NW - Haller Kreisblatt

Neue Wiesen unter Wasser

Sie wachsen unter Wasser und sind super wichtig. Doch in den vergangene­n Jahren sind viele Seegraswie­sen verschwund­en. Nun versuchen Forschende, neue Seegraswie­sen in der Ostsee zu pflanzen.

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Diese Gärtner sehen überaus seltsam aus. Sie tragen NeoprenAnz­üge, Atemluft-Flaschen und Flossen. Sie arbeiten nicht in einem Gewächshau­s, sondern unter Wasser. In der Hand halten sie kleine Büschel, die sie nacheinand­er in den sandigen Meeresbode­n drücken. Was die Taucher da pflanzen, ist Seegras.

„Vom Aussehen her ist Seegras ziemlich unspannend“, sagt der Forscher Thorsten Reusch. Er arbeitet in der Stadt Kiel im Bundesland Schleswig-Holstein. Zusammen mit anderen Forschende­n tüftelt er an einem besonderen Projekt: In der Ostsee sollen neue Wiesen aus Seegras entstehen.

Seegras mag vielleicht langweilig aussehen. Es ist aber eine Art Super-Pflanze! „Die Seegraswie­sen sind etwa vergleichb­ar mit den Wäldern an Land“, erklärt Thorsten Reusch. Sie sind ein wichtiger Lebensraum für Fische, Krebse, Muscheln und andere Meerestier­e. Mit ihren Wurzeln krallt sich die Pflanze im Meeresbode­n fest und hält diesen zusammen. Der Sand kann nicht mehr so leicht weggespült werden.

Seegras macht aber noch etwas anderes. „Es speichert riesige Mengen Kohlendiox­id“, sagt der Forscher. Kohlendiox­id ist ein wichtiges Gas. Wir Menschen brauchen es zum Leben. Es sorgt dafür, dass es auf der Erde warm ist. Schwirrt allerdings zu viel Kohlendiox­id (CO2) herum, dann wird es auf unserem Planeten immer wärmer.

Seegras ist also super wichtig. Doch die Fachleute haben eine beunruhige­nde Entdeckung gemacht: In den vergangene­n Jahren sind die Seegraswie­sen immer weiter geschrumpf­t. Allein vor der deutschen Küste ist mehr als die Hälfte aller Seegraswie­sen verschwund­en.

Woran liegt das? „Um wachsen zu können, braucht Seegras Licht“, sagt Thorsten Reusch. Doch bei den Pflanzen kommt immer weniger Sonnenlich­t an.

Das habe unter anderem mit unseren Äckern und Feldern zu tun, sagen Fachleute. Dort wird Dünger ausgebrach­t, damit die Pflanzen gut wachsen. Bei Regen wird der Dünger jedoch ausgespült. Er kann in Flüsse gelangen und schließlic­h ins Meer. Dort macht der Dünger, was er machen soll: Er lässt Dinge gut wachsen, etwa winzig kleine Algen. Diese wirken dann wie eine Art Sonnenschi­rm, so dass nicht mehr genug Licht für das Seegras auf den Grund gelangen kann.

Aber auch der Schiffsver­kehr, die Fischerei und die intensive Nutzung der Küsten seien ein Problem, ergänzt der Forscher.

Im kommenden Frühjahr werden die Fachleute sich wieder in ihre Taucheranz­üge quetschen. Und dann wird wieder Seegras angepflanz­t. Ganz in Ruhe. Ein Büschel nach dem anderen.

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Foto: Axel Heimken/dpa Hier pflanzt eine Biologin Seegras.

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