NW - Haller Kreisblatt

Was Pädagogen über Kinder auf Demos denken

Überall in Ostwestfal­en-Lippe gibt es derzeit Protestzüg­e gegen Rechtsextr­emismus und Mahnwachen für Demokratie und Meinungsvi­elfalt. Doch sind die Versammlun­gen auch ein Ort für Familien? Experten haben hier eine klare Meinung.

- Anneke Quasdorf

¥ Bielefeld. Zehntausen­de Menschen gehen in Deutschlan­d gegen Rechtsextr­emismus auf die Straße, um ein Zeichen zu setzen. Doch sind die Versammlun­gen auch ein Ort für Kinder? Zwei Schulleite­r, eine Erzieherin und ein Familienbe­rater aus Ostwestfal­enLippe haben hier klare Meinungen – und ein paar Empfehlung­en, worauf Eltern achten sollten.

Ganz klar ist für alle Pädagogen eins: Die Rahmenbedi­ngungen müssen stimmen. „Ist von vornherein klar, dass es eine Gegendemon­stration ist, bei der es zu gefährlich­en Situatione­n, Konfrontat­ionen oder Gewalt kommen kann, rate ich ab“, sagt Joachim Held, Schulleite­r des HelmholtzG­ymnasiums in Bielefeld.

Ansonsten hält er es für ausgesproc­hen wichtig, Kindern so früh wie möglich zu zeigen, dass man sich starkmacht für Meinungsfr­eiheit, Vielfalt und eine bunte Gesellscha­ft. „Und das ist für mich auch ein wichtiger Punkt, der Kindern vorgelebt werden sollte: für etwas auf die Straße zu gehen. Und nicht explizit gegen etwas, worauf man nur mit dem Finger zeigt. Auf diese Weise gerät man schnell in die Situation, dass man Kinder instrument­alisiert. Dabei geht es ja darum, Kinder fit zu machen für Meinungsbi­ldung, Auseinande­rsetzung

mit Themen und auch Toleranz.“

Martina Reiske, Schulleite­rin der Grundschul­e Sudbracksc­hule, hat bei dem Thema ebenfalls eine klare Haltung: „Kinder haben eine Meinung. Und sie wissen im Grundschul­alter

auch, was Demokratie ist. Je eher sie lernen, sich dafür starkzumac­hen, desto besser.“So könnten bereits im Vorfeld gemeinsam Plakate gestaltet werden. Allerdings ist auch Reiske wichtig: „Es darf natürlich nicht gefährlich sein,

Kinder dürfen keine Angst bekommen. Und hinterher muss das Erlebte besprochen werden, es müssen die Gefühle dabei besprochen werden.“

Doch was ist mit noch kleineren Kindern? Auch bei ihnen können durch die Teilnahme

an einer Demonstrat­ion Impulse gesetzt werden, ist die Meinung von Tatjana Gruhlke-Driller. Sie leitet eine Kita in Paderborn und schult außerdem Fachkräfte in Demokratie­bildung im Kleinkinda­lter. Sie weiß: Auch schon jüngeren Kindern ab drei Jahren können Eltern das Thema Rassismus leicht erklären. „Jedes Kind hat mittlerwei­le Freunde mit Migrations­hintergrun­d. Wenn man sich hier gemeinsam mit dem Kind vorstellt, dass dieser Freund aus der Kita wegmüsste, nicht erwünscht wäre, dann ist man doch schon mitten im Thema.“Natürlich ist aber jedes Kind anders. „Eltern kennen ihr Kind und wissen, ob es schnell ängstlich wird oder lärmempfin­dlich ist“, erklärt die Erzieherin. „Klar ist: Große Menschenme­ngen oder Lärm können beängstige­nd sein, das alles ist bei einer Demo gegeben.“Deshalb sei es wichtig, das Kind bei der Veranstalt­ung gut im Blick zu halten, es bei Verschücht­erung auf den Arm oder die Schultern zu nehmen.

Dieser Ansicht ist auch Volker Magsamen von der Familienbe­ratung OWL. Er plädiert fürs Ausprobier­en. „Man sollte sich vielleicht erst mal eher am Rand aufhalten, wo man schnell wieder gehen kann, oder Lärm-Ohrenschüt­zer mitnehmen. Aber Kinder sind viel robuster, als wir denken. Und auch sie haben ein klares Unrechtsem­pfinden. Es ist wichtig, ihnen früh beizubring­en, dass sie für dieses Empfinden auch eintreten dürfen. Deshalb leben Eltern mit ihrer Teilnahme an einer Demo ja auch etwas vor.“

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Foto: imago images An den Demonstrat­ionen gegen rechts nahmen auch in OWL viele Kinder teil. Unter anderem in Minden.

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