Siegfried Layda präsentiert die fotogene Vielfalt von Singapur.
Singapur. Kleiner als Berlin und etwa zwölf Flugstunden davon entfernt – kann das ein lohnendes Reiseziel für einen längeren Aufenthalt sein? „Unbedingt“, findet Profifotograf Siegfried Layda. „Singapur ist multikulturell und bietet eine enorme Vielfalt an Motiven. Man meint, ganz Asien sei hier in einer Stadt versammelt.“
Singapur ist ein Stadtstaat in Süd ostasien, an der Südspitze der malaysischen Halbinsel gelegen. Mit einer Fläche von rund 720 Quadrat kilometern ist Singapur kleiner als Berlin und von dort etwa zwölf Flug stunden entfernt.
Für viele Reisende ist Singapur le diglich ein strategisch günstiger Ort für eine Zwischenlandung auf dem Weg nach Australien oder Neuseeland. Mein eigentliches Ziel war China, als ich 2006 zum ersten Mal in Singapur landete und ein paar Tage dort ver brachte. Damals galt mein Hauptinter esse der spektakulären Skyline und anderen Stadtansichten. Ich hatte den Eindruck, damit alles Wesentliche fotografiert zu haben – ein Irrtum, wie sich später herausstellen sollte.
In den zwölf Jahren nach meiner ersten Stippvisite begegnete mir Singapur wiederholt in Pressemeldungen und Reiseberichten – vor allem wegen sei ner „Supertrees“. Das sind künstliche, bis zu 50 Meter hohe Bäume aus Stahl gerüsten, bepflanzt mit tropischen Ge wächsen. Sie stehen in „Gardens by the Bay“, einem großzügig angelegten Park, der auch die spektakulären Glas gewächshäuser Cloud Forest und Flo wer Dome beherbergt.
Zwei Wochen Singapur
Projekte wie diese haben das ehrgeizige Ziel, aus Singapur eine Metropole im Grünen zu machen. Immerhin geht es hier um das Lebensgefühl von derzeit mehr als sechs Millionen Einwohnern, denn Singapur ist eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt. Ein Prototyp für die grüne Megacity der Zukunft? Mein Interesse für Singapur war jeden falls aufs Neue geweckt. 2018 konkreti sierten sich meine Reisepläne: diesmal zwei Wochen Singapur, sonst nichts.
Fotografieren und schwitzen
Nach dem Einchecken im Hotel zurück im Freien, stelle ich mich den ersten Schwitzattacken: Singapur liegt etwa 140 Kilometer vom Äquator entfernt, die Lufttemperatur beträgt ganzjährig um 30 Grad Celsius, die Luftfeuchtig keit über 80 Prozent. Innenräume sind meistens überklimatisiert. Das erfrischt zwar, birgt aber auch die Gefahr von Erkältungen. Beim Fotografieren be währt sich leichte Baumwollkleidung. Trinkwasser habe ich immer dabei,
in einer Isolierflasche bleibt es über längere Zeit gut gekühlt.
Den ersten Tag beginne ich mit einem entspannten Stadtbummel entlang des Singapore Rivers. Als Fußgänger hat man es gut hier, zu allen Tageszeiten. Der Fußweg am Wasser unterquert die Straßen, kurz vor der Flussmündung bieten sich schöne Blicke auf die Skyline des Central Business Districts. Im Merlion-Park begegne ich dem inoffiziellen Wahrzeichen der Stadt: Der Merlion ist eine 8,6 m hohe, wasserspeiende Statue; sein Name setzt sich aus den englischen Wörtern „mermaid“(Seejungfrau) und „lion“(Löwe) zusammen. Immer wieder fesselt mich die Skyline, ich staune über Höhe und Weite. Überwiegend fotografiere ich mit dem 12-24-mm-Weitwinkelzoom.
Singapur ist eine dynamische Stadt. Die Infrastruktur verbessert sich ständig, neues Land wird aufgeschüttet und für Bauprojekte oder Parks hinzugewonnen. Gebäude mit avantgardistischer Architektur entstehen, zu den jüngeren Beispielen zählt das Hotel Marina Bay Sands. Seine drei Türme mit je 55 Etagen tragen in 191 m Höhe einen 340 m langen Dachgarten mit Infinity-Pool. Einschließlich der Grundstückskosten soll der Bau umgerechnet 4,6 Milliarden Euro verschlungen haben.
