Serie: 50 Jahre COLORFOTO
In der letzten Ausgabe hatten wir einen Blick auf die Entwicklung der Fotografie in den 1970er-Jahren geworfen. Die Mikroelektronik, die dieser Dekade ihren Stempel aufdrückte, sorgt auch in den 1980er-Jahren für die größte Umwälzung: den Autofokus. In di
COLORFOTO im Wandel der Zeit
Der Autofokus war kein Innovationssprung, vielmehr ein langer Marsch in vielen kleinen Schritten. Begonnen hatte es mit der Entfernungseinstellung mit Einstellring und eingravierter Meter/Feet-Skala, über die Jahre waren dann Fokussierhilfen wie Messsucher, Mikroprismenringe, Mattscheiben und Schnittbildindikatoren dazugekommen, die das manuelle Fokussieren immer weiter erleichterten und die Anzahl unscharfer Aufnahmen deutlich reduzierten.
1977 hatte Konica die C35 AF mit einem Autofokussystem von Honeywell Visitronic auf den Markt gebracht, und ein Jahr später zog Polaroid mit der „Sonar Onestep Kamera“nach. Während das Konica-System passiv war, schickten die Sonar Ones einen unhörbaren Ton im Ultraschallbereich zum Objekt und berechneten die Entfernung für die automatische Scharfstellung
aus der Zeit, die der Ton für die Strecke von der Kamera zum Objekt und wieder zurück zur Kamera benötigte.
Der AF geht in Serie
So richtig angekommen ist der AF aber erst in den 1980ern. 1981 war die Pentax ME F die erste in Serie gebaute Autofokus-Spiegelreflexkamera für den 35-mm-Film. Sie verfügte über einen in das Gehäuse integrierten Kontrastautofokus, der den Fokussiermotor des speziell für die ME F konstruierten Objektivs SMC Pentax AF 2.8/35-70mm über elektrische Kontakte im Bajonett steuerte. Mit Strom wurde das Objektiv von vier AAA-Batterien versorgt, was es schwer und unhandlich machte. Die im April 1983 erschienene Nikon F3 AF wurde mit dem AutofokusSucher DX-1 ausgeliefert. Zwei spezielle Objektive mit Fokusmotor erlaubten das automatische Fokussieren. Es handelte sich um ein in sich abgeschlossenes frühes Autofokussystem, das nicht mit späteren Systemen kompatibel war.
1985 präsentierte Minolta die Minolta 7000 und 9000, die ersten KleinbildSpiegelreflexkameras mit AF, die man als alltagstauglich bezeichnen konnte – Jahre, bevor die Konkurrenz vergleichbare Systeme marktreif hatte. COLORFOTO schrieb dazu: „Mit dem neuen Modell 7000 bringt Minolta nicht nur eine verbesserte Kamera auf den Markt, sondern ein völlig neues System mit ebenso neuen Objektiven. Ist ein solches Autofokus-System ein Wagnis oder eine Notwendigkeit, dem Fotografen praxisnahe Technik anzubieten?“Schnell sollte der Markt die Frage beantworten. Nikon lizenzierte die Autofokustechnologie und brachte schon ein Jahr darauf die Nikon F-501 auf den
Markt. Für die Nikon-Familie – die es damals gerne etwas klassischer hatte – sehr gewöhnungsbedürftig. COLORFOTOTester Alexander Borell bemerkte süffisant: „Wer den Mut hat, sich elektrisch zu rasieren, bringt auch den Mut auf, sich dieser Kamera anzuvertrauen – und er wird es nicht zu bereuen haben!“Canon setzte auf eine Eigenentwicklung und konnte die ersten AF-Modelle erst 1987 präsentieren (Canon EOS 650 und EOS 620). Ein Jahr später folgte mit der Minolta Dynax 7000i bereits die zweite Generation der AF-Kameras von Minolta mit „vorausberechnendem“AF, drei AF-Sensoren und der Fähigkeit zur Bewegungserkennung. Eine weitere aufsehenerregende Neuheit kam 1981 von Rollei: die SL 2000 F, die, so COLORFOTO damals „echte Sensation der Kleinbild-Spiegelreflex-Kamera, die mit der Ur-Leica endlich bricht.“Sie war in mehrfacher Hinsicht einzigartig: Keine andere KB-Kamera weist das von Mittelformatkameras bekannte kubusförmige Design auf. Diese Konstruktion machte die technische Ausstattung der SL2000 erst möglich: Wechselmagazine: integrierter Motor für drei Bilder pro Sekunde; Lichtschachtund Prismensucher mit einstellbaren Dioptrien; diverse Sucherscheiben zum Wechsel ohne Werkzeug; Belichtungsautomatik, die bei Abblendung voll erhalten bleibt; Information mit Leuchtdioden in digitaler Anzeige neben dem Sucherbild usw. Als weitere Besonderheit hatte die SL 2000 F serienmäßig zwei Auslöser, das Nachfolgemodell – die 3003 – sogar drei.
