„Ameisen sind soziale Wesen“
Direkt vor Max Striegls Haustür befindet sich ein großer Ameisenhügel.Vor rund zehn Jah ren war er noch ganz klein, heute ist er rund 70 Zentimeter hoch. „Hier leihe ich mir meine Darsteller aus“, verrät der mehrfach ausgezeichnete Makrofotograf aus dem baye rischen Moosbach. „Und die setze ich natür lich nach getaner Arbeit wieder zurück. Denn Ameisen sind wie Menschen soziale Wesen“, sagt Max Striegl, woraus sich die Fragestel lung ergibt, die seinen fotografischen Ideen Making of:
Schritt für Schritt erklärt
1. Vorbereitung: Der Hintergrund
Bei solchen Ameisenbildern ist es unerläss lich, das Shooting einigermaßen vorzuberei ten. Wenn ungefähr klar ist, wie das Ergebnis aussehen soll, versuche ich, einen passenden Hintergrund zu finden. Entweder ist etwas bei meinen vorhandenen Bildern dabei, oder ich fotografiere Entsprechendes wie Wolken, einen Sonnenuntergang, unscharfe Land schaften. Das Ganze drucke ich dann aus und pinne es auf ein Holzbrettchen. Im Vorder grund platziere ich dann die entsprechenden Requisiten: Steine, Pusteblume, kleine Zweige und anderes.
2. Die passende Ausrüstung
Ich verwende meistens ein 100mmMakro objektiv, je nach Situation gern auch mal mit Zwischenring. Für extreme Makros habe ich an der Canon 600D das KitObjektiv mit dem Umkehradapter von Novoflex, der eine Blen denübertragung bietet. Oft arbeite ich mit Stativ, und ganz wichtig ist die passende Be leuchtung: Leuchten und mehrere Blitze. Da die Canon EOS 5D keinen beweglichen Mo nitor hat, nutze ich auch gern mein Smart phone, um Fotos aus ungewöhnlichen Per spektiven aufzunehmen. Damit komme ich zudem in den Genuss eines Monitors, der größer als der an der Kamera ist, und ich zugrundeliegt: Was würde passieren, wenn Menschen in den Körpern dieser Ameisen steckten? Das soziale Miteinander spielt der ambitionierte fcFotograf mit seinen kleinen Protagonisten gekonnt nach. „Am Ende sollen die Bilder dem Betrachter aber einfach ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, wünscht sich Max Striegl. Wir finden: Absolut gelungen! Wie Max Striegl seine Krabbelkünstler Schritt für Schritt in Szene setzt, hat er uns im Fol genden verraten. kann damit alle wichtigen Einstellungen vor nehmen. Mit einem entsprechend langen Kabel oder wie bei meiner Lumix G81 sogar drahtlos hat man damit einiges mehr an Be wegungsfreiheit.
3. Probeaufnahme
Es folgen Probeaufnahmen mit Beleuchtung, denn die Ameisenbilder leben gerade von den verschiedenen Lichtstimmungen wie in der blauen Stunde, bei einem romantischen Sonnenuntergang oder bei luftigen Wolken stimmungen. Das nimmt schon viel Zeit in Anspruch. Erst wenn alles passt, lasse ich die Ameisen auf die Bühne. Für die Mondbilder etwa habe ich mit einer Lochsäge ein rundes Loch in das Brettchen gesägt, den Mond in gleicher Größe vor das Loch gepinnt und von hinten durchgeblitzt, damit die Ameisen auf den Pilzen als Scherenschnitt dargestellt wer den konnten.
