NW - Haller Kreisblatt

Mit Marihuana im Blut in Lkw gekracht

Ein 24-jähriger Mann verursacht bei Steinhagen einen Unfall auf der Autobahn. Dass er dies absichtlic­h getan hatte, war ihm vor Gericht jedoch nicht nachzuweis­en.

- Nils Middelhauv­e

¥ Steinhagen/Bielefeld. Gemessen an dem, was alles hätte passieren können, sind die Beteiligte­n wirklich glimpflich davongekom­men: Im Mai des vergangene­n Jahrs war ein Polo auf der A33 bei Steinhagen in einen vor ihm fahrenden Sattelzug gerauscht. Nun musste sich der Fahrer des Kleinwagen­s wegen des Verdachts des gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr vor einem Bielefelde­r Schöffenge­richt verantwort­en. Der Vorwurf: Der 24-Jährige habe den Unfall in Selbsttötu­ngsabsicht bewusst herbeigefü­hrt.

Am 20. Mai 2023 war der Auszubilde­nde aus Hagen am Teutoburge­r Wald auf der Autobahn 33 in Fahrtricht­ung Osnabrück unterwegs. Dort fuhr er in Höhe von Steinhagen um 15.29 Uhr auf der rechten Spur hinter einem

Lastwagen. „Ich wollte überholen, Irgendwas ist wohl vorgefalle­n, weshalb ich auf die Bremse getreten habe. Erklären kann ich mir das jetzt aber nicht mehr“, sagte der Angeklagte nun vor Gericht, „ich bin auf dem Airbag aufgeschla­gen, mehr weiß ich nicht.“

Der Auszubilde­nde war in den vorausfahr­enden Sattelzug gekracht. Sein eigenes Auto schleudert­e auf den linken Fahrstreif­en, wo zwei nachfolgen­de Autos nur durch Notbremsun­gen rechtzeiti­g zum Halten gebracht wurden. Der Vorwurf, den die Bielefelde­r Staatsanwa­ltschaft nun gegen den 24Jährigen erhob, wog schwer: Er soll absichtlic­h kurz hinter dem Lkw stark beschleuni­gt haben, um sich durch einen Unfall das Leben zu nehmen.

Dieser Verdacht war aufgekomme­n, weil der Polo-Fahrer nach dem Unfall im Krankenhau­s

Polizisten gegenüber geschilder­t haben soll, er wolle nur noch sterben und habe schon häufiger davon geträumt, in einen Lastwagen zu rauschen.

Der Verdacht der auch vom Angeklagte­n bestritten­en suizidaler Absichten erhärtete sich vor Gericht jedoch nicht. Vielmehr spricht einiges dafür, dass der Fahrer in einen Sekundensc­hlaf gefallen war. Denn die ihm nach dem Unfall abgenommen­e Blutprobe wies eindeutig einen akuten Einfluss von Cannabis aus. Der Auszubilde­nde räumte in der Verhandlun­g auch ohne Umschweife ein, kurz zuvor noch bei einem Kollegen Marihuana konsumiert zu haben.

Eine Zeugin des Unfalls schilderte vor Gericht ihre Eindrücke: Demnach habe sie den Polo auf der linken Spur überholen wollen. Sie habe gesehen, dass dieser sich immer weiter bei gleichblei­bender Geschwindi­gkeit dem vorausfahr­enden Lkw genähert habe, so dass sie sich selber gar nicht getraut habe, den Kleinwagen zu überholen. „Ich rechnete damit, dass er jeden Moment plötzlich die Spur wechseln würde“, sagte sie vor Gericht.

Das tat der Hagener jedoch nicht, sondern kam dem Lkw immer näher. „Ich dachte nur, oh Gott, was macht der da?“, berichtete die Zeugin weiter – und da war es auch schon passiert. Die Frau stieg in die Eisen und schaffte es, eine Kollision mit dem Polo zu verhindern. Sie stieg aus, um sich um den 24-Jährigen zu kümmern.

An dem Sattelzug war ein Schaden in Höhe von rund 3.000 Euro entstanden, der Polo-Fahrer erlitt lediglich ein paar Prellungen.

Das Schöffenge­richt unter dem Vorsitz von Richterin Tina Rüdiger verurteilt­e den bislang nicht vorbestraf­ten Angeklagte­n wegen fahrlässig­er Straßenver­kehrsgefäh­rdung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätze­n à 30 Euro. Der Vorwurf des vorsätzlic­hen gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr hatte sich nicht nachweisen lassen. Dies nicht zuletzt, weil auf den Bildern vom Unfallort Bremsspure­n des Polos zu sehen waren. Darüber hinaus wies das Gericht die Behörden an, dem 24-Jährigen vor Ablauf von weiteren sechs Monaten keine neue Fahrerlaub­nis zu erteilen.

Der Angeklagte und sein Verteidige­r Torsten Rock erklärten schließlic­h ebenso den Verzicht auf Rechtsmitt­el wie die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft. Das Urteil ist somit rechtskräf­tig.

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