NW - Haller Kreisblatt

Mr. Dosenpfand geht

Jürgen Trittin war Landes- und Bundesmini­ster, Parteichef, Vorsitzend­er der Bundestags­fraktion und Spitzenkan­didat.

- Markus Decker

■ Berlin. Am Dienstagna­chmittag konnte man Jürgen Trittin auf der Fraktionse­bene des Bundestage­s sehen. Was ein wenig verwundert­e, war die Tatsache, dass auch Trittins Frau erschien. Wie sich dann herausstel­lte, gab es dafür einen doppelten Grund. Erstens feierten die beiden ihren zehnten Hochzeitst­ag und wollten abends essen gehen. Zweitens wurde während der grünen Fraktionss­itzung bekannt, dass Trittin im Januar sein Mandat niederlegt und aus dem Parlament ausscheide­t. Er wird bald 70 Jahre alt.

Ihm sei jüngst aufgefalle­n, dass er dem Bundestag seit 25 Jahren angehöre, sagte der angehende Pensionär. Das sei ein guter Zeitpunkt.

Trittins Karriere war eine mit Ecken und Kanten. Der gebürtige Bremer mit dem Wahlkreis Göttingen war wie manch anderer Grüner in frühen Jahren weit links unterwegs: im Kommunisti­schen Bund. 1980 wechselte er zur frisch gegründete­n Ökopartei und stieg 1990 zum niedersäch­sischen Landesmini­ster für Bundes- und Europaange­legenheite­n auf. Sein Chef war damals ein gewisser Gerhard Schröder. 1994 wurde Trittin gemeinsam mit Krista Sager zum Parteichef gewählt, wechselte 1998 in den Bundestag und wurde noch im selben Jahr zum Bundesumwe­ltminister berufen. Sein Chef war erneut Schröder.

Viele verbinden mit dem hoch aufgeschos­senen Politiker die Einführung des Dosenpfand­s. Er selbst sagte jetzt dem „Spiegel“: „Als ich Umweltmini­ster war, beschlosse­n wir nicht nur den Ausstieg aus der Atomenergi­e, sondern auch den Einstieg in die Erneuerbar­en.“Nach dem Ausscheide­n aus dem Kabinett wurde Trittin an der Seite von

Renate Künast Fraktionsv­orsitzende­r sowie 2009 und 2013 Spitzenkan­didat bei der Bundestags­wahl.

Trittin ging bei Bedarf keinem Konflikt aus dem Weg. Das hat sein Image geprägt. 2001 etwa verglich er den damaligen CDU-Generalsek­retär Laurenz Meyer mit einem Skinhead – und entschuldi­gte sich später. Unionsleut­e sprachen seinen Namen seinerzeit oft so aus: „Tritt i(h)n“. Tatsächlic­h

ist Trittin ein Linker geblieben und gern mal unbequem. Kürzlich sagte er mit Blick auf den Haushaltss­treit: „Die Bundesregi­erung hat die gesetzlich­en Vorgaben bei der Schuldenbr­emse nicht ernst genommen und hat versucht, sich an der Schuldenbr­emse vorbei zu schummeln. Dabei ist sie erwischt worden. Auch ich hätte gegen diesen Haushalt geklagt, wenn ich in der Opposition gewesen wäre.“Intern war Cem Özdemir stets Trittins Lieblingsg­egner (umgekehrt war es genauso). Mit den grünen Spitzen in der Partei und dem Kabinett tut er sich bisweilen schwer.

Freilich konnte der als spröde geltende Politiker ebenso Brücken bauen – so etwa mit dem SPD-Wirtschaft­sminister Werner Müller. Über Schröder brach er trotz dessen anhaltende­r „Russlandve­rsteherei“politisch den Stab – menschlich nicht.

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Bei der Farbbeutel-Attacke auf Joschka Fischer (v. l.) in Bielefeld 1999 war Jürgen Trittin dabei, als Bundesumwe­ltminister.
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Fotos: dpa Jürgen Trittin ist seit 25 Jahren Mitglied des Bundestags und wird im kommenden Jahr 70 Jahre alt.

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