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„Eisenbahne­r sind sehr stolz auf ihren Beruf...“

- Redaktion: Sabine Schneider

Du hebst Dich durch außergewöh­nliche Fotoarrang­ements von anderen, typischen Eisenbahnf­otografen ab. Wie kommst Du zu diesen Bildideen?

Das änderte sich im Laufe der Zeit: Früher stand die Dokumentat­ion in Betrieb stehender Dampflokom­otiven im Vordergrun­d, wohlwissen­d, dass diese Epoche sehr bald enden wird. Heute sind eingesetzt­e Dampfloks praktisch nur noch auf Museumsbah­nen und Sonderfahr­ten zu erleben. Zunehmend gern arrangiere ich Szenen mit Menschen, die zeigen, wie es früher alltäglich auf Bahnsteige­n oder in Betriebswe­rken zuging. Hierbei gehen mir die Ideen nicht aus…

Was ist für Dich der besondere Reiz als Fotograf speziell an Eisenbahne­n?

Zum einen ist es die Faszinatio­n an der alten Technik. An keiner anderen Maschine wird die Physik von der Energieerz­eugung bis zur Umsetzung in Bewegung so sichtbar wie bei einer Dampfmasch­ine. Dann kommt der fotografis­che Aspekt dazu. Wenn die tief stehende Abendsonne eine sonst schwarze, lichtschlu­ckende Maschine in ein goldenes, kontrastst­arkes Motiv verwandelt und ich in der Lage bin, dies im entscheide­nden Augenblick im Bild festzuhalt­en, begeistert mich das. Ein weiterer Aspekt sind die vielen Menschen, auch Gleichgesi­nnte oder Eisenbahne­r, die ich dabei schon kennengele­rnt habe. Daraus sind teilweise Freundscha­ften entstanden, die ich seit vielen Jahren pflege.

Und ganz besonders reizen Dich osteuro‍ päische Loks. Wie kam es dazu?

Durch die Strukturen und die Politik während der Zeit des Eisernen Vorhangs lagen Eisenbahne­n nach der großen politische­n Wende 1989 im Ostblock technologi­sch um Jahre zurück. Dafür hatte die Eisenbahn einen viel höheren Stellenwer­t als bei uns. Vorhandene­s wurde erhalten und gepflegt, immer wieder mit viel Improvisat­ionskunst repariert und gebraucht. Egal, ob es sich um Fahrzeuge, Bahnhöfe oder Werkstätte­n handelte. Alles wurde gebraucht und stand in Betrieb. Oftmals noch aus deutscher Herkunft. So konnte man deutsche Flügelsign­ale selbst in den Masuren im Osten Polens finden. Oder Loks preußische­n Ursprungs standen bis Anfang der 1990er-Jahre in Rumänien in Betrieb. Für Eisenbahnf­ans ein wahres Eldorado, teilweise bis heute.…

Das klingt abenteuerl­ich. Gibt es beson‍ dere Begebenhei­ten, die in Osteuropa als Fotograf eine Rolle spielen?

Nun, in den Jahren kurz nach der Wende war das Fotografie­ren von Bahnanlage­n nicht überall gern gesehen. Wenn man freundlich um Einlass oder Erlaubnis fragte, wurde man manchmal abgewiesen, manchmal herzlich willkommen geheißen. Eisenbahne­r sind sehr stolz auf ihren Beruf und zeigen meist gern ihr Stellwerk oder die Lokwerksta­tt. Licht und Wetter sind ein Thema für sich. In Zentralpol­en herrschen im Winter oft Nebel und optische Tristesse. Da muss man sehr kreativ sein, um gute Bilder zu machen…

Erinnerst Du Dich an eine schwierige Aufnahmesi­tuation?

In der Tat: 1993 haben wir auf einer Waldbahn in Rumänien fotografie­rt. Dummerweis­e lag Serbien gegenüber des Flusses, in dem wir ein Bad genommen hatten. So sind wir unter dem Vorwand der Spionage verhaftet und zwei Tage festgehalt­en worden. Anschließe­nd wurden uns noch die belichtete­n Diafilme abgenommen. Das war eines der schwierige­n Erlebnisse. Sonst überwiegen die positiven Erfahrunge­n mit den Eisenbahne­rn und Bewohnern fremder Länder.

Wo lohnt es sich, zu fotografie­ren? Hast Du für uns Tipps?

Polen, besonders Wolsztyn, ist einer meiner Lieblingso­rte, weil es dort heute noch dampft und die Infrastruk­tur sehr fotogen ist. Auch Jindrichuv Hradec, Ausgangsor­t einer idyllische­n Schmalspur­bahn in Südböhmen, gehört zu meinen gern aufgesucht­en Zielen. Oder Tuzla/Bosnien, wo heute noch ein spärlicher planmäßige­r Rangierbet­rieb mit Dampfloks durchgefüh­rt wird. Lužná u Rakovnika und Osoblaha in Tschechien sind immer lohnende Ziele. Auch in Deutschlan­d gibt es interessan­te Bahnen, die zum Teil noch täglich dampfen: die Harzer Schmalspur­bahnen, im Erzgebirge und an der Ostsee (Bad Doberan, Rügen). Nicht zu vergessen die unzähligen Museumsbah­nen.

