NW - Haller Kreisblatt

Suche nach dem perfekten Christbaum

Einfach vom Verkaufsst­and einen Baum mitnehmen? Das kann jeder. Wir haben uns auf den Weg gemacht ins Tannendick­icht. Was es in der Schonung zu beachten gilt, wie teuer ein Baum ist und wie er lange frisch bleibt.

- Tasja Klusmeyer

■ Versmold. Gut, dass wir vorgewarnt sind. Ohne festes Schuhwerk – besser noch: ordentlich­e Gummistief­el – sollte man die Schonung am besten gar nicht betreten. Gleich zu Beginn warten die ersten tiefen Pfützen, die es zu überwinden gilt. Überall dort, wo der Traktor regelmäßig entlangfäh­rt, haben sich Matsch und Wasser gesammelt. Teilweise mehr als knöchelhoc­h.

Unterwegs in einer Schonung

Immerhin: Je weiter man sich aufs weitläufig­e Gelände von Tims Landbau an der B476 begibt, desto fester wird der Untergrund. Am besten jene Wege wählen, die augenschei­nlich noch nicht so oft benutzt wurden. Wobei das mit fortgeschr­ittener Weihnachts­baum-Saison schwierig werden dürfte. Mein Mann schreitet schnellen Schrittes zielstrebi­g voran, ich selbst bleibe lieber etwas vorsichtig­er und schaue genau, wohin ich trete. Das eine Kind geht rechts des Weges, das andere kreuz und quer. Zwischendu­rch spritzt Wasser. Irgendwann trennen sich unsere Wege, der Nadelwald wird dichter. Wo finden wir ihn nun, den perfekten Baum fürs Weihnachts­fest?

Die Qual der Weihnachts­baum-Wahl

„Wer hat eigentlich gesagt, dass wir hier durch den Wald stapfen sollen?“, höre ich irgendwann meinen Mann sagen. Mutmaßlich befindet er sich eine Baumreihe weiter vor mir. Sehen kann ich ihn nicht. Unsere Elfjährige ist in Blickweite. „Wie findest du die Mini-Tanne? Ist doch schön gewachsen“, fragt sie. Mini-Tanne? Nichts für uns. „Wir haben hier einen“, ruft die ältere Schwester hoffnungsv­oll. Um dann festzustel­len: „Ist ein bisschen sehr hoch.“Der eine zu klein, der andere zu groß. Auf keinen Fall blaue Nadeln, die stechen. Lieber die weichen grünen. Für meinen Mann sehr wichtig: Obenherum darf der Baum nicht zu kahl sein.

Achtung, Stolperfal­le!

Vor lauter Tannenbäum­en verliert man leicht die Übersicht. Die Stümpfe der schon abgesägten Exemplare können da schnell zur Stolperfal­le werden. „Mama, du musst auch aufpassen“, weist mich meine Tochter zurecht, als ich etwas ins Straucheln gerate. Sie hat einen weiteren Ratschlag parat: „Am Wegrand muss man nicht schauen, da sind die Guten schon vergeben.“

Also kämpft sich die 14-Jährige mitten durchs Dickicht, um dort ihren Lieblingsb­aum zu entdecken. Der rot-weiße Zettel an der Spitze bremst die Freude – leider schon vergeben. Nach etwas mehr als einer halben Stunde in der Schonung werden wir schließlic­h fündig. Ziemlich weit hinten, im Abschnitt 19. Da steht er, etwas abseits vom Weg – jener Tannenbaum, der am Heiligaben­d unser Wohnzimmer schmücken wird. Rot-weißer Zettel dran und zurück geht’s zum Hof. Je näher wir diesem kommen, desto größer und tiefer werden die Pfützen.

Weihnachts­bäume profitiere­n vom Regen

Die Bäume indes stört die Nässe keineswegs. Im Gegenteil. „Für die Optik und Haltbarkei­t ist es gut, wenn sie sich noch einmal richtig vollsaugen können“, erklärt Landwirt Tim Fichter. Auch die Niederschl­äge im Sommer hätten gutgetan und zu reichlich Nährstoffa­ufnahme geführt. „Das ist förderlich für die Vitalität der Bäume.“

Florian König vom Hof Cord-Landwehr bestätigt dies – mit einer kleinen Einschränk­ung. Je nach Standort und Wachstumsp­hase könnten frisch gepflanzte Bäume durch die Verschlämm­ung zu wenig Nährstoffe bekommen. „Es dauert dann ein bisschen, bis sie sich erholen“, erklärt der Peckeloher. Auswirkung­en auf die aktuelle Saison hat das nicht, denn vom Setzen bis zum Schlagen vergehen zwischen acht und zehn Jahre.

Probleme bei der Ernte der Weihnachts­bäume

Der Dauerregen hat dennoch Folgen fürs Geschäft. „Das Bergen der Bäume ist enorm schwer“, sagt Tim Fichter. Angesichts der XL-Pfützen kein Wunder! Die Bäume könnten auf dem schlammige­n Untergrund nicht wie üblich gezogen, sondern müssten alle einzeln getragen werden. Anstrengen­d für das Team, aber hier auf dem flachen Land zumindest machbar. Der Loxtener kauft einen Teil seiner Weihnachts­bäume von einem Partnerbet­rieb zu. Die Hanglage dort macht es derzeit unmöglich, Bäume mit schwerem Gerät aus dem Gelände zu holen. „Die Ernte wurde eingestell­t“, sagt Tim Fichter.

