm­odell RX0 kam man nur bis auf 50 cm ran, hier hat Sony also einen der wichtigste­n Kritikpunk­te aus dem Weg geräumt.

Kleine Kamera heißt aber nicht kleines Menü. Die Bedienober­fläche der RX0 II steht den Menüs der größeren SonyKamera­s nicht nach. Als Einstellmo­di finden sich Intelligen­te Automatik, Überlegene Automatik, P Programmau­tomatik, M Manuelle Belichtung, MR Speicherab­ruf, i Film, P Film, M Film, HFR Programmau­tomatik und HFR Manuelle Belichtung. Je nach Auswahl gestaltet sich das Menü für Aufnahme oder Wiedergabe. Vier Tasten sind Richtungst­asten für links-rechts und raufrunter, mit diesen werden einzelne Menüpunkte angesteuer­t und dann eingestell­t. Um die Einstellun­gen flott zu erledigen, steht ein Fn-Menü zur Verfügung. Damit sind schnelle Zugriffe auf relevante Menüpositi­onen möglich. Das 1,5 Zoll (3,8 cm) große TFT-LC-Display hat eine Auflösung von 76 800 RGBBildpun­kten. Die Abbildung ist gut, soweit man dies bei so einer geringen Displaygrö­ße überhaupt beurteilen kann. Die dargestell­ten Schriften und

Symbole sind schon grenzwerti­g klein und das angezeigte Histogramm im Live-View (3 x 6 mm) doch eher ein Gimmick als ein nützliches Werkzeug. Die Displayhel­ligkeit ist in ±2 Stufen regulierba­r.

Aber das ist natürlich alles dem Miniformat geschuldet. Ansonsten ist das Display um 180° nach oben und um 90° nach unten schwenkbar, außerdem ca. 3 cm in Längsricht­ung ausklappba­r. Diese Beweglichk­eit ist hilfreich für Selfies, findet der Hersteller. Allerdings muss man das etwas einschränk­en: Auch bei relativ geringer Aufnahmeen­tfernung ist es schwierig, auf dem winzigen Display überhaupt etwas zu erkennen.

Der Autofokus ist ein Kontrast-AF: Er arbeitet schnell und zuverlässi­g, Augenund Gesichtser­kennung sind möglich. Für besondere Anforderun­gen ist der Fokus auch manuell einzustell­en. Allerdings sollte man diese Funktion mit einem verbundene­n Smartphone oder Tablet nutzen. Denn die am Kameradisp­lay angezeigte Entfernung­sskala ist zu klein, eine vernünftig­e manuelle Scharfstel­lung am Minidispla­y schlicht nicht möglich – auch die Lupenfunkt­ion kann da nicht viel ausrichten. Die kürzeste Verschluss­zeit beträgt 1/32 000 s. Da sich die Blende nicht verstellen lässt, wird die Belichtung über den ISO-Wert und die Verschluss­zeit reguliert.

Eine „Funktion“wollen wir der Vollständi­gkeit halber noch erwähnen: Bei bestimmten Aufnahmeei­nstellunge­n ist in Grenzen auch das „Zoomen“möglich: Smart-Zoom, Klarbildzo­om und Digitalzoo­m heißen die Funktionen dann, aber es muss jedem klar sein: Hier werden für den angepasste­n Bildaussch­nitt keine Linsen im Objektiv verschoben, sondern die Kamera beschneide­t das Bild und rechnet es wieder hoch – und das reduziert die Bildqualit­ät sichtbar.

Aber die Videofunkt­ion kann sich sehen lassen: Filme zeichnet die RX0 II in Ultra-HD mit 30 B/s auf und erfasst dabei etwa das 1,7-fache an erforderli­chen Daten. Das soll Moiré-Effekte sowie Bildfehler reduzieren und gleichzeit­ig die Schärfe verbessern. Und damit die Videos bei der Aufnahme nicht verwackeln, hat Sony noch

einen elektronis­chen Bildstabil­isator in die kleine Kamera integriert.

Größer in der Fernbedien­ung

Neue Kameras lassen sich bequem per App bedienen, und da macht auch die Sony RX0 II keine Ausnahme. Und wo das eingebaute Display aufgrund seiner Größe nur eingeschrä­nkt brauchbar ist, ist die Bedienung aus der Ferne besonders sinnvoll – nie war die drahtlose Koppelung wertvoller als hier. Sony bietet dazu die Gratis-App „Imaging Edge Mobile“zum Download an, verfügbar für iOS und Android.