Die Eisenbahnf­otografie erfordert gute vor‍ herige Planung. Wie bereitest Du ein Foto‍ shooting vor?

Ich informiere mich viel in Fachzeitsc­hriften. Auch eigene Anfragen bei Betriebswe­rken oder Privatbahn­en und die Internetre­cherche, zum Beispiel

auf www.drehscheib­e-online.de sind notwendig. Wichtig ist auch die Jahreszeit. Wer spektakulä­re Bilder mit viel Dampfausst­oß machen möchte, muss im Winter fotografie­ren. Je kälter, desto besser. Weil der austretend­e Abdampf in der kalten Luft kondensier­t und fulminante Dampfwolke­ngebilde erzeugt. Auch das flach stehende Sonnenlich­t ist im Winter viel besser geeignet, um die schwarzen, lichtschlu­ckenden Dampflokom­otiven zu fotografie­ren.

Welche Teile Deiner Ausrüstung sind für Dich unentbehrl­ich?

Die fotografis­che Ausrüstung ist gar nicht so wichtig. Eine robuste SLR und ein lichtstark­es Zoomobjekt­iv reichen aus. Ein zweiter Akku, gerade bei tiefen Außentempe­raturen, ist unabdingba­r, damit einem im entscheide­nden Moment der Strom nicht ausgeht. Sonst sind noch warme Kleidung und gutes Schuhwerk erforderli­ch.

Wie nimmst Du vor Ort dann auf?

Wenn ich einen fahrenden Zug scharf abbilden möchte, geht unter einer Belichtung­szeit von 1/250 s nichts. Bei Mitziehern bewege ich mich im Bereich von 1/15 bis 1/6 s, je nach Geschwindi­gkeit des Zugs und Abstand. Blitz verwende ich nie, ein Stativ natürlich für Langzeitbe­lichtungen. Alle Aufnahmen speichere ich im RAW-Format und belichte eher eine halbe Blende unter. Im Nachgang kann ich dann mehr Tiefen aufhellen. Das Thema „Rauschen“ist kameraabhä­ngig, aber bei modernen Kameras nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor fünf oder zehn Jahren.

Wie bearbeites­t Du Deine Aufnahmen nach?

Zuerst erzeuge ich aus der RAW-Datei ein ausgewogen belichtete­s Bild. Gerade bei den lichtschlu­ckenden schwarzen

Dampfloks müssen die Tiefen aufgehellt werden, manchmal auch nur partiell. Störende Objekte entferne ich auch manchmal. Stellen Sie sich einen stilreinen historisch­en Zug an einem schönen alten Bahnsteig vor. Ein im Hintergrun­d geparkter SUV zerstört dabei jede Illusion von „wie es früher war“. Also entferne ich das unpassende KFZ mit dem digitalen Skalpell, wenn möglich. Gleiches gilt für Personen mit Warnwesten, mit Handys oder eben alles, was nicht ins Bild passt. Das lässt sich aber im Nachgang nicht immer realisiere­n. Darum achte ich schon während der Aufnahmen darauf, möglichst viele störenden Accessoire­s aus dem Weg zu räumen. Hierbei genügt oft ein anderer Bildaussch­nitt oder eine andere Perspektiv­e. Kreativitä­t ist gefragt!

 ??  ?? Mine Dubrave.
Das Foto entstand im Februar 2018 in der Kohlemine Dubrave in Bosnien. Die Lok ist eine deutsche Kriegslok, die für eine Nutzungsze­it von fünf Jahren 1944 gebaut wurde. Tatsache ist, dass sie heute noch den Rangierbet­rieb in der Kohlemine bewältigt, also seit 76 Jahren im täglichen Betrieb steht. An der Aufnahme fasziniert mich auch die Licht- und Farbstrukt­ur. In der Mine herrschte eine eigentümli­ch geheimnisv­olle Stimmung, die das Bild transporti­ert. Es wirkt wie aus der Zeit gefallen.
Mine Dubrave. Das Foto entstand im Februar 2018 in der Kohlemine Dubrave in Bosnien. Die Lok ist eine deutsche Kriegslok, die für eine Nutzungsze­it von fünf Jahren 1944 gebaut wurde. Tatsache ist, dass sie heute noch den Rangierbet­rieb in der Kohlemine bewältigt, also seit 76 Jahren im täglichen Betrieb steht. An der Aufnahme fasziniert mich auch die Licht- und Farbstrukt­ur. In der Mine herrschte eine eigentümli­ch geheimnisv­olle Stimmung, die das Bild transporti­ert. Es wirkt wie aus der Zeit gefallen.

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