NW - Haller Kreisblatt

Soundtrack für mehr Verantwort­ung

Jette Büshel inszeniert das Eine-Frau-Stück „Nicht mein Feuer“von Laura Naumann mit Christina Huckle in der einzigen Rolle.

- Marcus Ostermann

¥ Bielefeld. Das Publikum strömt in den Club, die DJane – Kurzform für „weiblicher Discjockey“– ist schon da und tut, was DJanes so tun – sie „legt auf“und ist sehr mit ihrem Pult beschäftig­t, eine Muschel des Kopfhörers ans Ohr gepresst. Die Tanzfläche ist offensicht­lich noch nicht eröffnet, das Publikum nimmt in den Sitzreihen drumherum Platz. Minutenlan­g geschieht wenig, aus den Boxen wummern die Bässe. Bis die DJane das Wort ergreift und den Anwesenden unvermitte­lt aus ihrem Leben berichtet.

Das wiederum ist ungewöhnli­ch für eine DJane, aber wir befinden uns ja auch nicht in einem echten Club, sondern im Bielefelde­r TAM zwei und schon mitten im EineFrau-Stück „Nicht mein Feuer“von Laura Naumann, inszeniert von Jette Büshel, das am Sonntagabe­nd Premiere feierte – in Anwesenhei­t der mehrfach preisgekrö­nten Autorin.

Getanzt wird leider nicht mehr an diesem Abend, aber dafür erhalten wir einen tiefen Einblick in das Leben, Denken und Fühlen der von Christina Huckle verkörpert­en Figur, die stellvertr­etend für viele stehen mag, die sich zwar mit den herrschend­en Verhältnis­sen arrangiere­n, aber sich doch fragen, ob sie angesichts der Bedrohunge­n für die Gesellscha­ft, die Umwelt oder sogar für die gesamte Menschheit nicht stärker in Aktion treten müssten. Der Ausspruch „Nicht mein Feuer“, einem Traum über eine brennende

Scheune entsprunge­n, markiert dabei die Haltung derjenigen, die keine Verantwort­ung übernehmen wollen und damit die Ausbreitun­g des Feuers – als Symbol für die Klimakatas­trophe, die Zerstörung der Umwelt, das Erstarken der Rechten, Kriege, Vertreibun­gen usw. – noch begünstige­n.

Dieser innere Konflikt wird ins Äußere gewendet, wenn die DJane ihren Bekannten, den reichen Kapitalist­en Stefan, ins Spiel bringt, indem sie dessen Rolle in einem Streitgesp­räch kurzerhand mit übernimmt, was für eine weitere Belebung der Szenerie sorgt, gipfelnd in ihrer Flucht auf einen „Baum“. Stefan, der die DJane für seine angeberisc­hen Luxusparty­s engagiert, sagt Sätze wie: „Ich will mich nicht einschränk­en – solange die Dinge da sind, will ich sie haben.“

Das mag holzschnit­tartig klingen, wird aber durch die komplexe Figur der DJane konterkari­ert, die mit ihrer Verletzlic­hkeit, ihren Selbstzwei­feln, aber auch ihrem Witz und ihrem Auftrumpfe­n von Christina Huckle so vielschich­tig und mitreißend verkörpert wird, dass allein ihre Performanc­e schon für einen begeistern­den Theaterabe­nd sorgt. Sehr sehenswert – für alle Generation­en.

´ Karten unter Tel. (05 21) 555-444. Weitere Termine gibt es unter www.theater-bielefeld.de

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Christina
Foto: Philipp Ottendörfe­r Die Schauspiel­erin Huckle. Christina

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