Sony Xperia 1II
Im Smartphonemarkt will Sony das wiederholen, was dem Unternehmen schon bei den Kameras gelungen ist: ganz oben mitspielen. Die Fotofunktion soll dabei ein zentraler Ankerpunkt sein. Schafft es die zweite Generation des Topmodells X1, den hohen Ansprüchen
Sony will im Smartphonemarkt ganz oben mitspielen. Dabei soll die Fotofunktion helfen.
Für viele Anwender zählt die Kamera zu den wichtigsten Funktionen ihres Smartphones – gleich nach dem Telefonieren. Daher sollte man meinen, dass Sony mit seiner reichen Erfahrung aus dem Kamerabusiness und als wichtiger Sensorhersteller genau hier ein leichtes Spiel hätte. Trotzdem konnte der japanische Hersteller sein Potenzial bis jetzt noch nicht umsetzen.
Nun kommt für stolze 1150 Euro die zweite Generation des Topmodells X1 auf den Markt. Es hat drei Kameras mit jeweils 12MP Auflösung. Leider fehlt dem X1II zum Start noch die RAWFunktion.
Sie soll laut Sony später per Update noch nachgerüstet werden. Das X1 II ist Sonys erstes 5G-taugliches Smartphone. Sein Markenzeichen ist ein 6,5 Zoll großes OLED-Display mit einem Seitenverhältnis von 21:9 und 3840x1644 Pixeln. Dadurch wirkt das Gehäuse schlanker – es liegt gut in der Hand und bietet vor allem Videofans Vorteile. Die Rechenpower kommt vom Qualcomm Snapdragon 865 5G Mobile Prozessor, der auf einen 8GB großen RAM zugreifen kann. Der interne Speicher bietet 256 GB und lässt sich per microSDXC-Karte erweitern.
Der Einschub mit dem SIM- und Speicherkartenhalter wirkt fragil – wobei man diesen im Regelfall nicht oft nutzt. Komfortabel ist, dass dieser sich ohne zusätzliche Tools herausziehen lässt. Das Gehäuse aus Aluminium und Corning Gorilla Glass 6 hat klare, leicht abgerundete Formen und ist nach IP65/68 gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Leider ist die Rückseite sehr rutschig. Der Akku hat eine Kapazität von 4000 mAh.
Einen gemischten Eindruck hinterlässt der mechanische Auslöser an der Seite: Die Platzierung kommt Fotografen
zwar entgegen, doch der seitliche Druck erhöht die Verwackelungsgefahr.
Kameras mit Zeiss-Objektiven
Sony verbaut auf der Rückseite neben dem 3D-Tiefensensor drei Kameras – alle mit 12MP Auflösung und ZeissOptiken. Die Hauptkamera kombiniert einen 1/1,7 Zoll großen Exmor-RSSensor mit einer 1,7/5,11-mm-Optik (24mm KB-Brennweite, 82° Bildwinkel). Im Telemodul stecken ein 1/3,4 Zoll großer CMOS-Sensor und eine Festbrennweite mit 2,4/6,95 mm (70mm KB-Brennweite, 34° Bildwinkel). Das Superweitwinkel fotografiert mit einem 1/2,55 Zoll großen ExmosRS-Sensor und einer 2,2/2,67 mmFestbrennweite (16mm KB-Brennweite, 124° Bildwinkel). Haupt- und Telekamera bieten eine optische Bildstabilisierung. Bei der Hauptkamera und dem Superweitwinkel besteht jeder Bildpunkt aus zwei Subpixeln, was eine schnelle Phasen-AF-Messung ermöglicht. Auch das Telemodul stellt mit einem Phasen-AF scharf.
In allen Kameras verwendet Sony Sensoren mit einer konventionellen BayerFarbfilter-Matrix und setzt bei der Hauptkamera auf große Pixelflächen. Doch das reicht nicht immer als Antwort auf die Konkurrenz mit 48-, 64oder gar 108-MP-Sensoren. Samsung, Oppo und Huawei zeigen, dass sie bei schwachem Licht über dieVerrechnung mehrerer benachbarter Pixel die Nachteile der hohen Pixeldichte ausgleichen können und bei großer Helligkeit dann die volle Auflösung mit höherer Detailzeichnung liefern. Die Selfiekamera (2/24 mm KB) löst mit 8 Megapixeln auf, filmen kann das Xperia 1 II mit 4K und 60 Bildern/s.
Bildprozessor und Augen-AF
Einen neuen Weg schlägt Sony bei der Signalverarbeitung ein. Beim Xperia 1 II übernimmt diese Aufgabe nicht der Smartphone-Prozessor Snapdragon 865 5G – immerhin der aktuelle Topprozessor von Qualcomm –, sondern der „Bionz X for mobile“. Dieser bringt laut Sony die AF-Technologie der professionellen Alpha-9-Systemkamera mit und ermöglicht ein hohes Tempo bei der Datenverarbeitung: Die Weitwinkelkamera kann Serien mit 20 B/s aufnehmen inklusive AF-Nachführung. Tele und Superweitwinkel schaffen das mit halber Geschwindigkeit. Beeindruckend arbeitet die Serienbildfunktion der ProApp. Zugegeben, die AF-Nachführung
funktioniert nicht immer perfekt – aber das ist auch bei „echten“Kameras so. In der Regel stimmt die Schärfe. Auch die Erkennung von Augen sowie Gesichtern klappt sehr gut und zuverlässig, was jedoch nicht für den Tier-AF gilt. Ganz so schnell wie Sonys Kameras kann das Smartphone die Gesichter nicht verfolgen. Am schnellsten fokussiert die Weitwinkelkamera, das Telemodul ist etwas träger.