Technisch top – finanziell ein Flop
Trotz fantastischer Technik und hoher Funktionalität war dem Rollei-Kubus wirtschaftlich kein Erfolg beschieden. Von der SL 2000 F wurden bis Mitte 1984 lediglich 4800 Stück produziert, vom Nachfolgemodell Rolleiflex 3003 nur noch 2800. Rechnet man die mickrigen Erlöse gegen den hohen Entwicklungsaufwand wird klar, dass das eigentlich geniale Konzept kräftig zum Niedergang der Marke Rollei beitrug. Eher auf Evolution denn auf Revolution setzte Nikon. Nachdem die legen
däre Nikon F in den 1960er-Jahren den weltweiten Ruf des japanischen Herstellers begründet hatte, festigte die F2 der 1970er den Ruf als Profi-Kamera. Zu Beginn der 1980er präsentierte man die neue F3 dem Publikum und gab bekannt, dass die NASA diese Kamera zum Einsatz im Space Shuttle vorgesehen hätte, was damals die Speerspitze der Technik darstellte.
Hitech im robusten Body
Auch Canon spendierte seinem Spitzenmodell – der F-1 – ein Facelifting. Für die Ingenieure stellte sich die Aufgabe, moderne Kameraelektronik in einem Gehäuse unterzubringen, das in erster Linie auf Robustheit getrimmt war. Schließlich entschied man sich für ein Baukastenprinzip, bei dem das Grundmodell eine Kamera mit mechanischem Verschluss von 1/2000 bis 1/60s war. Erst der Prismensucher „AE Finder FN” machte daraus eine Kamera, die automatische Belichtungssteuerung mit Zeitautomatik bei Blendenvorwahl beherrschte. Die Umschaltung erfolgte über einen Steuernocken an der Seite des Suchers.
12 Jahre nach der RB67 brachten die Japaner mit der RZ67 ein zeitgemäßes Nachfolgemodell, das die COLORFOTOTester begeistern konnte: „Zusammengefasst sind die wenigen, durchaus behebbaren Mängel gegenüber den vielen guten bis hervorragenden Eigenschaften der neuen RZ67 unbedeutend.“Man traute ihr zu, „auch schwierige fotografische Aufgaben mit einem Minimum an Bedienungsaufwand, einem Maximum an Betriebssicherheit und mit höchsterreichbarer Abbildungsqualität zu meistern.“Da die RBObjektive auch an der RZ nutzbar waren, existierten beide Modell noch viele Jahre friedlich nebeneinander. Auch am anderen Ende der Größenskala, bei den kompakten Kameras, hielt die Elektronik immer weiter Einzug. Damit liefen die verschiedenen Modelle der Minox-35-Reihe der Rollei 35 nach und nach den Rang ab. Wie diese hatten sie ein versenkbares Objektiv, passten in jede Tasche und nutzten den universalen Kleinbildfilm. Wer es noch kleiner wollte, musste Abstriche beim Filmformat machen. Von Pentax kam mit der Auto 110 eine der kleinsten Spiegelreflex-Pocketkameras, die auf dem Weltmarkt jemals angeboten wurden, und die einzige mit Wechselobjektiven. In den 80ern kam noch ein 20-40mm-Zoom dazu, das aus der
Auto 110 einen schnuckeligen Vorgänger der Vario-Miniknipsen machte.
