Leica M10 Monochrom
Die jüngste Leica Monochrom hebt das Projekt „Schwarzweißkamera“auf ein neues Niveau.
Leica M10 Monochrom.
Die dritte Generation der Schwarzweißkamera von Leica kommt mit einem 40-Megapixel-CMOS ohne Farb- und Tiefpassfilter. Nach den positiven Erfahrungen mit den Vorgängermodellen lässt dies auf eine phänomenale Detailwiedergabe hoffen. Wird auch die technische Ausstattung dem hohen Preis von mehr als 8000 Euro gerecht?
Das Konzept der Leica M Monochrom ist einzigartig im Markt: eine Digitalkamera, die ausschließlich Schwarzweißbilder produziert. Das gibt es sonst nur bei Studiokameras mit Digitalrückteilen (Phase One); die nutzen Bildsensoren im Mittelformat (53,4 x 40 mm) mit bis zu 150 Megapixeln und kosten so viel wie ein Mittelklassewagen. So gesehen, ist die neue Leica M10 Monochrom mit 40-MP-Schwarzweißsensor im Kleinbildformat (36 x 24 mm) gar nicht mal so teuer: 8200 Euro muss man für das Gehäuse anlegen. Nicht wenige werden sich aber fragen, warum man so viel Geld für eine Kamera ausgeben sollte, die keine Farbe kann. Zumal auch die Leica-Objektive ihren Preis haben: Knapp 4000 Euro kostet das lichtstarke Summilux-M 1,4/50 Asph., das mit der Testkamera geliefert wurde. Kurioserweise ergibt sich der Qualitätsvorteil von Schwarzweißsensoren durch das Weglassen eines Bauteils, das bei Digitalkameras sonst obligatorisch ist: ein RGB-Filter mit schachbrettartigem Muster (Bayer-Matrix) über dem Bildsensor. Wenn jedes einzelne Pixel reine Helligkeitswerte liefert, statt für eine von drei Farben zuständig zu sein, steigt zum einen die Grundempfindlichkeit des Sensors (hier ISO160). Die Lichtausbeute des Schwarzweißsensors ist ungefähr doppelt so hoch wie die eines Farbsensors, da die Farbfilter viel Licht schlucken. So kann die Monochrome feine kontrastarme Details wesentlich besser erfassen. Zum anderen entfällt der Prozess des „Demosaicing“, der bei einem RGB-Sensor nötig ist, um die Farbinformation durch Interpolation zu vervollständigen. Ein 40-MegapixelSensor hat nur 10 Millionen „rote“Pixel. Diese schmale Datenbasis rechnet die Kamera auf 40 Megapixel hoch. Selbst der wichtige Grün-Kanal basiert auf nur 20 Millionen echten Grün-Pixeln. Bei der Monochrome wird nichts interpoliert. Zudem verzichtet Leica auf den Tiefpassfilter – ein die Bildschärfe förderndes Bauteil, das auch in einigen Kameras mit RGB-Sensor steckt. Der sonst übliche Weißabgleich ist obsolet. Schon bei der vorigen Generation der Leica M Monochrom mit 24-Megapixel-Sensor konnte die Bildqualität überzeugen, entsprechend hoch sind die Erwartungen an die M10 Monochrom mit 40-MP-CMOS.
Gehäuse & Konnektivität
Die neue Leica ist ein Ableger der M10-Modelle mit 24-MP-RGB-Sensor. Das Gehäuse dieser Modellfamilie besteht aus Magnesium-Druckguss, ist abgedichtet gegen Staub und Spritzwasser, äußerst robust und von makellosem Finish. Bodenplatte und Deckkappe werden nicht in Form gepresst oder gegossen, sondern aus massiven
Messingblöcken gefräst. Das Gehäuse liegt satt in der Hand, ist allerdings etwas glatt. Das gilt auch für die metallene Daumenstütze an der Rückseite. Etwas mehr Griffigkeit wünscht man sich auch für die Gehäusebeschichtung, obwohl ihre feine Struktur optimal mit der mattschwarzen Metalloberfläche harmoniert. Unter der abnehmbaren Bodenplatte befinden sich der SD-Karten-Slot und der angrenzende Akkuschacht. Ein Ladegerät ist im Lieferumfang. Als Stromquelle dient ein Lithium-Ionen-Akku, der mit 1100 mAh nicht überdimensioniert ist – vor allem, wenn man den optionalen elektronischen Sucher Visoflex (Typ 020) verwendet, der durch die Kamera mit Strom versorgt wird. Der Blitzschuh ist die einzige physische Schnittstelle zur Außenwelt. Einen HDMI-Anschluss sucht man ebenso vergebens wie einen USB-Port. Vorhanden
ist dagegen ein eingebautes WLAN-Modul. In Verbindung mit der Leica-Fotos-App ist der Bildtransfer von der Kamera zum Smartphone ebenso möglich wie die Fernsteuerung der Kamera inklusive Live-Bild am Smartphone. Die wichtigsten Fotoparameter wie Belichtungszeit, Belichtungskorrektur oder ISO-Wert lassen sich in der App verändern – nicht aber die Arbeitsblende, die man am Objektiv einstellt.