Photography Pro
Sony liefert das Smartphone mit zwei Foto-Apps aus. Fotografen empfehlen wir auf jeden Fall die App Photography Pro. Sie erinnert an die Bedienung der Alphas, und das mit Absicht. Sony gestaltet die App so, dass Fotografen ein gewohntes Menü vorfinden und viele Einstellungen – wie Belichtungszeit, ISO, AF-Modus oder Bildfolgemodus – schnell anpassen können. Fotografieren kann man mit dem P-, S- oder MProgramm. Schön gelöst sind auch Kamerawahl und Zoomfunktion: Man kann mit jeder Optik bis zur Brennweite der nächstlängeren Optik zoomen. Es gibt auch eine Lock-Funktion – damit lassen sich alle Einstellungen bis auf die Belichtungskorrektur sperren. Die Gesichtserkennung lässt sich deaktivieren, aber leider kann man bei AF-C und Fokusbereich „Breit“die Startposition der Verfolgung nicht per Touch bestimmen. Das schränkt die Möglichkeiten beim Tracking etwas ein. Beim Fotografieren im Hochformat drehen sich die Symbole leider nicht mit. Die AF-On-Funktion blendet im Grunde nur die aktiven AF-Felder ein. Gut funktioniert hat die AEL-Taste. Für Videofilmer hat Sony die App „Cinema Pro powered by CineAlta“vorinstalliert. Auch sie erlaubt zahlreiche manuelle Eingriffe und professionellere Einstellungen.
Die Kamera-App
Die Kamera-App richtet sich eher an Einsteiger. Sie verwendet immer die ausgewählte Kamera und wechselt die Optiken nicht nach eigenem Gusto. Zoomen funktioniert mit jedem Objektiv bis jeweils zum Faktor drei. Man kann den Fokuspunkt und die Belichtungskorrektur per Hand bestimmen, sonsten regieren die Automatiken. Über „Einstellungen“kann der Fotograf die Objektverfolgungs-Funktion aktivieren: Damit lässt sich jedes Motiv per Touch auswählen und verfolgen. An sich eine schöne Funktion, die auch in der Photography-Pro-App gut aussehen würde. Doch die Verfolgung reagiert recht langsam – für schnelle Objekte ist sie also noch nichts.
Bildqualität
Da das X1 II noch kein RAW unterstützt, beschränkt sich die Beurteilung zuerst einmal auf die JPEG-Bilder. Im Vergleich mit Fotos aus dem Google Pixel 4, das auch einen 12-MP-Sensor hat, aber meist mehrere Bilder zusammen verrechnet – ist Sonys Weitwinkelkamera unterlegen. Die Signalverarbeitung greift teils massiv in die Bilder ein und rechnet zu viele Details platt. In Bereichen mit feinen, aber eher kontrastarmen Strukturen führt das zu sichtbaren Verlusten im Bild. Hochkontrastige Strukturen bildet das X1 II wesentlich besser ab und schließt dann fast zum Pixel auf. Die Farben werden leicht verstärkt, ohne Übertreibung, sie wirken angenehm und ansprechend. Die Schärfung hält sich in Grenzen. Besser schlägt sich die Telekamera. Das Dreifachzoom übertrifft zwar nicht das
Zweifachzoom des Pixel 4, doch der Abstand ist nun klein. Wenn die Motive es zulassen – etwa Porträts – sollte man also lieber zum Telemodul greifen. Das Superweitwinkel eignet sich eher für Panoramas. Die Detailwiedergabe reicht nicht an die der beiden anderen Kameras heran – ein Problem fast aller Superweitwinkel in Smartphones. Die Signalverarbeitung der KameraApp und der Photography-Pro-App ist ähnlich abgestimmt – vielleicht mit einem sehr kleinen Vorteil für Pro bei der Detailzeichnung, dafür belichtet die Foto-App zuverlässiger. Bei Motiven mit hellen und dunklen Bereichen fällt es Sony schwerer, eine ausgewogene Belichtung zu finden, nicht selten sind die hellen Bereiche überbelichtet. Das passiert gerade mit der PhotographyPro-App öfter. Wenn man sie einsetzt, sollte man darauf ein Auge haben.
Fazit
Sony X1 II ist ein echter Handschmeichler, und die PhotographyPro-App eine sehr gute Idee, auch wenn ihr noch ein wenig Feinschliff fehlt. AF-Leistung und Serienbildfunktion gefallen uns sehr gut. Was aber noch nicht vollständig überzeugt, ist die Bildqualität. Sie ist gut, aber noch nicht ganz auf Augenhöhe mit den Toplösungen der Konkurrenz.