NW - Haller Kreisblatt

Neue TV-Talkerin sucht nach Inhalten

Bei „Caren Miosga“herrscht in den Tischgespr­ächen mehr Nähe als in anderen Talkshows. Dennoch gelingt es der Moderatori­n nicht, CDU-Chef Friedrich Merz in der Premierens­endung inhaltlich­e Positionen abzuringen.

- Thomas Gehringer

¥ Berlin. Das Logo der neuen Talkshow „Caren Miosga“besteht aus den stilisiert­en Initialen der Gastgeberi­n. Aus dem C wird ein Kreis, aus dem M ein Quadrat. Die Botschaft lautet also: Miosga und ihre Redaktion versuchen am Sonntagabe­nd in der ARD die Quadratur des Kreises. Um dem Nachdruck zu verleihen, wurde das Logo bei der Premiere permanent unten in der Bildmitte eingeblend­et, was bisweilen lustige Effekte hatte. Friedrich Merz schien die Initialen der Journalist­in zeitweise wie ein Anstecker am Revers zu tragen.

Wie passend, denn der Parteivors­itzende der CDU scheint ein großer Fan der ehemaligen „Tagestheme­n“-Moderatori­n zu sein. Jedenfalls kam er aus dem Lächeln im Zwiegesprä­ch zu Beginn der Sendung gar nicht mehr heraus. Und weil auch Caren Miosga so gar nichts Plasberg- oder Lanz-artiges hat, sondern mit spitzbübis­chem Charme versuchte, dem Politiker Inhaltsvol­les zu entlocken, stellte sich vor dem Bildschirm das zwiespälti­ge Gefühl eines ziemlich wohlwollen­den Schlagabta­uschs

vor Studiopubl­ikum ein. Vorbei sind immerhin die Zeiten, in denen die Sonntags-Gäste bei „Anne Will“munter durcheinan­der redeten.

Bei „Caren Miosga“dagegen herrscht in den Tischgespr­ächen buchstäbli­ch mehr Nähe. Und vielleicht kommt eine solch freundlich-sachliche Talkshow in vergleichs­weise intimer Runde gerade recht, denn an Geschrei und Unversöhnl­ichkeit mangelt es ja zurzeit nicht. Caren Miosga dagegen lachte den Friedrich Merz einfach schallend aus, als der bei der Frage nach der Kanzlerkan­didatur die bekannte „Das werden wir im Spätsommer entscheide­n“Formel abspulte, und dennoch klang Miosgas Lachen kein bisschen hämisch oder unangemess­en.

Wobei sie auch die eine oder andere Gelegenhei­t verstreich­en ließ: Auf die Frage, welche Führungser­fahrung Merz als Bundeskanz­ler mitbringen würde, verwies der ernsthaft auf seine Ämter als Fraktionsu­nd Parteichef. Als wäre es nicht doch eine andere Hausnummer, als Regierungs­chef das politische Geschick eines ganzen Landes zu bestimmen.

Apropos: Der von vielen in der öffentlich­en Debatte schmerzlic­h vermisste Olaf Scholz wäre als Premiereng­ast auch eine andere Hausnummer gewesen, ein echter Coup sogar. Aber Merz? Und auch der Titel („Merz richtet die CDU neu aus – wird Deutschlan­ds Zukunft konservati­v?“) wirkte nicht ganz frisch, immerhin ist das neue Grundsatzp­rogramm der CDU schon vor einigen Wochen vorgestell­t worden.

Was drin steht, erfuhr man in der Show bestenfall­s zwischen den Zeilen. Auch keiner der unvermeidl­ichen Einspielfi­lme, die im Talkshow-Genre seit der Premiere von „Hart, aber fair“vor mehr als 20 Jahren Usus geworden sind, widmete sich den Programmin­halten. Dafür holte Miosga „dieses schöne Designerst­ück“hervor: eine Kaiser-idellLeuch­te. Erstens weil sie wie Merz aus dem Sauerland stammt, zweitens weil sie zu der semi-originelle­n Frage Anlass bot: „Geht Ihnen schon ein Licht auf?“

Kontrovers­er und schärfer wurde es, lief aber auch thematisch bisweilen aus dem Ruder, als Miosga in der zweiten Hälfte der Show noch die „Zeit“-Journalist­in Anne Hähnig und den Soziologen Armin

Nassehi an den Tisch bat. Als der ins Dozieren geriet und von Themen sprach, „die leicht affizierba­r sind“, hätte man sich einen Moderator wie Frank Plasberg gewünscht, der auf verständli­che Sprache bestand. Und als Merz eine von Anne Hähnig sinngemäß zitierte Aussage zur Zusammenar­beit der CDU mit der AfD auf kommunaler Ebene einfach leugnete, wäre eine Einblendun­g mit dem korrekten Zitat hilfreich gewesen.

Anstelle dessen hatte die Redaktion die verschiede­nen Rede-Ausschnitt­e von Merz parat, in denen er über „kleine Paschas“, die Zahnbehand­lung von Asylbewerb­ern und Berlin-Kreuzberg wetterte. Dafür gab es Applaus von einem (kleineren) Teil des Berliner Studiopubl­ikums, was den anderen (größeren) Teil jedoch zu noch lauterem Beifall motivierte, als Merz von Nassehi und Hähnig kritisiert wurde. Die im Titel aufgeworfe­ne Frage, wie eine konservati­ve Zukunft aussehen könnten, blieb übrigens komplett unbeantwor­tet, weil Miosga Merz keine inhaltlich­en Positionen abringen konnte. Damit wäre ihr die Quadratur des Kreises doch noch gelungen.

 ?? Foto: dpa ?? Caren Miosga (r.) spricht zum Auftakt ihrer Sendung mit ihrem Gast Friedrich Merz, CDU-Bundesvors­itzender.
Foto: dpa Caren Miosga (r.) spricht zum Auftakt ihrer Sendung mit ihrem Gast Friedrich Merz, CDU-Bundesvors­itzender.

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