Preis fürs D-Ticket könnte steigen
Ist das Deutschlandticket weiter gesichert? Und wenn ja, werden Kunden für das Abo-Angebot schon bald tiefer in die Tasche greifen? Das sagen Experten aus OWL. Klar ist: Es bleibt spannend.
■ Bielefeld. Wie lange noch wird das Deutschlandticket zum Preis von 49 Euro pro Monat zu haben sein? Das fragen sich viele Pendler in Ostwestfalen-Lippe derzeit. Nach Recherchen dieser Zeitung sind in der ÖPNV-Branche der Region Bestrebungen im Gange, diesen Ticketpreis zunächst einmal nur bis Ende April 2024 festzuschreiben. Dies gilt laut Insidern für den Fall, dass sich die öffentliche Hand nicht bis Ende dieses Jahres verbindlich festlegt, die finanziellen Verluste der Branche vor Ort voll zu übernehmen. Gemeint sind damit Bund und Länder.
Viele ÖPNV-Experten rechnen damit, dass das Ticket danach tendenziell im Preis steigen wird. Auch Leistungskürzungen, also eine Ausdünnung der Fahrpläne, sind weiter in der Debatte. Dabei wird dieses Ticket übereinstimmend als großer Erfolg betrachtet. Eine Abschaffung sei undenkbar, heißt es von vielen Seiten. Anfang November hatte man sich bei einem Spitzengespräch des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten darauf geeinigt, nicht verbrauchte Mittel für das D-Ticket aus diesem Jahr 2024 einzusetzen.
Hintergrund: Der Zuschuss war für ein volles Jahr geflossen, das Ticket aber erst im Mai 2023 auf den Markt gekommen. Beim Finanzierungsmodell müsse noch „erheblich nachgeschärft werden“, sagt Kurt Kalkreuter, Vorsitzender der Verbandsversammlung des Verkehrsverbundes Ostwestfalen-Lippe (VVOWL), auf Anfrage. Eine ausreichende Defizitabdeckung für die Aufgabenträger sei „jetzt und in Zukunft ganz wichtig“. Es gebe zudem noch weiteren Handlungsbedarf für Ausnahmeregelungen, etwa für Studierende oder sozial Benachteiligte.
Die Unternehmen und Verbünde vor Ort wollen sich an den Gesprächen zur Findung eines langfristigen Finanzierungskonzepts beteiligen. Oliver Mietzsch, Geschäftsführer der OWL Verkehr GmbH: „Wir als gesamte Branche stehen bereit, hierbei zu unterstützen, sodass eine enge Rückkopplung zwischen allen Beteiligten möglich ist.“Den Handlungsbedarf umschreibt man bei der OWL Verkehr GmbH so: „Die allgemeine Finanzlage der gesamten ÖPNVBranche ist seit Jahren kritisch und wird sich auch im nächsten Jahr kaum ändern.“
Die Liquidität von Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern müsse gesichert sein, „um das bestehende Angebot aufrechterhalten zu können“. Es sei „aktuell auch noch nicht klar, ob die nicht verbrauchten Mittel aus 2023 für die komplette Finanzierung der Mindereinnahmen bis Mai 2024 ausreichend sein werden“, heißt es bei der OWL Verkehr GmbH auf die Frage, ob die jüngste Vereinbarung zwischen Bund und Ländern bereits eine gute Lösung sei.
Beim Bielefelder Verkehrsunternehmen Mobiel heißt es zum D-Ticket: „Die Einführung des Deutschlandtickets bleibt ein wichtiger Schritt in Richtung Verkehrswende.“Die Ergebnisse der Bund-Länder-Konferenz bewerte man als „positive Signale für 2024“. Eine auskömmliche Finanzierung für das System bleibe aber die Voraussetzung für ein Funktionieren.
Bund und Länder geben für das Ticketangebot, das die Nutzung von Bussen und Bahnen im deutschen Nahverkehrsnetz ermöglicht, drei Milliarden Euro pro Jahr aus, das hälftig geteilt wird. Eine Vereinbarung über eine sogenannte Nachschusspflicht wurde aber in der jüngsten Konferenz nicht erzielt.
Damit wären darüber hinaus gehende Defizite aus dem System abgedeckt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat jüngst eine Prognose vorgelegt, wonach 2024 mit Kosten für das D-Ticket
von 4,1 Milliarden Euro gerechnet wird. Etwa 600 Millionen Euro können voraussichtlich aus dem Jahr 2023 übernommen werden. Es bliebe also ein Defizit von rund 400 Millionen Euro übrig.
Es bleibt nun Aufgabe der Verkehrsminister, ein tragfähiges Konzept zur langfristigen Finanzierung des D-Tickets zu erarbeiten, wie auf der Konferenz Anfang November beschlossen wurde.
Dass dies dringend notwendig und sinnvoll ist, unterstreicht der VDV: Man sehe „als Branche noch einiges an Potenzial für weitere Fahrgastzuwächse“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann und nennt als eines der Beispiele die rund drei Millionen Studierenden in
Deutschland. Der Branchenverband hat bisher rund elf Millionen verkaufte D-TicketAbos bundesweit gezählt.
Immerhin acht Prozent davon, so der VDV, seien absolute Neukunden, die zuvor noch keine Nutzer des ÖPNV waren.
Rund fünf Prozent aller Fahrten mit dem D-Ticket wären sonst mit dem Auto unternommen worden. Die Mobilitätswende dürfe „kein Lippenbekenntnis“sein, betont Kalkreuter. Darunter sei zu verstehen: Die Erreichbarkeit der gesamten Region, sowohl in den urbanen Gebieten als auch auf dem Land, konkurrenzfähige Zeittakte, angemessene Verkehrsmittel, genügend Fahrpersonal, intelligente Fahrumläufe, funktionierende Verknüpfungspunkte und vieles mehr. Forderungen, die wohl alle Pendler aus OWL sofort unterschreiben werden.
„Wichtiger Schritt Richtung Verkehrswende“
„Einiges Potenzial für Fahrgastzuwächse“