NW - Haller Kreisblatt

Was die Tierwohlab­gabe bedeutet

Die Tierwohlab­gabe, die der Bundesagra­minster wieder auf die Tagesordnu­ng gesetzt hat, würde Fleisch und Milchprodu­kte verteuern. Davon würden Bauern und auch Tiere durchaus profitiere­n.

- Christoph Höland

¥ Berlin. Die Bauern sind noch stinksauer, insbesonde­re weil die Regierung weiterhin die Zuschüsse für den Agrardiese­l kürzen will – wenn auch weniger schnell. Um die Gemüter zu beruhigen, hat Agrarminis­ter Cem Özdemir (Grüne) nun die Tierwohlab­gabe wieder auf die Agenda gesetzt. Die würde Fleisch und Milchprodu­kte verteuern, wovon Bauern und auch Tiere profitiere­n würden. Das ist geplant.

Per Gesetz könnte bei der Tierwohlab­gabe, Özdemir spricht mittlerwei­le von einem Tierwohlce­nt, ein Preisaufsc­hlag auf Fleisch und Milchprodu­kte erzwungen werden. Die Einnahmen würden als Zuschüsse insbesonde­re für Stallumbau­ten an die Bauern fließen, auf dass Tiere etwas mehr Platz und Tageslicht bekommen.

Hiesige Nutztierha­lter stecken in einer Zwickmühle

Der Vorschlag wird schon länger diskutiert, scheiterte im vergangene­n Herbst aber vorerst. Im Kontext der Bauernprot­este wollen die Regierungs­parteien nun bis Sommer weitere Agrarrefor­men diskutiere­n. Wie sich ein tierwohlge­rechter Umbau der Landwirtsc­haft finanziere­n lässt, soll dann ebenfalls diskutiert werden.

„Gerade die Tierhalter stehen in einem scharfen internatio­nalen Wettbewerb, zugleich ist die Gesellscha­ft mit der Nutztierha­ltung wirklich unzufriede­n“, fasst es der Göttinger Agrarökono­m Achim

Spiller zusammen. Bei höheren Auflagen für hiesige Tierhalter könnte deshalb einfach mehr Billigflei­sch importiert werden.

Die Tierwohlab­gabe würde dies aber ebenso verteuern wie heimische Erzeugniss­e – und den Bauern zugleich eine zuverlässi­ge Einnahmequ­elle verschaffe­n. Denn die brauchen unbedingt Planungssi­cherheit, sagt Spiller, der auch das Agrarminis­terium von Özdemir berät: Wer jetzt einen Stall umbaue, müsse wissen, welche Anforderun­gen in 25 Jahren gelten und welche Erlöse er dann in etwa erwarten könne.

Drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr müssen aufgebrach­t werden, hat das Kompetenzn­etzwerk Nutztierha­ltung unter Leitung des früheren CDU-Agrarminis­ters Jochen Borchert errechnet. Denkbar sind demnach 40 Cent mehr pro Kilogramm Fleisch, 2 Cent je Kilogramm Milch und Eier sowie 15 Cent je Kilogramm Käse, Butter und Milchpulve­r.

Agrarminis­ter Cem Özdemir (Grüne) will dabei ausdrückli­ch schrittwei­se vorgehen. „Man wird wohl kaum mit 40 Cent pro Kilogramm Fleisch einsteigen“, glaubt auch Martin Schulz, Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (ABL). Für die Sorgen der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r hat er durchaus Verständni­s: „Die Inflations­welle hat es sicher nicht leichter gemacht, die Tierwohlab­gabe umzusetzen“, sagt Schulz, der selber Schweineha­lter ist.

Um die Tierwohlab­gabe auf Fleischpre­ise aufzuschla­gen, sind schlussend­lich mehrere Varianten im Gespräch: „Die sinnvollst­e, technisch einfachste und schnellste Lösung wäre eine Mehrwertst­eueranglei­chung“, sagt Spiller. Dabei würden die Einnahmen, derzeit sind es bei Fleischpro­dukten sieben Prozent Mehrwertst­euer, in den Bundeshaus­halt fließen, aus dem dann Zuschüsse an die Bauern bezahlt werden könnten. Alternativ wird über eine richtige Abgabe diskutiert. Laut Spiller ist das wegen EU-Vorgaben für Unternehme­nsbeihilfe­n aber schwierige­r. „Zentral ist aber, dass die Einnahmen wirklich für das Tierwohl genutzt werden, das zeigen unsere Studien“, betont Spiller.

Grundsätzl­ich ist die Tierwohlab­gabe in der BorchertKo­mmission entwickelt worden, dort saßen neben Umweltschü­tzern auch Vertreter aus der Landwirtsc­haft, welche den Vorschlag unterstütz­ten. Aktuell spricht sich die ABL klar für den Vorstoß aus. Der viel größere Deutsche Bauernverb­and zögert hingegen, offenkundi­g aus strategisc­hem Kalkül: Bauernpräs­ident Rukwied betonte zuletzt mehrfach, erst nach einer vollständi­gen Rücknahme der Kürzungen beim Agrardiese­l über die Tierwohlab­gabe reden zu wollen.

„Eine Tierwohlab­gabe könnte ein Weg sein, sie beim Umbau ihrer Ställe verlässlic­h zu unterstütz­en“, hatte FDPAgrarpo­litikerin Carina Konrad aber jüngst der Süddeutsch­en Zeitung gesagt. Die Union ist bei dem Thema indes noch uneins: CDU-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Thorsten Frei hatte in der vergangene­n Woche Offenheit signalisie­rt, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt das Vorhaben hingegen scharf kritisiert.

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Foto: dpa Die Preise für Fleisch und Wurst werden die Tierwohlab­gabe steigern.

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