Traum vom großen Wurf
Gabriel Clemens schaffte es im vergangenen Jahr ins Halbfinale. Jetzt machen sich gleich fünf Deutsche auf, in London für die nächste Darts-Überraschung zu sorgen.
■ London. Auf einmal sprach der „Ally Pally“Deutsch. Oder vielmehr: sang. „Oooh, wie ist das schön“, schallte es vor gut einem Jahr durch den Londoner Darts-Tempel. Mit einem furiosen Lauf bis ins Halbfinale versetzte Gabriel Clemens bei der vergangenen WM die deutsche Fanschar in Ekstase, für ein paar Tage war das ganze Land „Gaga“. Ein Jahr später nun treten erstmals gleich fünf deutsche Spieler in London an – und sie alle träumen vom großen Wurf.
Deutschlands Nummer eins Clemens weckte vor allem mit den letzten Ergebnissen wieder die Fantasie dafür. Die Nummer 22 der Welt scheint seine starke Vorjahresform pünktlich zum Saisonhöhepunkt wiedergefunden zu haben, bei den Players Championship Finals erreichte der Saarländer jüngst das dritte Major-Halbfinale seiner Karriere. Ein ermutigendes Ergebnis am Ende eines durchwachsenen Jahres, in das der „German Giant“den WM-Hype nicht transportieren konnte. Nun habe er aber doch „ein bisschen Druck aus der Sache rausgenommen“, sagte der 40Jährige, sodass er seine sechste WM „relativ entspannt“angehen werde.
Zu locker sollte er es aber nicht nehmen, denn bereits zum Auftakt könnte Vize-Junioren-Weltmeister Gian van Veen (Niederlande) warten, wenn dieser seiner Favoritenrolle gegen Man Lok Leung (Hongkong) gerecht wird. Van Veen habe „ein fantastisches Jahr gespielt“, lobte Clemens: „Trotzdem bin ich der gesetzte Spieler, ich bin der Favorit.“
Sogar noch offensiver trägt WM-Debütant Ricardo Pietreczko sein Selbstbewusstsein vor. „Ich gehe zu einem Turnier, weil ich es gewinnen will“, sagte der Nürnberger: „Deswegen sage ich immer: Der größte Favorit bin ich selbst.“Die Form spreche für ihn, sagte „Pikachu“weiter, und liegt damit wohl nicht falsch. Der 29-Jährige ist Deutschlands Senkrechtstarter, er hat sich in seinem zweiten Jahr auf der Pro-Tour auf Platz 39 der Weltrangliste vorgespielt. Anders als Clemens gewann er beim European Tour Event in Hildesheim im Oktober bereits ein PDC-Turnier. Zum Auftakt hat Pietreczko am 19. Dezember (Sport1) mit Mikuru Suzuki, der derzeit drittbesten Dartsspielerin der Welt, eine lösbar wirkende Aufgabe.
Auch der zweite gesetzte Deutsche Martin Schindler (Strausberg/Nr. 26) würde am liebsten „am Ende des Turniers den Pokal selber hochhalten“, erklärte der 27-Jährige vor seiner vierten Teilnahme. Deutschlands Nummer zwei läuft derzeit fast etwas unter dem Radar, obwohl „The Wall“schon mehrfach sein großes Potenzial gezeigt hat. Bei der vergangenen WM hatte Schindler den späteren Weltmeister Michael Smith in Runde drei am Rande einer Niederlage.
Das deutsche WM-Quintett komplettieren Florian Hempel (Köln) und Dragutin Horvat (Kassel), zwei Außenseiter. Hempel sicherte sich sein WM-Ticket erst auf den letzten Drücker, hat mit dem Weltranglisten-88. Dylan Slevin (Irland) zum Start aber ein machbares Los erwischt. „Herkules“Horvat ist der größte Underdog. Der Hesse hat als einziger keine Tourcard. Um überhaupt antreten zu können, gewährte ihm sein Arbeitgeber Sonderurlaub. Zumindest für sein Erstrundenmatch gegen Mike De Decker (Belgien) erwartet der Lagerist ein „50:50-Spiel“.