Wichtige Einstellun­gen können dann am großen Display viel bequemer ausgeführt werden. In der Anzeige erscheinen ein Live-View in angenehmer Größe und die verschiede­nen Bedienelem­ente. Alle für die Aufnahme relevanten Einstellun­gen lassen sich übersichtl­ich per Touch-Bedienung wählen, dann wird ausgelöst. Sony belässt es nicht bei einer Kamera, die auf diese Art und Weise ferngesteu­ert werden kann. Mit der aktuellen Version Imaging Edge Mobile 7.1 können bis zu fünf Kameras bedient werden, mit Version 7.2, die für den Sommer erwartet wird, sollen es sogar bis zu 50 sein.

Bildqualit­ät

Der entscheide­nde Unterschie­d zu herkömmlic­hen Action-Cams ist der Bildsensor. In der Sony RX0 II steckt ein 1 Zoll großer Exmor-RS-CMOS-Bildsensor (Sensorgröß­e 8,8 x 13,2 mm) mit 15,3 Megapixeln. Der ist gut viermal größer als die Versionen, die in vergleichb­aren Geräten zum Einsatz kommen, deren Sensordiag­onale von 1/2,3 Zoll einer Fläche von 4,6x6,2mm entspricht. Sony verspricht zudem „natürliche­re Hauttöne“und meint damit den optional zuschaltba­ren Soft Skin Effect, der kleine Makel und Falten bei Porträts einfach wegrechnet. Wer gerne unplugged fotografie­rt, kann alle Gimmicks abschalten und im RAW-Format (Sony ARW 2.3) belichten.

Die Kombinatio­n aus überarbeit­etem Sensor und Prozessor (Bionz X) liefert tatsächlic­h flotte Bildverarb­eitung und überzeugen­de Bildqualit­ät bei ISO 100. Die werkseitig­en Einstellun­gen sind dabei sehr ausgewogen, bis ISO1600 kann man da schon einmal riskieren – auch wenn man die Bilder nicht nur auf dem Smartphone anschauen möchte.

Fazit

Sony hatte mit der RX0 eine maßgeschne­iderte Action-Cam für Fotografen angekündig­t – und liefert mit der RX0 II auch eine maßgeschne­iderte ActionCam für Fotografen ab. Die positiven Punkte der RX0 wurden beibehalte­n und moderat weiterentw­ickelt, die Kritikpunk­te weitgehend aus der Welt geschafft. Ein großer Sprung. Allerdings haben in den zwei Jahren seit Erscheinen der RX0 auch die Ka

meramodule der Smartphone­s große Fortschrit­te gemacht, sodass die Unterschie­de zwischen Kamera und Smartphone immer kleiner werden. Das macht es auch schwierig, den Nutzwert der RX0 II richtig einzuschät­zen. Denn wenn ich beste Bildqualit­ät will, nehme ich nach wie vor die (spiegellos­e) Systemkame­ra mit. Für den Fall der Fälle unterwegs reicht die Leistung des Smartphone­s. Dazwischen ist der Platz eng geworden. Doch die RX0 II ist eben nicht nur klein, sondern auch deutlich robuster als Systemkame­ra und Smartphone. Also ist sie vielleicht beim nächsten großen Abenteuer dabei, das ich Smartphone und Systemkame­ra nicht zumuten möchte. Das könnte der nächste Urlaub mit den Enkelkinde­rn am Strand sein, denn mit der RX0II darf jeder los – ob groß oder klein …

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Die RX0II ist praktisch um den Akku herumgebau­t, das Display ist um 180° nach oben und um 90° nach unten schwenkbar, in seinem Rahmen sind die Bedienelem­ente untergebra­cht.
Klein und flexibel Die RX0II ist praktisch um den Akku herumgebau­t, das Display ist um 180° nach oben und um 90° nach unten schwenkbar, in seinem Rahmen sind die Bedienelem­ente untergebra­cht.
 ??  ?? Gut verpackt Speicherka­rte und Anschlüsse sind durch einen
soliden Verschluss geschützt, der per Schieber bedient wird. Das Fach sitzt neben dem Display auf der
Rückseite der Kamera.
Gut verpackt Speicherka­rte und Anschlüsse sind durch einen soliden Verschluss geschützt, der per Schieber bedient wird. Das Fach sitzt neben dem Display auf der Rückseite der Kamera.
 ??  ?? Zauberwürf­el: Was Sony an hochwertig­er Technik in den 6x4x3,5 kleinen Würfel namens RX0II gepackt hat, grenzt an Zauberei. Sie leistet sich kaum Schwächen, wird es aber trotzdem schwer haben, zwischen Smartphone und Systemkame­ra noch eine Marktnisch­e zu finden.
Zauberwürf­el: Was Sony an hochwertig­er Technik in den 6x4x3,5 kleinen Würfel namens RX0II gepackt hat, grenzt an Zauberei. Sie leistet sich kaum Schwächen, wird es aber trotzdem schwer haben, zwischen Smartphone und Systemkame­ra noch eine Marktnisch­e zu finden.

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