Dynamisch und multikulturell
Auch die architektonischen Kontraste, als Folge der britisch-kolonialen Vergangenheit, wecken mein Interesse. Der historische Teil von Chinatown wurde aufwendig renoviert, viele Häuser
erstrahlen jetzt in bunten Farbtönen. Laternen schmücken die Straßen im touristischen Zentrum zu festlichen Anlässen. Der buddhistische „Temple of the Sacred Tooth Relic“in der South Bridge Road wurde zwar erst 2007 fertiggestellt, besitzt aber traditionell-ostasiatische Strahlkraft. Vormittags von ungefähr 10 bis 11 Uhr finden dort Gebetszeremonien statt. Singapur ist multikulturell, neben Chinesen leben hier Inder und Maleien, Gastarbeiter und Einwanderer aus aller Welt. Der Stadtteil Kampong Glam („Dorf des Glam Baumes“) ist muslimisch geprägt. Nachdem die früher vorherrschenden Sümpfe trockengelegt worden waren, entwickelte sich das Gebiet zur islamischen Begegnungsstätte, mit der Sultan-Moschee als
Mittelpunkt. In der Arab Street stößt man auf viele Teppich- und Textilgeschäfte. Little India, der indische Stadtteil, präsentiert sich farbenprächtig und exotisch. Die Buffalo Road ist eine der buntesten Straßen mit vielen Restaurants und Geschäften. Historisch bedingt überlagern sich die religiösen Einflüsse der verschiedenen Stadtgebiete. So findet man auch in Little India eine kleine, 1910 fertiggestellte Moschee (Abdul Gaffoor Mosque), fünfmal täglich rufen dröhnende Lautsprecher zum Gebet. Vor allem für detailverliebte Fotografen ist der Hindutempel (Sri Veeramakaliamman Temple) interessanter: Viele farbig bemalte Götterfiguren schmücken filigran gestaltete Szenen. Der 1855 erbaute Tempel wird regelmäßig renoviert.
Die grüne Metropole
Beim Blick über die Marina Bay sieht man ein Highlight der Stadt schon von
Weitem – den bereits erwähnten Park „Gardens by the Bay“mit seinen „Supertrees“. Am eindrucksvollsten ist der Anblick bei Einbruch der Dunkelheit: Die mit Solarstrom betriebene Lightshow taucht die Bäume zweimal pro Abend in magisches Licht. Der Flower Dome wurde 2015 als größtes gläsernes Gewächshaus der Welt ins Guinness-Buch aufgenommen und beherbergt Pflanzen, die typisch für mediterrane Klimazonen sind.
„Singapur hat sich zu einer Vorzeigestadt in Asien entwickelt“
Siegfried Layda, Fotograf
Das zweite Glashaus (Cloud Forest) beherbergt eine tropische Vegetationszone auf Höhen 1000 bis 3000m über dem Meer. Auch ein 35 m hoher Wasserfall ist Teil des Biotops. Ich frage mich: Werden Menschen einst in eingeglasten Riesenbiotopen leben, wenn sie der Klimawandel aus ihrer angestammten Umgebung vertrieben hat? Ein Denkansatz, den T.C. Boyle in seinem Roman „Die Terranauten“literarisch verarbeitet hat.
Eine weitere grüne Stadtoase ist der Botanische Garten, der 2015 in das
UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Im Orchideengarten (National Orchid Garden) findet man die weltweit größte Orchideensammlung. Unter den etwa 1000 Gattungen mit bis zu 30 000 Arten gibt es eine Orchidee namens „Dendrobium Angela Merkel“; sie wurde der deutschen Bundeskanzlerin 2011 im Rahmen einer feierlichen Zeremonie gewidmet. Innerhalb von nur 50 Jahren hat sich Singapur zu einer Vorzeigestadt in Asien entwickelt. Jeder freie Platz wird begrünt, das tropische Klima lässt
Pflanzen üppig wuchern. Ein- bis zweimal am Tag aber wünsche ich mir weniger Tropenatmosphäre: Im Hotel kühlen die Geräte ab und beschlagen binnen Sekunden, wenn ich den Fuß vor die Tür setze.
Deshalb verstaue ich die Kamera samt Objektiv separat in einem Plastikbeutel und setze sie sofort der Sonne aus. Nach zehn Minuten kann ich loslegen. Wird auch Zeit, denn inzwischen habe ich schon wieder ein Dutzend neuer Motive entdeckt.