4. Die richtige Beleuchtung
Selbst, wenn ich immer versuche, die Amei sen möglichst in einer Ebene zu halten, ist es doch wichtig eine gewisse Schärfentiefe zu bekommen. Da die Schärfentiefe nur durch zwei Faktoren beeinflusst werden kann – die Blende und den Abbildungsmaßstab –, kann
ich in diesem Fall nur mit kleinen Blenden öffnungen arbeiten. Zugleich benötige ich aber auch kurze Belichtungszeiten, um Bewe gungsunschärfen möglichst gering zu halten. Bei kleinen Blenden von etwa 16 benötige ich also relativ viel Licht. Deshalb leuchte ich zum Einstellen ohne Ameisen gerne komplett mit zwei Leuchten aus, verwende aber dann beim Fotografieren zwei oder drei Blitze. Diese sind mittels einer Funksteuerung mit der Kamera verbunden. Die Blitze stelle ich manuell auf möglichst wenig Leistung (Stufe 1 oder 2 von 8 Stufen) ein. Somit erhalte ich genügend Licht bei kurzen Blitzzeiten und einer relativ hohen Blitzfrequenz. Um die Ameisen nicht unnötig zu belästigen, schalte ich die Leuch ten natürlich wieder aus.
5. Regieanweisung: Ameisen platzieren
Ameisen sind sehr intelligente Tiere. Mit ein bisschen Wissen darüber, wie sich die Tiere verhalten, kann man gezielt Regie führen: Wie bei den Menschen gibt es etwa den typischen Draufgänger und eher vorsichtige Typen. Bei den Vorsichtigen hilft oft ein ganz kleines Tröpfchen Honig, damit sie für kurze Zeit an einem bestimmten Platz bleiben. Außerdem haben Ameisen den Blick meist nach oben gerichtet. Hält man zum Beispiel einen Halm über sie, setzen sich viele hin und blicken auch nach oben. Zudem lassen sie sich manchmal einfach fallen, wenn sie etwa das Ende eines Zweiges erreicht haben. Stellt man das Bild dann auf den Kopf, scheint es, als könnten sie auf den Hinterbeinen stehen.
6. Bildgestaltung
Sorgfältige Komposition durch Bildaufbau, Farbkombination und Gestalten von Vorder und Hintergrund sind mir wichtig und für das Gelingen eines einigermaßen guten Fotos un erlässlich. Aber am Ende möchte ich meinem „Kopfbild“so nahe wie möglich kommen, und da ist mir die Stimmung, die meine Aufnahme ausstrahlt, am wichtigsten. Nicht immer ge lingt es mir, die wichtigsten fotografischen Regeln einzuhalten. Manchmal ist es mir aber lieber, das Bild lockt ein Schmunzeln hervor, als dass es streng nach den Regeln aufgebaut ist. So hatte ich für das Foto „Die Beeren sind reif“nur eine Idee im Kopf: Was tut ein Mensch, wenn die Früchte zu hoch hängen? Er holt sich eine Leiter!
7. Zeit einplanen
Oberstes Gebot ist jedoch: Üben Sie sich in Geduld! Denn die Ameisen werfen oft jeden Plan durcheinander. Manches Mal habe ich drei bis vierhundert Mal belichtet, und es ist nichts Brauchbares dabei. In solchen Fällen dauert bereits die Auswertung allein schon Stunden. Aber es gibt auch die Situationen, in denen mehrere Bilder auf Anhieb hinter einander gelungen sind. Das sind dann die Sternstunden, die den Tag retten!
8. Nachbearbeitung
Die Nachbearbeitung der Aufnahmen ist ein fester Bestandteil meines Workflows. Da ich grundsätzlich im RAWFormat aufnehme, ge hört dazu zunächst die Entwicklung der Bilder. Es folgen Schatten aufhellen, Details in hellen Bereichen herausarbeiten, Nachschärfen und Weißabgleich. „Ich arbeite auch gern mit mehreren Ebenen, um nur einzelne Teile der Aufnahme zu ändern, etwa um den Hinter grund stärker in den Unschärfebereich zu bringen. Ein weiteres wichtiges Element ist die Bildretusche. „Den Draht zum Beispiel, an dem die Johannisbeeren aufgehängt waren, wie man im daneben stehenden Makingof Bild sieht, habe ich per Nachbearbeitung aus dem Bild entfernt, damit der Eindruck ent steht, die Beeren würden frei hängen. Das Gleiche habe ich mit der Halterung der Leiter gemacht, die mit einem Stück Draht ins Moos gesteckt war“. Redaktion: Sabine Schneider