Was die Tierwohlabgabe bedeutet
Die Tierwohlabgabe, die der Bundesagraminster wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat, würde Fleisch und Milchprodukte verteuern. Davon würden Bauern und auch Tiere durchaus profitieren.
¥ Berlin. Die Bauern sind noch stinksauer, insbesondere weil die Regierung weiterhin die Zuschüsse für den Agrardiesel kürzen will – wenn auch weniger schnell. Um die Gemüter zu beruhigen, hat Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) nun die Tierwohlabgabe wieder auf die Agenda gesetzt. Die würde Fleisch und Milchprodukte verteuern, wovon Bauern und auch Tiere profitieren würden. Das ist geplant.
Per Gesetz könnte bei der Tierwohlabgabe, Özdemir spricht mittlerweile von einem Tierwohlcent, ein Preisaufschlag auf Fleisch und Milchprodukte erzwungen werden. Die Einnahmen würden als Zuschüsse insbesondere für Stallumbauten an die Bauern fließen, auf dass Tiere etwas mehr Platz und Tageslicht bekommen.
Hiesige Nutztierhalter stecken in einer Zwickmühle
Der Vorschlag wird schon länger diskutiert, scheiterte im vergangenen Herbst aber vorerst. Im Kontext der Bauernproteste wollen die Regierungsparteien nun bis Sommer weitere Agrarreformen diskutieren. Wie sich ein tierwohlgerechter Umbau der Landwirtschaft finanzieren lässt, soll dann ebenfalls diskutiert werden.
„Gerade die Tierhalter stehen in einem scharfen internationalen Wettbewerb, zugleich ist die Gesellschaft mit der Nutztierhaltung wirklich unzufrieden“, fasst es der Göttinger Agrarökonom Achim
Spiller zusammen. Bei höheren Auflagen für hiesige Tierhalter könnte deshalb einfach mehr Billigfleisch importiert werden.
Die Tierwohlabgabe würde dies aber ebenso verteuern wie heimische Erzeugnisse – und den Bauern zugleich eine zuverlässige Einnahmequelle verschaffen. Denn die brauchen unbedingt Planungssicherheit, sagt Spiller, der auch das Agrarministerium von Özdemir berät: Wer jetzt einen Stall umbaue, müsse wissen, welche Anforderungen in 25 Jahren gelten und welche Erlöse er dann in etwa erwarten könne.
Drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr müssen aufgebracht werden, hat das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter Leitung des früheren CDU-Agrarministers Jochen Borchert errechnet. Denkbar sind demnach 40 Cent mehr pro Kilogramm Fleisch, 2 Cent je Kilogramm Milch und Eier sowie 15 Cent je Kilogramm Käse, Butter und Milchpulver.
Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) will dabei ausdrücklich schrittweise vorgehen. „Man wird wohl kaum mit 40 Cent pro Kilogramm Fleisch einsteigen“, glaubt auch Martin Schulz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL). Für die Sorgen der Verbraucherinnen und Verbraucher hat er durchaus Verständnis: „Die Inflationswelle hat es sicher nicht leichter gemacht, die Tierwohlabgabe umzusetzen“, sagt Schulz, der selber Schweinehalter ist.
Um die Tierwohlabgabe auf Fleischpreise aufzuschlagen, sind schlussendlich mehrere Varianten im Gespräch: „Die sinnvollste, technisch einfachste und schnellste Lösung wäre eine Mehrwertsteuerangleichung“, sagt Spiller. Dabei würden die Einnahmen, derzeit sind es bei Fleischprodukten sieben Prozent Mehrwertsteuer, in den Bundeshaushalt fließen, aus dem dann Zuschüsse an die Bauern bezahlt werden könnten. Alternativ wird über eine richtige Abgabe diskutiert. Laut Spiller ist das wegen EU-Vorgaben für Unternehmensbeihilfen aber schwieriger. „Zentral ist aber, dass die Einnahmen wirklich für das Tierwohl genutzt werden, das zeigen unsere Studien“, betont Spiller.
Grundsätzlich ist die Tierwohlabgabe in der BorchertKommission entwickelt worden, dort saßen neben Umweltschützern auch Vertreter aus der Landwirtschaft, welche den Vorschlag unterstützten. Aktuell spricht sich die ABL klar für den Vorstoß aus. Der viel größere Deutsche Bauernverband zögert hingegen, offenkundig aus strategischem Kalkül: Bauernpräsident Rukwied betonte zuletzt mehrfach, erst nach einer vollständigen Rücknahme der Kürzungen beim Agrardiesel über die Tierwohlabgabe reden zu wollen.
„Eine Tierwohlabgabe könnte ein Weg sein, sie beim Umbau ihrer Ställe verlässlich zu unterstützen“, hatte FDPAgrarpolitikerin Carina Konrad aber jüngst der Süddeutschen Zeitung gesagt. Die Union ist bei dem Thema indes noch uneins: CDU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei hatte in der vergangenen Woche Offenheit signalisiert, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das Vorhaben hingegen scharf kritisiert.