Sucher & Monitor
Alle M-Modelle haben einen Leuchtrahmen-Messsucher mit automatischem Parallaxenausgleich. Die effektive Vergrößerung beträgt 0,73-fach. Das Okular ist auf 0,5 Dptr. abgestimmt, Korrekturlinsen von -3 bis +3 Dptr. sind erhältlich. Beim Ansetzen eines Objektivs leuchten jeweils zwei Begrenzungsrahmen auf: für 35 und 135 mm, für 28 und 90 mm oder für 50 und 75 mm. Der Entfernungsmesser gibt sich durch ein helles rechteckiges Feld im Sucherzentrum zu erkennen und ermöglicht das Fokussieren nach der Misch- oder Schnittbildmethode. Beispiel: Beim Scharfstellen auf das Auge eines Porträts bringt das Drehen am Fokussierring des Objektivs zwei Doppelbilder zur Deckung (Mischbildverfahren). Bei einem Architekturmotiv konzentriert man sich auf vertikale Linien, die bei exakter Fokussierung ohne „Knick“verlaufen (Schnittbildmessung). Die Scharfstellgenauigkeit hängt zum einen davon ab, wie viel Übung man mit dieser Einstellmethode hat, zum anderen von der Art des Motivs. Auf markante Details lässt sich gut scharfstellen, bei kleinteiligen, sich wiederholenden Strukturen wie Blattwerk gibt es eher Probleme. Auf der sicheren Seite ist man, wenn man im Live-View mit Bildschirmlupe und/oder „Peaking“(eingefärbte Schärfekanten) arbeitet. Für den Live-ViewBetrieb steht der fest eingebaute TFTMonitor mit 3-Zoll-Diagonale und einer Auflösung von 345 000 RGBPixeln bereit. Im Live-View wird das Motiv – anders als im optischen Sucher – schwarzweiß angezeigt. So sieht man auf Anhieb, ob sich ein Motiv für die Umsetzung in Grauwerte eignet. Alternativ kann man den optional erhältlichen Aufstecksucher Visoflex (Typ 020) verwenden. Dessen Auflösung gibt der Hersteller mit 2,4 Megapixeln (800 000 RGB-Bildpunkte) an, was angesichts der hohen Sensorauflösung sicher nicht das Optimum ist. Dennoch empfehlen wir den Zukauf, weil man damit im Live-View auch bei großer Helligkeit noch zuverlässig fokussieren kann. Praktisch: Der Visoflex lässt sich über ein Gelenk um 90 Grad schwenken, sodass sich der Suchereinblick oben befindet. Das erleichtert Aufnahmen in Bodennähe. Eine Sensorik schaltet den Monitor ab, wenn sich das Auge dem Sucherokular mit einstellbarem Dioptrienabgleich nähert. Der Visoflex (Typ 020) kostet rund 500 Euro und bringt ein eingebautes GPS-Modul mit.
Belichtungsfunktionen
An der Kameraoberseite finden sich außer dem Auslöser nur zwei Bedienelemente: Einstellräder für Verschlusszeiten und ISO. Das Verschlusszeitenrad stellt Belichtungszeiten von 1/4000 bis 8 s bereit und rastet in halben EVStufen. Wählt man die A-Position, so arbeitet die Kamera in Zeitautomatik mit Blendenvorwahl, dabei sind Verschlusszeiten bis 16 min. möglich. Mit einer versteckten Funktion lassen sich Belichtungszeiten bis 16 min. auch manuell wählen. Dafür stellt man das
Verschlusszeitenrad auf B (Bulb) und drückt danach die Fokustaste an der Gehäusefront länger als üblich (ca. 1 s). Dann öffnet sich ein Menüfenster mit einer Zeitleiste: 16 min. sind nur bei ISO 160 möglich, jede weitere ISO-Stufe reduziert die längste wählbare Verschlusszeit um einen EV-Wert. Beliebig lange Belichtungszeiten lassen sich im klassischen B-Modus mit einem Drahtauslöser realisieren.
