Italien plant Abschiebelager in Albanien
Premierministerin Meloni erntet mit ihrem Plan für zwei Aufnahmezentren im Ausland europaweit Aufmerksamkeit. Aber das Projekt ist hochproblematisch.
¥ Rom. Die Bemühungen der italienischen Regierung, Migranten von Albanien aus in ihre Herkunftsländer abzuschieben, nehmen weiter Form an. Im Abgeordnetenhaus in Rom begannen nun die Diskussion über das Ratifizierungsgesetz zu einem entsprechenden im November des vergangenen Jahres von Premierministerin Giorgia Meloni und Albaniens sozialistischer Premier Adi Rama unterzeichneten Abkommen. Albanien erhofft sich im Gegenzug eine Beschleunigung seiner gewünschten Aufnahme in die Europäische Union (EU).
Da Melonis Rechtsregierung über eine bequeme Mehrheit verfügt, gilt die Verabschiedung des Gesetzes als sicher. Auch in Deutschland interessiert man sich für das Projekt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der Albaniens Premier Rama zur CSUKlausurtagung ins Kloster Banz eingeladen hatte, hatte die italienisch-albanische Kooperation als „sehr positiv“bezeichnet.
Italien plant zwei Einrichtungen in Albanien, einen sogenannten Hotspot in der Hafenstadt Shëngijn sowie ein Abschiebelager auf einem ehemaligen Militärflughafen. In beiden Einrichtungen sollen italienische Beamte das Sagen haben. Italien finanziert den Bau der Einrichtungen und ist für ihren Betrieb sowie die Sicherheit verantwortlich, italienische Beamte werden dazu nach Albanien abgestellt. Im Mittelmeer von Italien aufgelesene Migranten sollen dort nach dem im Juni auf EU-Ebene beschlossenen „beschleunigten Grenzverfahren“innerhalb von maximal 28 Tagen in ihre Heimatländer abgeschoben werden.
Die Lager, die die Migranten nicht verlassen dürfen, sind für 3.000 Menschen pro Monat ausgelegt. Pro Jahr sollen 36.000 Migranten die Zentren durchlaufen. Wie die Regierung Meloni im Vorfeld mitteilte, können nur in internationalen Gewässern im Mittelmeer von italienischen Militärschiffen
aufgenommene Menschen in die Zentren in Albanien gebracht werden. Die von Nichtregierungsorganisationen aufgegriffenen Migranten sind nicht betroffen. Bereits auf See soll auf den Schiffen der Marine eine Auslese stattfinden. Als vulnerabel eingestufte Personen werden den Angaben zufolge nach Italien gebracht. Dazu zählen unter anderem Minderjährige, Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Alleinerziehende sowie Opfer schwerer psychischer oder körperlicher Gewalt.
Als nicht vulnerabel eingestufte Migranten, also gesunde Männer, sollen nach Albanien transportiert werden. Den Plänen zufolge werden sie innerhalb von 28 Tagen in 16 von Italien als sichere Herkunftsstaaten eingestufte Länder abgeschoben, darunter Tunesien, Marokko, die Elfenbeinküste,
Gambia, Nigeria, Senegal, Ghana und Georgien. Die Screenings werden an Bord vorgenommen. Wie die Regierung bekannt gab, soll sich die italienische Marine im Hafen von Shëngijn (Albanien) mit mindestens einem Schiff bereithalten, um Migranten, die sich später als schutzbedürftig herausstellen, aus dem Hotspot nach Italien zu bringen.
Die Opposition in Rom kritisierte die Pläne als „kostenaufwändiges Hin und Her von Schiffen von einer Seite der Adria zur anderen“. Die Kosten sollen bei rund 650 Millionen Euro in fünf Jahren liegen. Amnesty International zeigte sich „tief besorgt im Hinblick auf negative Folgen des Abkommens für den effektiven Schutz der Menschenrechte“. Befürchtet wird unter anderem die Missachtung des Rechtes von Bootsflüchtlingen auf das rasche Erreichen eines sicheren Hafens.
Behauptet wird zudem, die Regierung Meloni wolle mit dem Start der Kooperation noch vor der EU-Wahl auf Stimmenjagd gehen. Ursprünglich sollte das Projekt im März starten. Das albanische Verfassungsgericht stoppte die Pläne aber vorläufig im Dezember wegen möglicher Verfahrensfehler, ein Urteil steht noch aus. Die Opposition in Tirana hat außerdem Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht. Im vergangenen Jahr erreichten 155.754 Menschen Italien über das Mittelmeer, das war ein Zuwachs um 50 Prozent im Vergleich zu 2022. Die meisten Migranten kamen aus Guinea, Tunesien, der Elefenbeinküste, Bangladesh, Ägypten und Syrien.