Republikanerin geht zum Angriff auf Ex-Präsidenten über
Haley attackiert Trump kurz vor den Vorwahlen in New Hampshire wegen seines Alters. Die 52-Jährige zweifelt die geistige Fitness des 77-Jährigen an.
¥ Hampton. Es ist kein Kindergeburtstag, im Winter von New Hampshire Donald Trump-Fan zu sein. Vor der blau illuminierten SNHU-Arena in Manchester zieht sich der Bandwurm fast einen Kilometer um die Häuserblocks. Bei schneidendem Wind und minus 20 Grad stehen Hunderte Menschen geduldig Schlange, um den favorisierten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner live zu sehen. Niemand flucht über die zähflüssige Abfertigung an den Sicherheitsschleusen der Halle, in der Trump später rund 9.000 beseelte Anhänger mit seinem Standard-Programm bedienen wird: „Wir werden Amerika wieder groß machen.“
Bill Gosens ist einer von den Wartenden. Der 68-jährige pensionierte Kraftfahrer verkörpert einen Typus, den Demoskopen als „Die Hard“Wähler des Ex-Präsidenten bezeichnen; als hundertprozentige Bewundere. „Unter Trump war Amerika an der Sonne. Mit Joe Biden ist es Nacht geworden. Sehen Sie sich nur die außer Kontrolle geratene Lage an der Grenze zu Mexiko an. Stattdessen hampeln wir mit viel Geld in der Ukraine herum. Und erst die Preise im Supermarkt. Alles Mist. Nur Trump kann uns retten.“
Zwischenfragen, etwa nach Trumps mannigfachen juristischen Verwicklungen rund um den blutigen Sturm aufs Kapitol, quittiert der Mann mit dem beachtlichen TruckerBauch mit Geringschätzung. „Alles erfunden von den korrupten, liberalen Medien. Die Demokraten sind Teufel. Ich wähle definitiv Trump.“
Gosens Standpunkt ist vor der Vorwahl im kleinen Neuengland-Bundesstaat kein Ausreißer. Schon beim Auftakt in Iowa kam heraus, dass über 60 Prozent der TrumpWähler Präsident Joe Biden für illegitim und die Wahl 2020 für „gestohlen“halten. Und dass sie Trumps Diktatur-ähnlichen Pläne für eine zweite Amtszeit mit leiser Bewunderung und Verachtung für die parlamentarische Demokratie statt mit Entsetzen aufnehmen. Gosens sagt es unverblümt so: „Wir brauchen endlich einen starken Mann, der den Kongress in den Hintern tritt und Amerika ohne Rücksicht auf Verluste voran bringt.“Ihm leuchtet darum „völlig ein“, wenn Trump auf offener Bühne (mit Blick auf eine erwartete Entscheidung des Obersten Gerichts) „absolute Immunität“für sich einfordert. Und das mit der steilen These garniert, US-Präsident Harry Truman hätte im
Zweiten Weltkrieg wohl niemals Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abwerfen lassen, wenn er die Gefahr gesehen hätte, dafür später belangt zu werden.
Dee Atwater, eine 72-jährige ehemalige Krankenschwester aus Merrimack, kriegt bei solchen Sätzen „Hautausschläge“. Sie gehört keiner Partei an, zählt zu den 40 Prozent „Independents“in New Hamsphire, auf deren Wahlverhalten es besonders ankommt. Atwater
verlässt die Gilbert H. Hood Mittelschule in Derry mit einem „Gefühl der Zufriedenheit“. Kurz vorher hat Nikki Haley ihre 20-minütige Rede-Routine in der gut gefüllten Aula beendet. Trump bringe „überall Chaos“mit sich, habe Amerika unverantwortlich tief verschuldet und verfolge persönliche Rachegelüste, anstatt „nach vorn zu schauen“. Bei ihrer Kritik verlässt Haley die bis dato sanfte Tonlage gegenüber ihrem ehemaligen Boss (die frühere Gouverneurin war unter Trump UN-Botschafterin). Sie, die 52jährige Tochter indischer Einwanderer, hält den 77-Jährigen für zu alt und geistig nicht mehr ausreichend auf der Höhe, um Amerikas Geschicke richtig zu lenken.
Anhängerin Dee Atwater nickt bei den Worten. „Trump kann einfach nie die Klappe halten. Seine Emotionen schalten den Verstand aus. Bei Nikki Haley überzeugt mich die außenpolitische Erfahrung und ihr abgewogener Blick auf die Dinge. Sie hat meine Stimme sicher.“