Soundtrack für mehr Verantwortung
Jette Büshel inszeniert das Eine-Frau-Stück „Nicht mein Feuer“von Laura Naumann mit Christina Huckle in der einzigen Rolle.
¥ Bielefeld. Das Publikum strömt in den Club, die DJane – Kurzform für „weiblicher Discjockey“– ist schon da und tut, was DJanes so tun – sie „legt auf“und ist sehr mit ihrem Pult beschäftigt, eine Muschel des Kopfhörers ans Ohr gepresst. Die Tanzfläche ist offensichtlich noch nicht eröffnet, das Publikum nimmt in den Sitzreihen drumherum Platz. Minutenlang geschieht wenig, aus den Boxen wummern die Bässe. Bis die DJane das Wort ergreift und den Anwesenden unvermittelt aus ihrem Leben berichtet.
Das wiederum ist ungewöhnlich für eine DJane, aber wir befinden uns ja auch nicht in einem echten Club, sondern im Bielefelder TAM zwei und schon mitten im EineFrau-Stück „Nicht mein Feuer“von Laura Naumann, inszeniert von Jette Büshel, das am Sonntagabend Premiere feierte – in Anwesenheit der mehrfach preisgekrönten Autorin.
Getanzt wird leider nicht mehr an diesem Abend, aber dafür erhalten wir einen tiefen Einblick in das Leben, Denken und Fühlen der von Christina Huckle verkörperten Figur, die stellvertretend für viele stehen mag, die sich zwar mit den herrschenden Verhältnissen arrangieren, aber sich doch fragen, ob sie angesichts der Bedrohungen für die Gesellschaft, die Umwelt oder sogar für die gesamte Menschheit nicht stärker in Aktion treten müssten. Der Ausspruch „Nicht mein Feuer“, einem Traum über eine brennende
Scheune entsprungen, markiert dabei die Haltung derjenigen, die keine Verantwortung übernehmen wollen und damit die Ausbreitung des Feuers – als Symbol für die Klimakatastrophe, die Zerstörung der Umwelt, das Erstarken der Rechten, Kriege, Vertreibungen usw. – noch begünstigen.
Dieser innere Konflikt wird ins Äußere gewendet, wenn die DJane ihren Bekannten, den reichen Kapitalisten Stefan, ins Spiel bringt, indem sie dessen Rolle in einem Streitgespräch kurzerhand mit übernimmt, was für eine weitere Belebung der Szenerie sorgt, gipfelnd in ihrer Flucht auf einen „Baum“. Stefan, der die DJane für seine angeberischen Luxuspartys engagiert, sagt Sätze wie: „Ich will mich nicht einschränken – solange die Dinge da sind, will ich sie haben.“
Das mag holzschnittartig klingen, wird aber durch die komplexe Figur der DJane konterkariert, die mit ihrer Verletzlichkeit, ihren Selbstzweifeln, aber auch ihrem Witz und ihrem Auftrumpfen von Christina Huckle so vielschichtig und mitreißend verkörpert wird, dass allein ihre Performance schon für einen begeisternden Theaterabend sorgt. Sehr sehenswert – für alle Generationen.
´ Karten unter Tel. (05 21) 555-444. Weitere Termine gibt es unter www.theater-bielefeld.de