Claas-Geschichte unter einem Dach
In einem Depot in Herzebrock stellt der Harsewinkeler Landmaschinenhersteller Claas viele Erfolgsmodelle aus seiner langen Firmengeschichte vor. Darunter finden sich auch Unikate und manches Konstruktions-Kuriosum.
■ Harsewinkel/HerzebrockClarholz. Die Reise in die Vergangenheit beginnt mit dem Öffnen des Scheunentores. Dahinter reiht sich Erfolgsmodell an Erfolgsmodell, mit dem der Landmaschinenkonzern Claas über die Jahrzehnte mit immer neuen Erfindungen den Weltmarkt eroberte.
Das Depot in dem eigens dazu angemieteten Hof eines pensionierten Claas-Mitarbeiters in Herzebrock ist eine wahre Fundgrube für alle, die sich mit den Claas-Erzeugnissen auskennen. Die Laien beeindruckt der Maschinenpark der ausgemusterten Landmaschinen nicht minder. Aus der überdimensionalen „Garage“für ausrangierte Fahrzeuge haben die Claas-Mitarbeiter unter der Regie von Tomislav Novoselac, dem Leiter Group History bei Claas, mit viel Aufwand und Herzblut ein schmuckes Informationszentrum eingerichtet. Das zurzeit jedoch nur Mitarbeitern und Kunden zugänglich ist.
Auf dem Bildschirm laufen heute lustig anmutende Werbefilme aus den 60er Jahren, in denen Mähdrescher so rasant wie Sportwagen durchs Dorf rasen und die Landbevölkerung staunen lassen. Da hatte der Konzern seine Flotte gerade von silber-metallic auf „Australgrün“, schließlich auf das heute jedem bekannte „Saatengrün“umgestellt. Aber auch die modernen Maschinen wie die vier Jaguar-Häcksler, die auf riesigen amerikanischen Maisfeldern und runden Pfefferminzfeldern mit Hilfe nicht weniger gigantischer Ladetrucks ernten, werden in beeindruckenden laufenden Bildern vorgestellt.
Dann geht es ran an die Ernte-Kolosse aus den guten alten Zeiten. Im historischen Showroom ist Eberhard Weller ganz in seinem Element. Der erfahrene Claasianer, einer der Hüter des mechanisierten Firmenerbes, kennt die ausgestellten Exemplare samt technischer Daten, Entwicklungsgeschichte und Verkaufszahlen. Diese hat Tomislav Novoselac selbst bei den Ausstellungsstücken akribisch recherchiert.
Weller, ehemaliger Leiter der Zentralen Kundenbetreuung, hat zu fast jedem der Mähdrescher, Pressen und Prototypen eine Anekdote parat. Wie die von dem mit großem Aufwand aus den USA zurückgeholten „Commandor 228 CS“, den Firmenpatriarch Helmut Claas als Jubiläumsmaschine kurz nach dem 100-jährigen Bestehen persönlich zurückhaben wollte. Der Kunde in den USA hatte das Claas-Zwischenspiel mit den honiggelben Caterpillar-Maschinen abgewartet, sich dann einen Lexion bestellt und den voll funktionsfähigen Commandor mit Voll
raupenfahrwerk noch für eine stolze Summe in Zahlung gegeben. „Der musste wegen Überbreite als Sondertransport nach Paderborn und Herzebrock überführt werden“, erzählt Dipl.-Ing. Weller.
So manches Konstruktions-Kuriosum stellt er so humorvoll wie informativ vor. Wie das mit Geldern vom Landwirtschaftsministerium geförderte Funktionsmuster aus den späten 80er Jahren, das der Leinsamenernte dienen sollte. Mit hoher Selbstentzündungsgefahr, weil sich Hanfstroh gerne um die heiß werdenden Wellen wickelte.
Der Jaguar 80 daneben kam als „völlig verrosteter Streuselkuchen“nach langer Einsatzzeit zurück. „Den hat die Sonderwerkstatt mit Martin Beckmann komplett zerlegt, aufgearbeitet und wieder zusammengebaut“, erfahren die Zuhörer. Auch dass es mal einen Mähdrescher gab, bei dem die Konstrukteure als Ausgleichsgewicht zum Motor das Gewicht des Fahrers gleich mit einkalkulierten.
Besonders spannend ist das Kapitel Traktoren, obwohl der Claas-Konzern selbst auf dem Gebiet mit der TraktorenÜbernahme von Renault in Le Mans erst 2003 auf der Agritechica in Hannover mit einer großen Traktorenanzahl in saatengrüner Farbe auftrat. Ein bereits im Ersten Weltkrieg entwickeltes Modell, Baujahr 1927, bekam Claas zur Chronikübergabe an Helmut Claas im Technoparc von einem bayerischen Unternehmer 2004 zum Kauf angeboten. „Der 20PS-Traktor hat den Kühler nicht vor, sondern hinter dem Motor“, verweist Eberhard Weller auf eine Besonderheit, die Rätsel aufwirft. Auch hier ist Tomislav Novoselac nach langer Suche dem Geheimnis auf die Spur gekommen. „So wurde der Kühler vor Feindbeschuss geschützt“, erklärt er. Denn im Krieg zog der Schlepper vornehmlich Nachschub und Material für die Soldaten an die Front.
Zentral platziert ist tatsächlich ein Traktor als ClaasEigenbau. Von dem 72 PS starken „Jumbo“mit seinen futuristisch anmutenden runden Formen wurden gerade mal drei Prototypen gebaut. Zum 100-jährigen Geburtstag der Firma erhielt Helmut Claas das aus den drei Maschinen zusammengebaute Unikat als Überraschungsgeschenk.