Ohne Hebel und Stellräder
Canon läutet 1984 die Abkehr von mechanischen Bedienelementen ein. Die T70 war die erste SLR mit großem LCDisplay. Und COLORFOTO war begeistert: „Canon hat – auch dem Laien erkennbar und einleuchtend – ein enormes Paket technischen Könnens so einfach steuerbar in der T70 untergebracht, dass man ihre Funktionen nach kurzem Spiel mit der Kamera nicht nur kennt, sondern sie auch anzuwenden weiß. Es gibt an der T70 keine Hebel oder Stellräder mehr. Mit einem Hauptschalter und fünf Tasten, von denen Sie meistens nur drei brauchen, fotografieren Sie alles, was Ihnen vor das Objektiv kommt, fototechnisch optimal.“
Was die 1980er sonst noch brachten? Die Nikon FM2 schraubte die kürzeste Verschlusszeit auf 1/4000s, die Blitzsynchronzeit auf 1/200 s. Die Olympus OM-4 ermöglichte Spotbelichtungen mit bis zu acht verschiedenen Messungen (Multi-Spot). Tokina läutete mit einem 35–200er die Ära der Superzooms ein. Und mit Einführung des CS-Systems für Dias hielten Projektormagazine dank dünner Kunststoffrähmchen auf gleichem Platz doppelt so viele Dias. Auch ziemlich schräge Entwicklungen hatten die 1980er-Jahre zu bieten. Mit dem 1982 eingeführten Disc-System wollte Kodak nicht etwa den Kleinbildfilm ablösen, sondern vielmehr die weniger technikaffinen Zielgruppen ansprechen – die keine Lust hatten, Filme aus der Patrone zu fummeln und einzulegen – und so den Absatz von
Fotoprodukten ankurbeln. Verpackt im Stil einer 3,5-Zoll-Diskette (die erst später kam), war der Film kreisförmig um einen Plastikkern aufgebracht. Viel Aufwand, der sich nicht rechnete. Das System war nur wenige Jahre auf dem Markt und verschwand dann Ende der 1980er-Jahre wieder.
Noch schräger wurde es 1983. Die amerikanische Firma Nimslo hatte ein 3D-Verfahren ohne Brille entwickelt, das durch die Foto- und Wirtschaftspresse geisterte. Für dreidimensionale Fotos nahmen vier Objektive vier Negative auf, die in einem „Printer“umkopiert wurden. So entstanden Lentikularbilder, die mittels winziger optischer Linsen einen dreidimensionalen Eindruck erzeugen. Eine Technik, die von 3D-Ansichtskarten bekannt ist.
Bei COLORFOTO war man mächtig stolz, als weltweit erste auflagenstarke Fotozeitschrift ein Nimslo-3D-Bild präsentieren zu können: „Für diesen Beitrag recherchierte ein Redaktionsteam bei Nimslo in Atlanta; außerdem mussten 150 000 Bilder in einer atemberaubend kurzen Zeit in den USA hergestellt, nach Deutschland geflogen und hier von Hand auf jede Titelseite dieser Ausgabe aufgeklebt werden.“
Aufbruch in 3D- Welten
Firmenchef Dr. Jerry C. Nims wird mit den Worten zitiert: „Unser 3D-System wird die Fotografie, so wie wir sie heute kennen, verändern – und zwar von Grund auf. Die Welt ist dreidimensional … und die Zukunft wird dem dreidimensionalen Bild gehören, nicht nur in der Fotografie, sondern auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel Fernsehen, Film und Video.“Fast prophetisch fügte er an: „Bis sich diese Erkenntnis durchsetzt, wird etwas Zeit vergehen; ähnlich wie das auch bei Einführung der Farbfotografie der Fall war.“Das war nicht übertrieben, denn auf den breiten Durchbruch warten wir auch 37 Jahre später noch. Minolta baute – und das ist kein Witz – eine sprechende Kamera. So manchem Fotografen soll es die Sprache verschlagen haben, als die Kamera von
Minolta ihn freundlich, aber bestimmt mit menschlicher Stimme ansprach. Die Rationale dahinter: Statt den Kunden in der Gebrauchsanweisung nachsehen zu lassen, was dieses oder jenes Piepen bedeutet, wollte man die Kamera gleich im Klartext sagen lassen, was nützlich und wichtig ist. „Bitte Film einlegen …“. Ob es sich um ein geniales Mensch-Maschine-Interface handelte oder um einen schlechten Gag, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Fest steht: Auch dieser Erfindung war keine große Zukunft beschieden. Auf neue Technik setzte man aber auch im altehrwürdigen Schwarzweißfach. Wo bisher in Negativen ein Bild aus metallischem Silber entwickelt wurde, hielten 1981 die von den Farbnegativfilmen bekannten Farbkuppler Einzug: im Agfapan Vario XL und im Ilford XP1. Diese Filme konnte man über einen weiten Empfindlichkeitsbereich belichten und – für Fotografen ohne eigenes Labor noch wichtiger – man konnte sie bequem im Standardprozess C41 entwickeln lassen.