Zu den gemeinsamen Merkmalen aller M10-Modelle gehört neben dem besonders leisen Verschluss das ISO-Rad an der linken Gehäuseoberseite. Es ist nur drehbar, wenn man es ein Stück herauszieht, was ein wenig hakelig funktioniert. Über das Rad sind ISO-Einstellungen zwischen 160 und 12 500 in ganzen Stufen möglich. Für Zwischenstufen und Werte bis ISO 100000 dreht man das Rad auf die M-Position, um den gewünschten
Wert im ISO-EinstellungenMenü zu wählen. Dort lässt sich auch die ISO-Automatik konfigurieren. Das Angebot an Belichtungsmessmethoden variiert im Messsucher- und Live-View-Betrieb. Bei Verwendung des Messsuchers erfasst eine Fotodiode das von den Verschlusslamellen reflektierte Licht; die Messung ist stark mittenbetont. Im Zeitautomatik-Modus wird im Sucher unterhalb der Bildfeldbegrenzung die Belichtungszeit in roter Leuchtschrift eingeblendet. Ebenso ist eine Nachführmessung nach dem Lichtwaagen-Prinzip bei manueller Wahl von Zeit und Blende möglich. Im LiveView stehen die Varianten Mehrfeld, Mittenbetont und Spot zur Verfügung.
Bedienkonzept
Das Angebot an Bedienelementen ist bei der M10 Monochrom überschaubar:
oben Auslöser und zwei Einstellräder, an der Rückseite drei Bedientasten, ein Daumenrad und ein 4-Wege-Schalter mit OK-Taste. An der Vorderseite gibt es eine Fokustaste zum Aktivieren der Bildschirmlupe und einen Kippschalter zum manuellen Umschalten der Leuchtrahmen im Sucher (wenn man eine andere als die verwendete Objektivbrennweite simulieren will).
Das war’s? Noch nicht ganz, denn der Monitor ist touchfähig. Platzieren Sie z.B. mit der Fingerspitze das Fadenkreuz im Bildfeld, und legen Sie damit den Bereich fest, der durch die Bildschirmlupe vergrößert wird – entweder mittels Fokustaste oder durch Doppelklick (zweimal schnell nacheinander auf den Monitor tippen). Wechseln Sie bei der Bildwiedergabe durch Wischen zur nächsten Aufnahme und zoomen Sie in ein Bild durch Ziehen mit zwei
Fingern. Nicht möglich ist das Navigieren in den Menüs durch Berühren. Das Hauptmenü ist auf vier Seiten aufgeteilt, die man durch mehrmaliges Drücken der Menü-Taste fortlaufend durchblättern kann. Pro Seite sind maximal acht von insgesamt 26 Menüpunkten zu sehen. Unter jedem Eintrag verstecken sich Einstell- oder Untermenüs. Eine individuelle Auswahl lässt sich im Favoriten-Menü speichern, um schnellen Zugriff auf oft gebrauchte Funktionen zu haben. Tipp: Unter „Individuelle Einstellungen“weist man dem Daumenrad die Belichtungskorrektur zu. Der eingestellte Wert wird in Drittelblendenstufen als Zahl im Messsucher
Bildqualität
angezeigt oder auf einer Skala am Monitor bzw. im elektronischen Sucher.
Mit dem 40-MP-CMOS ohne Bayer- und Tiefpassfilter liefert die M10 Monochrom eine unerhört konstante Auflösung um 3100 LP/BH zwischen ISO 160 und 12500. Das schafft keine aktuelle KBKamera mit RGB-Sensor. Für eine vergleichbar konstante Grenzauflösung muss man schon das Mittelformat bemühen: Die Fujifilm GFX 50R schafft rund 3000 LP/BH bis ISO 12 800. Die Dead-Leaves-Werte für hohe/niedrige Kontraste sind bei ISO 160 mit 2058/2141 LP/BH hoch, fallen aber bis
ISO 800 um 456 LP/BH (HighContrast) und 562 LP/BH (LowContrast). Alles in allem ist die Leica recht moderat abgestimmt, der Kontrast wird nicht künstlich in die Höhe getrieben. Die VNWerte (Bildrauschen) sind etwas höher als bei aktuellen Kameras mit RGBSensor. Da es sich aber um reines Luminanzrauschen handelt und kein Farbrauschen sichtbar wird, beeinträchtigt dies die Bildqualität nicht zwangsläufig. Eine gewisse Körnigkeit verleiht den SWBildern sogar mehr Charakter, solange Details nicht im Rauschen untergehen. Empfehlung: Fotografieren Sie im RAWModus, weil Sie bei der RAW-Konvertierung Rauschfilter und Schärfung optimal dosieren können. RAWs bieten im Vergleich zu JPEGs aus der Kamera größeren Belichtungspielraum und mehr Möglichkeiten, Lichter- und Schattenzeichnung zu optimieren. Nach dem Optimieren der Tonwerte verstärken Sie mit dem Klarheit-Regler in Photoshop/ Lightroom den Kontrast in den Mitteltönen, ohne dass Lichter ausfressen oder Schatten zulaufen.Verzichten müssen Sie auf den Farbmischer, mit dem man bei RGB-Dateien die Umsetzung in Grauwerte steuern kann. Eine Möglichkeit bleibt: der Einsatz von Kontrastfiltern in Rot, Orange, Gelb oder Grün vor der Frontlinse, direkt bei der Aufnahme. Zurück zu den Wurzeln der SW-Fotografie, heißt die Devise.