Ja zur Abkehr von Öl und Gas
Gegen Ende des wohl heißesten Jahres seit Beginn der Aufzeichnungen hat die Welt beschlossen, sich vom Brandbeschleuniger der Klimakrise abzuwenden.
■ Dubai. Der gesamte Saal steht auf und applaudiert, zumindest fast alle anwesenden Delegierten der 198 UN-Staaten klatschen, als die Sache am Mittag beschlossen ist: Einstimmig und erstmals ruft die Klimakonferenz der Vereinten Nationen zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas auf. Die gemeinsame Abschlusserklärung, über die auf der Klimakonferenz COP28 zwei Wochen lang verhandelt worden war, appelliert nun an alle Staaten, sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden und ihre Anstrengungen so zu beschleunigen, dass sie bis 2050 klimaneutral wirtschaften.
„Für mich ist es ein Tag der großen Freude“, sagt die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen) danach. Zwar habe sich Deutschland und die Europäische Union nicht überall durchsetzen können. Auch nicht damit, einen klaren Ausstiegsbeschluss in das Papier zu bringen. Aber es braucht nun einmal Einstimmigkeit auf diesen UN-Gipfeln, und vor allem die ölproduzierenden Staaten waren zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit. Der Beschluss sei dennoch historisch: „Diese Klimakonferenz besiegelt de facto das Ende des fossilen Zeitalters.“
Die Grünen-Politikerin, die seit einer guten Woche in den Verhandlungen auf EU-Seite den Ton angegeben hatte, erinnert daran, dass über einen Ausstieg aus Kohle und Erdöl noch vor acht Jahren aus der Paris Klimakonferenz niemand ernsthaft habe sprechen wollen. Tatsächlich war in keiner der vorherigen 27 COP-Beschlüssen die Rede davon, die Hauptverursacher der klimaschädlichen Treibhausgase anzugehen.
Als dieser Schritt nach Jahrzehnten der Klimapolitik nun tatsächlich geschafft war und es im Plenum der UN-Sitzung keinen Widerspruch mehr gegeben hatte, da sei ihr ein Stein vom Herzen gefallen. Bei den Standing Ovations, die man einander gab, hätten viele Tränen in den Augen gehabt, erzählt Baerbock: „Bei vielen Freudentränen, aber bei einigen vielleicht auch keine Freudentränen.“Denn so euphorisch die Außenministerin klingt, es herrscht auch Enttäuschung in Dubai. Rund 130 der 198 teilnehmenden Ländern hatten einen klaren Fossil-Ausstieg – einen „Phase out“– gefordert. Und scheiterten am Widerstand, den vor allem Saudi-Arabien, Indien und Russland anführten.
Die Unzufriedenheit der
Mehrheit darüber zeigt sich in der abschließenden Plenumssitzung am minutenlangen starken Applaus für die Rede der Vertreterin des pazifischen Samoa, die sich im Namen der bedrohten Inselstaaten beklagt: „Dieser Prozess hat uns im Stich gelassen“, sagt Anne Rasmussen. Auch die Vertreter vieler anderer Staaten sowie von Umweltverbänden und aus der Wissenschaft warnen später, dass mit diesem Beschluss das 1,5-Grad-Ziel nicht zu schaffen sei. Gemeint ist das 2015 international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
In Dubai hat die Weltgemeinschaft zudem vereinbart, die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und das Tempo bei der Energieeffizienz in diesem
Zeitraum zu verdoppeln. Allerdings werden in diesem Zusammenhang die Staaten aber auch aufgerufen, vom CCSVerfahren, der Abspaltung und Verpressung von CO2, sowie von Atomkraft als „emissionsfreie und -arme Technologien“Gebrauch zu machen. „Das sind Scheinlösungen, die die fossile Lobby immer wieder einbringt, um ihr Geschäftsmodell zu retten“, findet Greenpeace-Deutschlandchef Martin Kaiser. Es fehle eine rechtliche Verbindlichkeit für den völligen Umstieg auf erneuerbare Energien.
„Jeder von uns findet in dem Beschluss eine Formulierung, die er sich anders gewünscht hätte“, sagt der US-Klimabeauftragte John Kerry in der Abschlusssitzung. Was ihn aber beeindruckt habe, sei der kooperative Geist auf der UNKonferenz gewesen.