Der Film wird hochempfindlich
Die letzte entscheidende Verbesserung des Schwarzweißfilms folgte 1986: Die T-Grains in Kodaks T-Max und später die Delta-Grains in Ilfords Delta-Filmen sorgten für feineres Korn und ausgewogenere Bilder. In der Farbfotografie erreichte der Kodacolor VR-1000 mit T-Grain-Kristallen als erster Film die Empfindlichkeit ISO 1000/31°, und mit dem 3M: ColorSlide 1000 erschien der erste Diafilm mit dieser Empfindlichkeit auf dem Markt. Last, but not least: Die Einführung der DX-Codierung ermöglicht das automatische Abtasten der Filmempfindlichkeit im Gehäuse. COLORFOTO brachte es in den besten Tagen auf die stattliche Auflage von 160 000 Heften monatlich – eine Zahl, die stets stolz auf dem Titel prangte. Das war aber häufig auch das Beste, was sich über die Titelseiten sagen ließ. Es gab viel nackte Haut, und nicht immer konnte man das wohlwollend unter „künstlerisch wertvoll“abbuchen. Manchmal war es einfach nur peinlich – aus heutiger Sicht, versteht sich. Aber wem geht das nicht so, wenn er Bilder von sich selbst aus dieser Zeit sieht? Ende 1984 übernahm Michael Tafelmaier die COLORFOTO-Chefredaktion. Seine Vision für eine moderne Fotozeitschrift kündigte er in seinem ersten Editorial an: „Die neue Aufgabe, die mir von der Geschäftsleitung des Foto-Zeitschriften
Verlags übertragen wurde, ist für mich Herausforderung und Ansporn zugleich: mich darum zu bemühen, dass Sie, die Leser von COLOR FOTO, jeden Monat eine Zeitschrift bekommen, die Ihnen Anregungen gibt, die Ihnen sagt, wie Sie zu besseren Fotos kommen, Ihnen beim Kauf von Fotogeräten beratend zur Hand geht und Ihnen mit all dem Spaß an Ihrem schönen Hobby Fotografie vermittelt.“Dieses Konzept prägt COLORFOTO bis heute.
Digital-Steinzeit
Vom heranziehenden Digital-Tsunami war Ende der 1980er noch nichts zu spüren. Die erste Kamera, die Fotos elektronisch und nicht auf Silberfilm speicherte, kam von Sony, einem Hersteller, der Fotografen dieser Epoche bestenfalls vom Walkman bekannt war. Sonys Magnetic Video Camera System (MAVICA) speicherte Standbilder auf Disketten. Die innovative Mavica hatte einen CCD-Bildwandler für die Aufnahme (mit 570 x 490 Pixeln Auflösung und einer Empfindlichkeit von ISO 200), speicherte die Bilder jedoch nicht digital, sondern als analoges Videostandbild. Vor der Weiterverarbeitung an einem Computer musste man das
Bildsignal mit einer Analog/DigitalWandlerkarte digitalisieren. Der PC war gerade erst erfunden worden und noch nicht bildbearbeitungstauglich. MavicaFotografen konnten ihre Bilder auf dem Fernsehbildschirm anschauen. Die Mavica war als SLR-Kamera mit Wechselobjektiv aufgebaut, es gab drei Objektive: je eine 25- und 50-mm-Festbrennweite und ein 16-65-mm-Zoom. Die Verschlusszeit betrug 1/60 s, die Blende musste manuell an die Lichtverhältnisse angepasst werden. Bis zu 50 Farbbilder konnte die Mavica auf den Disketten namens Mavipak speichern. Zwei Entwicklungen der 1980er-Jahre spielen noch heute eine Rolle im digitalen Fotoleben. Die Moving Pictures Expert Group (MPEG) veröffentlichte einen Standard zur Komprimierung von Audio- und Videodaten, MPEG-1. Daraus wurde wenig später JPEG (Joint Photografic Expert Group) entwickelt, das bis heute Standard bei der Bildkompression ist. Und PhotoMac, das erste Bildverarbeitungsprogramm auf dem Markt, wies bereits den Weg in eine digitale Zukunft.