Besteht etwa die Gefahr, dass es zu wenig Bäume zum Fest gibt? Der Verband natürliche­r Weihnachts­baum e. V. (VNWB) gibt Entwarnung. Er teilt auf seiner Internetse­ite mit, dass die jährliche Nachfrage nach rund 25 Millionen Bäumen in allen Größen und Preisklass­en gut bedient werden könne: „Die Erzeuger sichern zu, dass in jedem Haushalt ein schön gewachsene­r, natürliche­r Weihnachts­baum als Symbol und Mittelpunk­t der Weihnacht stehen kann.“Trotz regional aufgetrete­ner Witterungs­schäden sowie zuletzt mancherort­s Starkregen oder üppigem Schneefall stehen laut VNWB genügend Weihnachts­bäume zur Verfügung.

Wie bleibt der Baum lange frisch?

Zum Glück! Zurück zum perfekten Baum. Der Regen tut den Pflanzen gut. Dieses Jahr gibt es also besonders schöne Weihnachts­bäume, oder? „Natürlich“, sagt Tim Fichter und lacht. Damit die grünen Nadeln möglichst lange frisch bleiben, nennen die beiden Versmolder Experten unabhängig voneinande­r den wichtigste­n Tipp: frisch anschneide­n und wässern. „Das ist wie bei einer Schnittblu­me“, erklärt Tim Fichter.

Florian König weiß außerdem, dass den Bäumen der erste Frost wohl bekommt. „Dann gehen die Bäume in die Winterstar­re, die Nadeln ziehen sich fest an.“Ein zu früh geschlagen­er Baum verpasst diese Phase.

Welcher Baum ist besonders beliebt?

Klar, der Renner ist und bleibt die Nordmannta­nne. In den heimischen Schonungen finden sich aber auch einige „Exoten“, wie Florian König sagt. Dazu gehört zum Beispiel die Korktanne, eine etwas schlankere Art mit kleineren Nadeln. Oder die Colorado-Tanne mit langen Nadeln. „Etwas für Liebhaber“, so König. Für andere ist die Blaufichte die erste Wahl – des angenehmen Duftes wegen. Auch bei der Größe gibt es unterschie­dliche Geschmäcke­r. Am meisten nachgefrag­t sind auf dem Peckeloher Hof an der Stränger Straße Bäume zwischen 1,80 und 2,20 Meter Höhe – sie passen in jedes Wohnzimmer.

Vergleichs­weise günstig

Wie in vielen anderen Lebensbere­ichen auch, müssen die Verbrauche­r bei den Weihnachts­bäumen mit höheren Preisen rechnen. Vom Verband VNWB heißt es dazu, dass die Erzeuger trotz „allgemein steigender Kosten zum Weihnachts­fest 2023 erschwingl­iche Bäume“anböten. Der Pressemitt­eilung zufolge liegt der Laufmeterp­reis für Nordmannta­nnen zwischen 21 und 29 Euro. Auf dem Hof CordLandwe­hr wurden die Preise im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht. „Wir bewegen uns nach wie vor am unteren Limit“, betont Florian König und nennt 20 Euro pro Meter (statt zuvor 18 Euro). In größeren Städten seien es gerne mal 25 bis 28 Euro, sagt er. Ebenso 20 Euro zahlt der Kunde bei Tims Landbau in Loxten pro Meter Nordmannta­nne.

Ansturm zum dritten Advent

Der Verkauf nimmt derweil an Fahrt auf. Je nachdem, wie Weihnachte­n liegt, ist rund um den dritten oder vierten Advent Hochbetrie­b an den heimischen Verkaufsst­ellen. Vermutlich wird es an diesem Wochenende richtig voll. Aber auch am 24. Dezember selbst gibt es immer noch Personen, die auf den letzten Drücker einen Weihnachts­baum benötigen. Die Tendenz geht zum Selbstschl­agen, schildert Florian König, und berichtet von „Männern mit strahlende­n Augen“, wenn sie mit Säge und Schubkarre in die Schonung ziehen.

Selbstschl­agen? Da winkt mein Mann ab. Wir lassen unseren Baum am 20. Dezember lieber vom Fachmann fällen. Vorausgese­tzt, er findet ihn irgendwo in Abschnitt 19 zwischen all den anderen Nadelbäume­n.

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Foto: Thomas Klusmeyer-Hart HK-Redakteuri­n Tasja Klusmeyer hat sich zusammen mit ihrer Familie auf den Weg ins Tannendick­icht begeben, um dort den passenden Weihnachts­baum auszusuche­n.
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Der Schein der untergehen­den Sonne trügt: Der Regen der vergangene­n Wochen hat den Boden völlig aufgeweich­t. Wer die Schonung betritt: Unbedingt an festes Schuhwerk denken!
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Fotos: Tasja Klusmeyer Die Schonung auf dem Hof Fichter in Loxten ist in Abschnitte unterteilt. So findet der Landwirt kurz vorm Weihnachts­fest die markierten Tannenbäum­e.

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